Publiziert am: 07.10.2016

Eine ideologische Hauruck-Übung

ATOMAUSSTIEG – Linke und Grüne fordern den sofortigen Atomausstieg. Damit gefährden sie die Versorgungssicherheit der Schweiz ebenso wie die ehrgeizigen Klimaziele, die sich die Schweiz auch aufgrund ihres eigenen Drängens gesetzt hat.

Der aktuelle Schweizer Strommix ist beinahe frei von Kohlenstoffdioxiden (CO2). Wasserkraft, Kernkraftwerke und erneuerbare Energien stellen Strom zur Verfügung, ohne CO2 auszustossen. Um diesen ohnehin schon guten Mix noch ökologischer zu machen, hat das Parlament soeben die Energiestrategie 2050 beraten.

Klar ist heute schon: Ein überhasteter Atomausstieg gefährdet nicht «nur» die Versorgungssicherheit der Schweiz, er gefährdet auch die Energiestrategie 2050. Sie will den Anteil neuer erneuerbarer Energieträger am Schweizer Strommix ausbauen. Damit soll es möglich werden, in den nächsten 30 Jahren den Anteil der Kernkraft zu reduzieren – bis auf null. Wichtig ist: Eine klimafreundliche Stromproduktion wird durch eine andere, ebenso klimafreundliche ersetzt.

Es ist nämlich unmöglich, die knapp 40 Prozent Kernkraft am Schweizer Mix «einfach so» zu ersetzen. Neue Erneuerbare, vor allem Wind und Photovoltaik, müssen erst noch ausgebaut werden. Dezentrale Netze müssen implementiert werden. Speichertechnologien müssen sich entwickeln. Das ist ein andauernder Prozess, den man weder zentral planen noch einfach verordnen kann.

Krisen nicht noch selber schaffen

Denn schliesslich gibt es auch noch eine weitere, wichtige Nebenbedingung: Wir wollen keine Explosion der Strompreise! Die Schweizer Wirtschaft kämpft eh schon mit vielen Herausforderungen. Eine zusätzliche, künstlich geschaffene (Strom-)Krise ist absolut nicht notwendig. Zumindest nicht, wenn Arbeitsplätze und sozialer Ausgleich eine Bedeutung haben sollen. Zurück zur Energiestrategie 2050: Sie beachtet sowohl das Ziel als auch die Mittel. Die Klimaneutralität der Schweizer Stromproduktion bleibt garantiert, und sie wird ökologischer. Aber das passiert nicht überhastet, sondern in einem Prozess der kontinuierlichen Effizienzsteigerung.

Die Atomausstiegsinitiative will das pure Gegenteil: Als gierige Hauruck-Übung setzt sie auf panische Abschaltung von circa 40 Prozent der Stromproduktion. In der Praxis müsste diese Lücke mit «dreckigem», CO2-intensivem europäischem Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken gefüllt werden. Wer den sofortigen Atomausstieg fordert, sagt also gleichzeitig ja zu höheren Strompreisen und dreckigem Strom. Klimapolitisch wäre das für die Schweiz als grünste Wirtschaft der Welt eine Katastrophe.

«Nicht nachvollziehbar»

«Es ist nicht nachvollziehbar, wenn man übereilt in der Schweiz Atomkraftwerke abstellen will, um dann Atom- oder CO2-belasteten Kohlestrom zu importieren», sagt Frank R. Ruepp, CEO der vonRoll infratec (holding) ag und Präsident der Interessengemeinschaft der energieintensiven Basisindustrien IGEB. «Letzteres steht im krassen Widerspruch zu den Umwelt- und Klimaschutzbemühungen der Schweizer Industrie», so Ruepp, der auch im Vorstand der Energie-Agentur der Wirtschaft EnAW sitzt. Diese berät seit 2001 Firmen bei der Umsetzung von energetischen Effizienzmassnahmen, die den Stromverbrauch und den CO2-Ausstoss jedes Unternehmens senken. «Nicht nur für die energie­­-
in­tensive Basisindustrie ist eine zuverlässige, kosteneffiziente und im 
Vergleich zum Ausland konkurrenzfähige Stromversorgung existenziell.»

Alle würden ärmer

Doch die Probleme der unüberlegten Ausstiegsinitiative gehen weiter. Aufgrund der plötzlich erhöhten Stromnachfrage auf dem europäischen Markt würden die Preise für Importstrom in die Höhe schnellen. Das hat negative Folgen auf die Wirtschaft und macht die einzelnen Haushalte ärmer.

Und die bitteren Nebenwirkungen hören auch da nicht auf. Würde man die bestehenden Kernkraftwerke vor der ihnen zugesicherten Frist abstellen, würden ihre Betreiber sofort Entschädigungszahlungen verlangen. Hier müsste das Volk wohl mehrere hundert von Millionen Steuerfranken einschiessen – absurd!

Schildbürgerstreich erster Güte

Die Atomausstiegsinitiative der linken Hitzköpfe versursacht also Kosten für den Staat, Kosten für die Wirtschaft und Kosten für die einzelnen Individuen. Sie ist ein Schildbürgerstreich erster Güte, denn sie ersetzt CO2-arme Elektrizität durch Fossilstrom. Und das wichtigste: Mit ihrer Hauruck-Übung verunmöglicht sie die Energiestrategie 2050. Darum gilt am 27. November: NEIN zur Atomausstiegsinitiative.

Henrique Schneider, Stv. Direktor sgv

 

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