Publiziert am: 03.07.2020

«Arbeitsplätze und Wohlstand sichern»

NEIN ZUR BEGRENZUNGSINITIATIVE – Flankiert von den Sozialpartnern, setzt sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter für ein Nein zur Initiative «Für eine massvolle Zuwanderung» ein. Für sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler ist klar: «Der Wohlstand der Schweiz begründet sich aus ihrer wirtschaftlichen Offenheit.»

«Aufgeschoben ist nicht aufgehoben»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter trat gemeinsam mit den Sozialpartnern vor die Medien, um vor der Annahme der Begrenzungsinitiative (BGI) zu warnen. Die Initiative verlangt das Ende der Personenfreizügigkeit mit der EU. Dies käme auch einer unverantwortlichen Schwächung der KMU gleich, betonte Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv. Die ursprünglich auf den 17. Mai terminierte Abstimmung wurde aufgrund der Corona-Krise neu angesetzt, und zwar auf den Sonntag, 27. September.

Der falsche Zeitpunkt für Experimente

Bei der Abstimmung gehe es nicht nur um die Personenfreizügigkeit, betonte die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), Bundesrätin Karin Keller-Sutter. «Als Teil der Bilateralen I ist das Freizügigkeitsabkommen eng mit sechs weiteren, für die Wirtschaft zentralen Abkommen verknüpft.» Es stehe deshalb der bewährte bilaterale Weg mit der EU auf dem Spiel (vgl. auch Seite 1). «Eine funktionierende Sozialpartnerschaft ist ein zentraler Faktor für die Stabilität unserer Wirtschaft», so Bundesrätin Keller-Sutter weiter. Angesichts der erheblichen Unsicherheiten als Folge der Corona-Krise sei jetzt erst recht kein guter Zeitpunkt für politische Experimente. «Es kann nicht angehen, dass unser Wohlstand gerade jetzt in Frage gestellt wird.»

«KMU sind für unsere Wirtschaft systemrelevant.»

Die Bundesrätin hob hervor, dass die Schweizer Volkswirtschaft auch wegen des bilateralen Weges vor der Corona-Krise hervorragend aufgestellt und die Arbeitslosigkeit tief war. Es gebe nun ein gemeinsames Ziel: «Die Wirtschaft soll sich jetzt so rasch wie möglich erholen können und so konkurrenzfähig werden wie vor der Krise. Es geht darum, unsere Arbeitsplätze und damit unseren Wohlstand zu sichern.»

Zuerst noch hinterfragt – heute brandaktuell

Bezugnehmend auf die Corona-Krise stellte sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler fest: «KMU sind für unsere Wirtschaft systemrelevant.» Sie seien wichtige Stabilisatoren für Konjunktur und Arbeitsmarkt. Auch deshalb sei es gegenüber dem Wirtschaftssystem Schweiz unver­ant­wortlich, den KMU den Zugang zu einem wichtigen Fach­kräfte­pool zu verbauen. «Die Corona-Krise hat klar aufgezeigt: Ohne die europäischen Fachkräfte wäre unser Schweizer Gesundheitssystem rasch an seine Grenzen gekommen – ja sogar zusammengebrochen, wenn die Pandemie einen noch gravierenderen Verlauf genommen hätte.»

Schon vor der Krise habe der sgv in seiner Kampagne gegen die Kündigungsinitiative auf den Fachkräftemangel aufmerksam gemacht. «In weiser Voraussicht sind wir mit einem Keyvisual, welche als Pro­tagonistin eine polnische Pflegefachfrau zeigt, im Februar in die Kampagne gestartet», sagte Bigler und stellte fest: «Wir wurden damals von der Presse hinterfragt. Heute zeigt sich, dass die Kampagne brandak­tuell war.»

Zugang zum Fachkräftepool nicht verbauen

Der Fachkräftemangel zeige sich aber nicht nur in der Gesundheitsbranche. Eine Studie von Robert Walters habe ergeben, dass KMU und Konzerne in hohem Masse vom Mangel an qualifizierten Kandidierenden betroffen seien. «Konkret sehen sich 68 Prozent aller befragten Arbeitgeber in ihrer Personalbeschaffung vom Fach­kräfte­mangel beeinflusst», sagte Bigler. «50 Prozent beklagen das Defizit an regional verfügbaren Kandidatinnen und Kandidaten.»

«Der Bundesrat will nur so viel Zuwanderung wie nötig.»

Dass sich der Fachkräftemangel im Land zuspitze, zeigten auch die Erhebungen der Adecco Gruppe Schweiz. Gemäss deren Index hat der Fachkräftemangel 2019 im Vergleich zum Beginn der Messung 2016 gesamtschweizerisch um 22 Prozent zugenommen. «Angesichts der Systemrelevanz der KMU», so Bigler weiter, «ist es deshalb unverantwortlich, den KMU den Zugang zu einem wichtigen Fachkräftepool zu verbauen.»

Da der Anteil der Pensionierten in den nächsten Jahren steigt, bleibe die PFZ wichtig. Bundesrätin Keller-Sutter stellte gleichzeitig klar: «Der Bundesrat will aber nur so viel Zuwanderung wie nötig.» Er investiere deshalb gezielt in die inländischen Arbeitskräfte. Diverse Massnahmen würden in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern unternommen.

Sie betonte an der Pressekonferenz, dass die Initiative «arbeitnehmerfeindlich» sei. Sie gefährde Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Erholung nach Corona. Die Argumente der Befürworter, wonach die Zuwanderung die Löhne allgemein drücken würde, greife nicht. Denn mit der Einführung der PFZ am 1. Juni 2004 wurden zum Schutz der Erwerbstätigen vor missbräuchlichen Unterschreitungen der Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen flankierende Massnahmen eingeführt. Diese sollen überdies gleiche Wettbewerbsbedingungen für inländische und ausländische Unternehmen gewährleisten.

Gewerbekammer sagt Nein

«Der Wohlstand der Schweiz begründet sich aus ihrer wirtschaftlichen Offenheit», so Hans-Ulrich Bigler. Wenn nun mit der Kündigungsinitiative Arbeitsplätze vernichtet würden, «dann wird das Fundament der Schweizer Wirtschaft angegriffen und beschädigt.» Dies sei letztlich auch der Grund, weshalb die Gewerbekammer, das Parlament des Schweizerischen Gewerbeverbands, eine deutliche Nein-Parole beschlossen habe.

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GEGNER DER BEGRENZUNGSINITIATiVE

Weibeln für ein Nein

Gegen die Begrenzungsinitiative engagieren sich BDP, CVP, EVP, FDP, Grüne, Grünliberale und SP. Ebenfalls dagegen sind die Dachverbände der Wirtschaft, der Schweizerische Gewerbeverband sgv, economiesuisse und der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) ebenso wie die Gewerkschaften und weitere Organisationen, die in der «Europapolitischen Allianz stark + vernetzt» organisiert sind: www.europapolitik.ch

Bundesrat hat bereits Massnahmen ergriffen

Auch der Bundesrat und das Eidgenössische Parlament beantragen die Begrenzungsinitiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung.

Der Bundesrat anerkennt jedoch, dass die Zuwanderung auch mit Herausforderungen verbunden ist, weshalb er bereits am 15. Mai 2019 eine Reihe von Massnahmen beschlossen hat, um inländische Arbeitskräfte gezielt zu unterstützen.

www.begrenzung-nein.ch

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