Publiziert am: 22.01.2016

Ausländer stehen auf «swissmade»

BE 1 CUSTOM MADE BOARDS – Patrick Andereggen hat sein eigenes Unternehmen gegründet. In dem Start-up im Oberwallis baut er einzigartige Snowboards. Seine Kreativität und Innovationskraft begeistern Carvingboarder auf der ganzen Welt.

Stellen Sie sich vor: Sie gleiten mühelos auf Ihrem Snowboard durch den Pulverschnee. Das Brett unter Ihren Füssen fährt wie von alleine – kein Kampf, kein Abmühen und keine müden, schmerzenden Muskeln. Sie rasen den Hang hinunter, ein Gefühl wie Fliegen durch eine verzauberte, weisse Märchenlandschaft. Dies ist kein Traum, sondern kann Realität werden – mit einem selbstgemachten be1-Carvingboard von ­Patrick Andereggen.

Vor sechs Jahren hat der Walliser begonnen, selber ein Snowboard zu fabrizieren und damit den Grundstein für sein Sportgeschäft be1 custom made snowboards in Vouvry gelegt. «Ich habe auf einem teuren Snowboard, wie sie in Weltcup-Rennen gefahren werden, angefangen. Allerdings musste ich viel daran arbeiten, bis es einigermassen meinen Bedürfnissen entsprach. Da dachte ich mir, eigentlich geht das ja viel einfacher, wenn ich selber ein Brett baue», so Andereggen. Gesagt, getan: Der gelernte Möbelbauschreiner bestellte das Material im Internet und legte los. Er brauchte drei Versuche, bis es klappte. «Das erste Brett war ein voller Reinfall. Als ich mit dem dritten Versuch an einem Carving-Event auftauchte, lachten mich die grossen Markenhersteller zuerst aus, doch es funktionierte», so Andereggen, der als Späteinsteiger erst vor 18 Jahren vom Snowboard-Virus gepackt wurde.

Nach Massstab gefertigt

Es sei ein Prozess, ein individuell auf den Kunden abgestimmtes Snowboard herzustellen. Dafür benötige er zwei bis vier Wochen. «Die Bedürfnisse des Kunden sind dabei absolut zentral», sagt Andereggen. «Wir gehen zusammen auf die Piste, damit ich seine Anliegen genau eruieren und dann auch die Bindungen entsprechend einstellen kann. Das Material muss auf die Pisten- und Schneeverhältnisse, auf die klimatischen Bedingungen, auf die Art und Weise wie das Brett dann eingesetzt und benutzt wird sowie auf die persönlichen Vorlieben und das Fahrkönnen abgestimmt sein.» Die «custom made snowboards» werden alle nach Massstab in seiner Werkstatt in Vouvry im Unterwallis hergestellt – zehn Minuten entfernt vom grössten Skigebiet Europas, den Portes du So­leil. Der Kern des Snowboards ist aus Buchen- oder Pappelholz gefertigt, was gemäss Andereggen hohe Flexibilität und Langlebigkeit gewährleistet. «Die Auswahl der Materialien ist eine Gefühlssache.» Ausschlaggebend sei zudem auch eine gute Verklebung. Seine Boards sind alle Unikate – die Möglichkeiten bezüglich Farben, Lack, Oberflächenstruktur und Design sind grenzenlos. «Ich versuche mit dem Kunden für jedes Anliegen eine effiziente und kreative Lösung zu finden – und ist es ein mit Swarowskisteinen verziertes Brett.»

«Swissmade-Produkte haben einen guten Ruf.»

Diese «custom made snowboards» sind einzigartig auf dem Weltmarkt. Einzigartig aufgrund ihrer Herstellungsweise wie auch aufgrund ihrer Materialien und Qualität. So ermöglicht der ehemalige Bauleiter seinen Kunden sogar, ihm während des Bauprozesses in seiner Werkstatt über die Schulter zu gucken. Ganz Mutige dürfen unter seiner kompetenten Anleitung selber Hand anlegen. Bei der Herstellung legt Andereggen grossen Wert darauf, dass in seinem Boards 100 Prozent Schweizer Materialien und Qualität stecken. «be 1 ist eine Schweizer Marke, die zu 100 Prozent in der Schweiz produziert wird», betont der 45-Jährige. Die Schweiz sei ein guter Produktionsstandort, gerade für solche aussergewöhnlichen Handarbeitsprodukte. «Swissmade-Produkte haben einen guten Ruf, Ausländer schätzen Schweizer Erzeugnisse sehr», hält Andereggen fest.

Bei seinen Boards wolle er das Maximum an Qualität herausholen. Die Einzigartigkeit der Bretter wird durch die Seriennummer des Brettes fest-gehalten. Diese ist in eine Kristallglasscheibe eingelasert. Dieses clevere System schützt zudem vor Diebstahl. «Man kann die Nummer nicht entfernen, ohne dabei das Brett zu zerstören», erklärt Andereggen. Er gibt auf seine Boards eine zehnjährige Garantie. «Ich bin überzeugt von diesen Produkten und stehe mit meinem Namen dafür ein. Sollte etwas kaputtgehen oder nicht funktionieren wie geplant, so wird der Schaden kostenlos ersetzt», sagt Andereggen. Selbstverständlich haben solche mit viel Liebe zum Detail hergestellte Qualitätsprodukte ihren Preis – ab 1800 Franken nach oben, je nach Aufwand, Ausführung und Budget des Kunden.

Einfachheit als Erfolgsrezept

Momentan ist das Start-up noch voll in der Aufbauphase. Bis jetzt hat Andereggen rund 40 Boards produziert und sich eine internationale Kundschaft aufgebaut (siehe Kasten). Mit seinen aussergewöhnlichen Boards hat er im Mai 2013 am Wettbewerb des Prix Createur der Kantonalbank Wallis den zweiten Platz belegt. Er habe, um daran teilnehmen zu können, einen Businessplan erstellen müssen. Er sei ein Macher und deshalb habe er zuerst mit etwas Eigenkapital seine Idee einfach mal umgesetzt. Das Echo an Carving-Events in der Schweiz, Frankreich und Österreich, wo er seine Prototypen präsentierte, sei bis jetzt immer gut gewesen. «Die Kunden schätzen vor allem die aussergewöhnliche Benutzerfreundlichkeit und das tolle und einfache Handling des Brettes», sagt Andereggen. «Mein Erfolgsrezept ist die Einfachheit. Die Boards sind einfach gebaut und entsprechend einfach zu handhaben.» Zu seinen Kunden gehören Männer wie auch Frauen ab 25 Jahren, die sich ein exklusives Board leisten wollen. «Dies sind alles Leute, die genau wissen, was sie wollen und eine klare Vorstellung vom Produkt haben.»

«Mit 50 Brettern pro Jahr wäre ich auftragsmässig ausgelastet.»

Andereggen ist sich bewusst, dass es einige Zeit braucht, bis er sich mit seinen «custom made snowboards» auf dem Markt etablieren kann. «Dies braucht eine grosse Portion Geduld, Selbstvertrauen und einen eisernen Glauben an das Produkt», sagt er. Eine Markttreue sei jetzt schon da. «Alle, die ein Board von mir haben, sind begeistert und möchten nie mehr auf einem anderen Brett fahren.» 
Momentan kann Andereggen nur zu 50 Prozent vom Snowboardbauen leben. Die anderen 50 Prozent beschäftigt er sich mit einem im weitesten Sinne artverwandten Geschäft – der individuellen Autopflege. Mit dem Pflegen von alten Ledersitzen, Cockpit und Interieur sowie von speziellen Lacken von Oldtimern bestehen Parallelen zur Oberflächenbehandlung seiner Boards.

Momentan seien zwar Snowboards eher rückläufig und Carvingskis stark im Trend. Doch er sei zuversichtlich, dass der Markt zurückkomme. «Die Carvingboardszene wird wieder neu aufgemischt. Es ist ein ganz anderes Fahrgefühl auf den Boards – besonders was die Kurven anbelangt. Da offenbaren sich den Fahrern ganz andere Möglichkeiten», erklärt Andereggen. Seine Boards können das ganze Jahr, unabhängig von der Saison, bestellt werden. Für diesen Winter stehen noch drei Events in Norditalien, Österreich und Adelboden auf der Agenda. Dort kann er seine exklusiven Bretter in der Szene vorstellen. «Mit 50 Bretter pro Jahr wäre ich auftragsmässig ausgelastet», so der gebürtige Briger.

Corinne Remund

INTERNATIONALER MARKT

Gefragt in der ganzen Welt

Besonders auch ausländische Kunden sind an den «custom made snowboards» von Patrick Andereg-gen interessiert. «Meine Bretter sind in der ganzen Welt im Einsatz. Ich liefere nach Deutschland, Frankreich, Österreich, in die USA und nach Russland.» Sie sind sehr begehrt bei den Russen. «Der Markt bewegt sich Richtung Russland und Asien. Aber auch in den USA und Japan ist das Lobbying der Carvingboards gross. Dort ist das Marktvolumen noch wie bei uns vor 15 Jahren vor dem grossen Einbruch», erklärt Andereggen. Er hätte einen potenziellen Kunden in Sibirien. «Dort herrschen extreme Temperatur- und Schneeverhältnisse, die ich vor Ort rekognoszieren müsste, um ein entsprechendes Board fabrizieren zu können», sagt Andereggen. Allerdings hätte die jetzige politische Situation einen solchen Augenschein bis jetzt verhindert. Eine grosse Herausforderung sei auch die Logistik. «Der Transport nach Asien ist sehr kostspielig, da muss ich noch nach einer Lösung suchen.» CR

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