Publiziert am: 19.05.2017

Deregulierungen sind möglich, wenn man will

Die Meinung

Kein Zweifel: Unternehmen, die Finanzdienstleistungen mit der Informationstechnologie verbinden, sind zukunftsträchtig. Keine Frage: Start-ups tun dem Unternehmertum viel Gutes. Und trotzdem grosse Skepsis: Die Modewörter Fintech und Start-up dürfen nicht für Industriepolitik missbraucht werden.

Von Industriepolitik spricht man, wenn eine Branche oder eine Gruppe von Firmen staatlich gefördert wird. Alle anderen Unternehmen gehören demnach nicht zur Gruppe der Auserwählten. Ihnen werden keine Privilegien geschenkt. Typischerweise operiert Industriepolitik mit Subventionen, regulatorischen Freipässen, Steuergeschenken oder Ähnlichem.

Warum ist Industriepolitik problematisch? Dafür gibt es viele Gründe. Die wichtigsten: Der Staat definiert, welche Firmen gefördert werden. Damit werden partikularistischen Brancheninteressen Türe und Tor geöffnet. Für die Instrumente der Industriepolitik bezahlen nämlich alle anderen Firmen. Und damit entstehen riesige Wettbewerbsverzerrungen sowohl auf betriebs- als auch auf volkswirtschaftlicher Ebene. Länder mit Industriepolitik haben alle verschiedene ökonomische Probleme. Dazu gehören hohe Staatsschulden, niedrige Produktivität und wenig Innovation.

So weit so gut. Was hat das aber mit den Fintech und den Start-ups in der Schweiz zu tun? Im Moment nichts. Aber bleibt das so? Der Bund erfand beispielsweise eine «Fintech-Vorlage». 
Sie passt das Bankengesetz an. Im Prinzip erhält sie viele Vorteile: So sollen die Tätigkeiten von Crowdfunding, Kryptowährungen, elektronische Zahlungen und andere dereguliert werden. Das Problem: Die Deregulierungen gelten nur für Unternehmen, die der Bund selber auswählt und seiner neu erfundenen Branche zurechnet.

Die Fehlüberlegung dabei ist, dass der Bund, statt Fintech als eine besonders technologieaffine Art der Erbringung von Finanzdienstleistern zu verstehen, daraus eine Institution, eine Branche zu machen versucht. In der Realität setzen einige Firmen Fintech ein. Aber für den Bund ist man entweder Fintech – dann wird man gefördert –, oder man ist es nicht – dann untersteht man allen Regulierungen.

Dabei ist es offensichtlich: Wenn eine Bank eine Crowdlending-Plattform betreibt, ist sie eine Bank, die Fintech einsetzt. Wenn ein Vermögensverwalter Robo-Advisory anbietet, ist er 
ein Finanzdienstleister, der Fintech einsetzt. Weder die Bank noch der Vermögensverwalter sind eine neue Branche. Unternehmen einer neu-
definierten Branche Fintech zuzuordnen und nur ihnen regulatorische Vereinfachungen zu gewähren, ist... eben: Industriepolitik.

Eine ähnliche Problematik ergibt sich bei der Start-up Förderung. Die Idee ist es, besonders innovative Neugründungen von Unternehmen durch erleichterten Zugang zu Kapital, vielleicht sogar mittels günstigeren Steuern zu fördern. Wer will aber sagen, welche Firma besonders innovativ ist? Der Bund etwa? Woher sollte der das überhaupt wissen? Viel wichtiger noch: Warum nicht allen Neugründungen von Unternehmen die gleichen Konditionen gewähren?

Was beide Beispiele zeigen: Offenbar ist es möglich, zu deregulieren. Offenbar ist der Bund sogar willens, gute Rahmenbedingungen zu setzen. Warum also nicht für alle Unternehmen gute Rahmenbedingungen schaffen? Wenn es möglich ist, für eine Gruppe von Firmen Vereinfachungen einzuführen, dann ist es zwingend, sie allen Unternehmen zu gewähren. Nicht in einer zentral geplanten Industriepolitik, sondern im freien Wettbewerb. Dann wird sich zeigen, was wirklich zukunftsträchtig ist.

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