Publiziert am: 08.04.2016

Der Ausverkauf der Heimat geht weiter

Tribüne

Wer die Swissair hat untergehen lassen, bleibt weiterhin ein Staatsgeheimnis. Die Deutsche Lufthansa, die sich in der Schweiz jetzt Swiss nennt, hat jedenfalls keinen Grund, dies zu bedauern. Sie hat aus der Swiss einen Goldesel gemacht. Jetzt erleben wir den Untergang der beiden Schweizer Energiekonzerne Alpiq und Axpo, die ihre Wasserkraftwerke, einst „Blaues Gold“ genannt, an die Chinesen oder die Steuerzahler der Kantone abtreten wollen. Die Kernkraftwerke sollen ebenfalls an die Steuerzahler abgestossen werden. Diese, als Strom-Endkonsumenten, sollen dafür höhere Energiepreise bezahlen, um das Geschäft zu erleichtern. Dass Alpiqs Unternehmensleitung den Konzern durch eine überrissene Expansion in Europa erst in die Katastrophe führte, wird gerne vergessen. Und Heinz Karrer als Axpo-Präsident hat sich keine Lorbeeren geholt.

Der Ausverkauf der Heimat und der demokratischen Volksrechte geht weiter: Chinesen sind die Eigentümer bereits über einer Hundertschaft Schweizer Firmen, die 120 grössten Schweizer Konzerne sind unter ausländischer Kontrolle. Alleine an US-amerikanische Aktionäre in der Schweiz werden jährlich über 40 Milliarden Franken an Dividenden und anderen Zahlungen abgeführt. Unsere Katholiken stehen mehr denn je unter der Aufsicht des Heiligen Stuhls im Vatikan; wer auf erworbenen Rechten beharrt, gilt als Revoluzzer. Das Schweizer Fernsehen hat einen Marktanteil von unter 30%; ausländische Sender bestimmen mit Krimis und Unterhaltung unser kulturelles Niveau. Die FIFA hat zwar einen neuen Präsidenten, aber deren Hauptsitz in Zürich ist von US-Anwälten besetzt und wird von der US-Justizministerin Loretta Lynch weiterhin belagert. Die US-Justiz wird viel Geld wollen, wie schon vor 20 Jahren in den Holocaust-Verfahren und anschliessend von den Schweizer Banken. Diese sind seither so geschwächt, dass sie, mit Ausnahme der Kantonalbanken, kaum mehr auf die Beine kommen.

Der Ausverkauf der Heimat findet aber auch im Inland durch Schweizer statt. Rund um den Zürichsee, wo 100 000 der reichsten Schweizer wohnen, nimmt die Zahl der Betreibungen mit zweistelligen Prozentsätzen zu. 5000 Goldküstenbewohner, meist zwischen 20 und 45 Jahren alt, stecken in der Schuldenfalle. Sie zahlen keine Steuern, keine Krankenversicherungen und auch sonst vieles nicht mehr. Als Mietnomaden zelten sie auf Campingplätzen, um dem Steuervogt und Betreibungsbeamten zu entgehen. Auf der Moosalp im Oberwallis, ein wunderbarer Ort auf 2000 Metern, den auch viele Berner, Basler und Zürcher kennen, geben die Schäfer ihre Alpen auf, weil von der 460-köpfigen Herde 48 Tiere von Wölfen gerissen wurden. Ein Stück Alpenkultur geht damit verloren.

Die Globalisierung ist im Begriff, die Igel-Schweiz des 20. Jahrhunderts, wo man sich nach aussen wehrhaft gab, zu zerstören. Wo die Alten noch sparten und Vermögen aufbauten, wo Schweizer Manager noch die besten der Welt waren, tut sich heute eine Lücke auf, die jedes Jahr grösser wird. Wer sich zur Heimat bekennt, gilt in den urbanen Zentren unseres Landes als hoffnungslos „out“. Der Wind des Wandels hat alle ergriffen und macht viele ärmer. Jetzt setzt die Flucht der klügsten Jungen in die digitale Welt, in die Hochschulen und Konzerne der 
A-Schweiz ein. KMU und Gewerbe haben eine gute Chance, wenn sie zügig modernisieren. Wer zurückbleibt, verliert.

*Klaus J. Stöhlker ist Unternehmensberater für Öffentlichkeitsbildung in Zollikon/ZH.

Die Tribüne-Autoren geben ihre eigene Meinung wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv decken.

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