Publiziert am: 08.07.2016

«Es steckt viel Potenzial darin»

AM KYBURZ AG – Das Start-up in Wettswil betreibt die erste Multilaser-Maschine in der Schweiz. Damit möchten die Gründer die Technologie der additiven Fertigung in der Industrie etablieren.

«Additive Manufacturing» ist ein Begriff, der in den letzten Jahren mehr und mehr an Bedeutung gewonnen hat. Das in der Umgangssprache als 3D-Drucken bekannte Herstellverfahren von komplexesten Bauteilen hat sich im Kunst­stoff­bereich am schnellsten etabliert. In der Vergangenheit sind nun auch weitere Technologien mit unterschiedlichsten Materialien dazu gekommen – von Beton über Esswaren bis hin zu organischen Geweben und Zellen halten neue Verfahren Einzug. Darunter befindet sich auch das Selective-Laser-Melting (SLM)-Verfahren für metallische Werkstoffe. «Das Verschmelzen von metallischem Pulver mit einem Laserstrahl zu einem festen Körper mit einer sehr hohen Dichte von 99 Prozent und höher hat sich in Amerika wie auch in Deutschland sehr stark verbreitet und ergänzt die heutigen herkömmlichen Fertigungsverfahren wie Fräsen, Bohren, Drehen, Giessen sowie diverse Umformtechniken für die Herstellung von Maschinenteilen seit einigen Jahren», erklärt Martin Hofer.

«Der Weg bis zur Eta­blierung der SLM-Technologie ist insbesondere in der Schweiz noch weit.»

Er ergriff vor rund einem Jahr die Ini­tiative zur Gründung der AM Kyburz AG. «Ich unterstützte meinen Sohn bei seiner Projektarbeit mit kleinen Kunststoffmodellen, welche ich mit dem Filament-3D-Drucker im Büro ausdruckte. Dies war meine erste wirkliche Berührung mit dem 3D-Drucken», stellt er fest. Die Faszination sei so gross gewesen, dass es ihm richtig «den Ärmel reingenommen habe», und er begann, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. «Für mich als Maschineningenieur war vor allem das 3D-Drucken im Metallbereich sehr spannend.» Er sammelte Daten und Fakten und recherchierte im Internet. Seine neue Geschäftsidee nahm so immer mehr Formen an. Mit dem Businessplan legte er den ersten Grundstein für das Start-up. Mit im Boot sind auch Adrian Gallmann, Geschäftsführer der Kyburz Fein­mechanik AG, in der an der fast selben Adresse nebenan seit 30 Jahren Teilchen gefertigt werden, sowie Erich Geisser. Die neue Firma wurde Anfang Februar im zürcherischen Wettswil aus der Taufe gehoben. «Das Selcetive Laser Melting (SLM) steckt in der Schweiz noch tief in den Kinderschuhen», betont Hofer. Und er ergänzt: «Nur ganz wenige Ingenieure und Fertigungsbetriebe haben sich zu diesem Zeitpunkt mit dem 3D-Metalldruck auseinandergesetzt. Erstaunlich, wenn man sieht, dass unser grosser nördlicher Nachbar die Weltnummer 2 in der additiven Fertigung ist.» Auch Mitinhaber Gallmann hat sich erstmal über die Technologie informiert und erkannt, dass ein grosses Potenzial darin steckt.

«Junge Leute werden mit Additive Manufacturing mehr und mehr konfrontiert.»

Die Ausbildung an den Fachhochschulen integriere die additive Fertigung nach und nach. Dazu Hofer: «Junge Leute werden mit Additive Manufacturing mehr und mehr konfrontiert. Der Weg bis zur Etablierung der Technologie ist insbesondere in der Schweiz noch weit.» Bei den hochwertigen Produkten brauche es noch mehr Know-how und Unterstützung der Fertiger.

Die erste Multilasermaschine
in der Schweiz

Mit der Gründung des Start-ups im April 2016 wurde auch die erste Multi­laser­maschine in der Schweiz in Betrieb genommen. «Diese Maschine arbeitet gleichzeitig mit zwei Laserstrahlen und bietet somit höchste Performance in der Fertigung von komplexesten 3D-Metallteilen», erklärt Hofer. Dies habe einen markanten Einfluss auf die Kosten der Teile. Die beiden Gründer waren sich einig, dass der Einstieg in dieser noch jungen und sehr dynamischen 3D-Welt trotz enorm hoher Investitionskosten nur mit der modernsten und schnellsten Technologie erfolgreich sein kann. Das Verfahren eignet sich für Einzelteile wie auch für kleine Serien bis zu 1000 Stück je nach Grösse und Geometrie. «Je komplexer die Bauteile, desto günstiger wird es im Vergleich zu den herkömmlichen Fertigungsverfahren», stellt Hofer fest. Hofer und Gallmann wollen den Vorsprung, der ihnen diese Maschine verschafft, noch so lange wie ­möglich nutzen und ihre Kunden mit den besten Preisen bedienen. «Mit dem Fortschritt in der Technologie müssen wir mitgehen, das heisst, so rasch wie möglich eine hohe Auslastung erreichen, damit wir in ein bis zwei Jahren die nächste Maschine kaufen können», betont Hofer.

Die Maschine soll monatlich 400 Stunden im Einsatz sein. «Das wird uns schon ziemlich fordern», meint Hofer lachend. Die Anwendungsmöglichkeiten sind fast unendlich: Komplexe Kühlkanäle, feinste Gitterstrukturen, verwinkelte Frei­form­flächen und gefangene Volumen sind mit der neuen Maschine einfach umzusetzen und zu fertigen. Diese Fertigungsmöglichkeiten finden Anwendung im Formenbau, Leichtbau, Maschinenbau, Schiffsbau und in vielen weiteren Fach­bereichen. «Sogar im privaten Bereich gibt es unendlich viele Anwendungen, wie zum Beispiel 
die Fertigung von individuellen Schmuckstücken, der Nachbau defekter Teile an Liebhaberobjekten oder die Fertigung anderer personalisierter Teile sind möglich», ergänzt Hofer. Verarbeitet werden momentan rostfreier Stahl, Warm­arbeitsstahl und Aluminium. «Zukünftig werden wir auch Titan und weitere Materialien verarbeiten», so Hofer. Die grösste Herausforderung sei ein perfektes Bauteil in minimalster Zeit und in bester Qualität zu fertigen. «Jedes Material hat seine besonderen Eigen­schaften und benötigt seine individuellen Parameter. Die Anforderungen der Kunden spielen ebenfalls eine wichtige Rolle», sagt Hofer. Auf kurzfristige Flexibilität sowie die Unterstützung beim Aufbau der Teile legen die Kunden denn auch grossen Wert.

Kunden von A bis Z unterstützen

«Vom Gedanken zum Produkt» lautet die Firmenphilosophie, die nicht nur gelebt wird, sondern auch oberstes Gebot und roter Faden der Firmenkultur des Start-ups ist. «Wir wollen unsere Kunden von Anfang an bis zum einbaufertigen Produkt unterstützen. Wir bieten bereits in der Entwicklungsphase eines Produktes Unterstützung bei der Ideenfindung an und liefern schlussendlich die fertigen Bauteile», sagt Hofer. Die fünf Stationen vom Gedanken bis zum Produkt umfassen Engineering und Entwicklung, Konstruktion und 3D-Modelle, Additive Manu­facturing, Nachbearbeitung und Veredelung sowie Prüfung und Qualität. Gerade die Qualität hat eine sehr grosse Bedeutung: «Unter Qualität wird oftmals Oberflächengüte verstanden. Das ist ein wichtiger Faktor, aber nicht der einzige», gibt Hofer zu bedenken. Die Festigkeit und die Dichte der Bauteile seien ebenso wichtige Qualitätsmerkmale. Die Messbarkeit und die Qualitätssicherung seien dabei wichtige Fragen, die noch nicht restlos geklärt seien. «Lösungen auf dem Markt sind vorhanden, brauchen aber noch die breite Akzeptanz bei unseren Kunden», so Hofer.

«Die Maschine soll monatlich 400 Stunden im Einsatz sein.»

Obwohl die junge Firma erst knapp drei Monate in Betrieb ist, läuft es besser als gedacht. «Wir spüren ein grosses Interesse an der 3D-Metalldrucktechnologie und an unseren Dienstleistungen. Die Firmen kommen auf uns zu und wollen unsere Maschine begutachten und sich über die Möglichkeiten und Grenzen informieren», freut sich Hofer. Für die Zukunft hat er konkrete Pläne. «Wir wollen Additive Manu­facturing in der Maschinenindustrie verbreiten und etablieren.» Und wenn alle Stricke reissen, so läge selbstverständlich noch ein Plan B in der Schublade ­bereit.

Corinne Remund

 

SIE stehen hinter der am kyburz ag

Viel Erfahrung und Potenzial

Die AM Kyburz AG im zürcherischen Wettswil, ist seit dem 3. Februar 2016 in Betrieb. Ihre Gründer sind:

Martin Hofer: Als Initiant und Mitinhaber übernimmt er die Geschäftsleitung der AM Kyburz AG. Die letzten 12 Jahre hat er bei der Firma Helbling Technik in Zürich diverse grosse Maschinenbauprojekte geleitet. Davor war er bereits einmal selbständig und hat seine Dienste als Konstrukteur für andere Firmen angeboten. Sein Wissen im Engineering wird bei der AM Kyburz AG von zentraler Bedeutung im Bereich der Entwicklung und der Konstruktion von neuen Bauteilen sein.

Adrian Gallmann: Er ist Mitinhaber der AM Kyburz AG. Er hat sich in den letzten 30 Jahren mit der spanabhebenden Fertigung auseinandergesetzt. Als Geschäftsführer der Kyburz Feinmechanik AG ist er verantwortlich für die Nachbearbeitung und die Qualitätskontrolle der Bauteile. Seine grosse Erfahrung in der Lohnfertigung wird insbesondere in der Anfangsphase sehr hilfreich und unterstützend sein und einen guten Start und eine gute Positionierung in der Branche ermöglichen.

Erich Geisser: Er hat in den vergangenen Jahren als Managing Director bei der Firma Dyson den Bereich Europa geleitet. Er bringt sein Wissen als VR-Präsident in die Firma ein. Mit seiner Erfahrung unterstützt er die AM Kyburz AG im Bereich Marketing, Verkauf und Strategie. CR

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