Publiziert am: 06.06.2014

«Die Krise ist noch nicht gelöst»

INTERVIEW – Daniel Kalt, UBS-Chefökonom Schweiz

Schweizerische Gewerbezeitung: Wie geht es der EU? Zwischendurch hört man positive Nachrichten, doch die Hauptprobleme der meisten europäischen Wirtschaften (Arbeitslosigkeit, Schulden und Reformstau) sind nicht behoben.

n Daniel Kalt: Mit der konjunkturellen Entwicklung geht es zwar in Europa seit einigen Monaten wieder aufwärts. Nach zwei Jahren sinkender Wirtschaftsleistung dürfen wir im laufenden Jahr erstmals wieder mit einem leicht positiven Wirtschaftswachstum rechnen. Allerdings sind die Schuldenberge der Regierungen inzwischen nicht etwa kleiner, sondern eher noch grösser geworden. Die Arbeitslosigkeit ist mit einem Durchschnitt von rund 12 Prozent weiterhin sehr hoch. Fundamental gelöst ist somit die Krise in Europa noch nicht. Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat mit der Aussage «notfalls alles zu tun, um den Euro zusammenzuhalten» lediglich die Lage etwas beruhigt und Zeit gekauft, um die notwendigen strukturellen Reformen umzusetzen.

In diesem Zusammenhang hört man in der EU den Ruf nach einer «Verbilligung» des Euro, damit die Wirtschaft angekurbelt wird. Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt und was würde es für die Schweiz bedeuten?

n Der Euro ist ja vor allem gegenüber dem US-Dollar stark gestiegen und notierte bis vor kurzem bei gegen 1.40. Das hat den europäischen Exportunternehmen zunehmend Sorgen bereitet und zudem die Inflation in Europa nach unten gedrückt. Weil sich die Europäische Zentralbank Sorgen um eine deflationäre Entwicklung macht, dürfte sie mit zusätzlichen expansiven Massnahmen versuchen, den Euro zu schwächen. Solange der CHF gegenüber dem EUR stabil bleibt, hilft das auch der Schweiz, denn dann würde sich der CHF gegenüber dem USD ebenfalls abschwächen.

Es ist auch interessant, dass die wirtschaftlichen Indikatoren für die USA negativ ausfallen, aber beispielsweise die Börse dort steigt (und damit die Börsenkurse in der Schweiz und der EU). Ist diese Entwicklung überhaupt nachhaltig?

n Die Konjunkturindikatoren in den USA waren vor allem in den Wintermonaten schwach, weil in den USA der Winter dieses Jahr besonders kalt und hart ausfiel. Dies hat die Wirtschaftsaktivität in den USA gebremst. In den kommenden Monaten gehen wir allerdings von einer wieder beschleunigten Wirtschaftsentwicklung in den USA aus. Weil dies auch die Finanzmärkte so sehen und die Unternehmensgewinne in den USA recht solide zulegen, sind die Aktienmärkte weiter leicht gestiegen.

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