Publiziert am: 10.03.2017

Fachleute teilen statt entlassen

FABERPLACE AG — Das Internet-Start-up in Herisau vernetzt KMU auf einer Plattform untereinander und ermöglicht ihnen, unkompliziert eine motivierte Fachkraft oder Maschine auszuleihen.

Wenn ein Handwerker (Stefan Nussbaum), ein Kaufmann (Martin Frischknecht) und ein IT-Spezialist (Pekka Brander) am selben Tisch sitzen und Ideen austauschen und entwickeln, dann entsteht die Plattform faberplace.com – ein Marktplatz für den unkomplizierten Austausch von Arbeitskräften, Fähigkeiten, Maschinen und Geräten. Die Gründer setzen neue Impulse und zeigen dass «Zusammenarbeit 4.0» oder «intelligentes Teilen» nicht nur Zukunftsmodelle für die Grossindustrie sind.

Alles begann bei einem Gespräch zwischen Nussbaum und Brander sowie einigen Handwerkern über den Arbeitsmarkt in der Schweiz. «Der Druck auf das Klein­ge­werbe ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen – ein Umdenken ist unaus­weichlich», betont Nussbaum. Der gelernte Schreiner weiss, wovon er spricht, erlebt er doch hautnah in seinem Berufsalltag, dass Auftragslage und Auslastung trotz guter Planung oft nicht mehr tragbar sind. «Manchmal hat man zu viel Arbeit und dann wieder zu wenig – Krankheit, Unfälle oder Militärdienst tun das ihre hinzu», so Nussbaum. Die beiden Jungunternehmer wollten diesem Problem mittels einer Vermittlungsplattform, die ähnlich wie eine Dating-Plattform funktioniert, abhelfen. «Mit dem Internet können wir die Problematik zudem sichtbar machen», so Brander. Der Dritte im Bunde ist Martin Frischknecht. Der selbstständige IT-Unternehmer kennt die Vor- und Nachteile sowie die Chancen und Risiken solcher Vorhaben: «Wir haben unsere Firma Anfang April 2016 gegründet und dann so quasi neben­beruflich während sechs Monaten die Plattform aufgebaut. Seit rund vier Monaten sind wir nun online.» Die drei Jungunternehmer sind extrem überzeugt von ihrem Projekt und stecken ihr ganzes Herzblut rein. Die FaberPlace AG wird von der Innovationsinitiative Startfeld gefördert und von der Stiftung Wirtschaftsförderung Appenzell Ausserrhoden unterstützt.

«Der Druck auf das Kleingewerbe ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen.»

Der Service von FaberPlace ist bis jetzt eine einzigartige Lösung für Handwerker und KMU im Internet. Dazu Frischknecht: «Der Austausch von Arbeitskräften, Fähig­keiten, Maschinen und Geräten im Auftragsverhältnis steht im Mittelpunkt von FaberPlace. Hier trifft Angebot auf Nachfrage.» Und so funktioniert der Tausch von Personal und Maschinen: Hat beispielsweise eine Schreinerei während eines Monates wenig Aufträge und sucht eine Beschäftigung für einen zuverlässigen Mitarbeiter, dann kann sie diesen mit wenig Aufwand auf FaberPlace anbieten. Hat nun eine andere Schreinerei aufgrund guter Auftragslage Mühe, Termine einzu­halten oder ein Grossprojekt in Aussicht, kann sie denselben Mitarbeitenden für eine vereinbarte Zeit in einem Auftragsverhältnis hinzunehmen. «FaberPlace erlaubt es den KMU, schnell und unkompliziert miteinander in Verbindung zu treten. Die Betriebe erreichen so eine deutlich bessere Auslastung und werden so wettbewerbs­fähiger», so Brander. Ein weiterer Vorteil sei, dass kleine Firmen dank der Plattform auch grössere Projekte stemmen könnten.

Beitrag gegen den Fachkräftemangel

«Das ist Smart Sharing», sagt Nussbaum. Und er ergänzt: «Die Qualität von Temporärmitarbeitenden ist teilweise sehr unbefriedigend.» Auf FaberPlace können die Unternehmen deshalb qualifizierte Profis teilen. «Wir betreiben eine Ressourcen-Optimierungs-Plattform ganz im Sinne der Share Economy», so Nussbaum (siehe Kasten). Bei FaberPlace kaufen die teilnehmenden Firmen ein Jahresabo, um unbegrenzt Inserate zum Anbieten oder Suchen von Fachkräften und Maschinen aufzuschalten. «Es geht also weder um eine Jobplattform, noch um einen Personalverleih im klassischen Sinn», konkretisiert Frischknecht.

«FaberPlace optimiert die Auslastung der Unternehmen und sorgt für einen stabileren Arbeitsmarkt.»

Mit der Plattform werden Handwerksbetriebe aller Branchen angesprochen. Dazu Frischknecht: «Wir sind überzeugt, die Plattform eignet sich nicht nur für baunahe Berufe, sondern auch für andere Branchen wie beispielsweise die IT oder die Banken.» Ebenso sei auch die Industrie interessiert an diesem ausserordentlichen Angebot. Die Gründer sehen in ihrem Unternehmen auch einen gesellschaftlichen Nutzen. «Die Plattform ist ein Beitrag gegen den Fachkräftemangel, den die Masseneinwanderungsinitiative noch zusätzlich verschärft», so Frischknecht. Gleichzeitig können damit Kündigungen oder Kurzarbeit vermieden werden. «FaberPlace optimiert die Auslastung der Unternehmen und trägt damit dazu bei, dass der Arbeitsmarkt stabiler und berechenbarer wird. Von diesem Marktplatz profitieren gleichermassen Verbände und ihre Mitglieder, die gesamte FaberPlace-Community sowie die Gesellschaft als Ganzes», betont Brander.

Wer teilt, der ist im Vorsprung

Die Plattform hat aber neben dem Know-how-Austausch noch andere Funktionen. So dient sie für KMU, Handwerker, Hersteller, Lieferanten und Verbände als Kommunikationskanal, auf dem News, Events, Kurse usw. angekündigt werden können. Zudem kann sie von Partnern als Marketingwerkzeug genutzt werden. Grundsätzlich sei das Feedback der Betriebe positiv, doch bewegten sie sich auf einem unerfahrenen Gebiet, und daher seien die meisten sehr schwerfällig, bis sie sich durchgerungen hätten, aktiv zu werden. Dazu Nussbaum: «Die IT-Affinität fehlt noch bei vielen Handwerksbetrieben. Es braucht sicher noch Zeit, bis die Unternehmen erkennen, dass sie einen grossen Nutzen davon haben. Denn wer teilt, der hat einen Vorsprung.» Und Brander ergänzt: «Es findet so quasi gerade ein Kulturwandel statt. Die Betriebe müssen von ihrem Konkurrenzdenken loskommen, das zum Teil immer noch stark vorhanden ist. Sie müssen dringend umdenken und begreifen, dass andere Mitbewerber keine Bedrohung sind, sondern, dass man gemeinsam Durststrecken überbrücken kann und so eine Win-Win-Situation entsteht.» Auch Frischknecht bestätigt, diesen Kulturwandel etwas unterschätzt zu haben. «Der letzte Kick fehlt noch. Deshalb müssen wir hier noch etwas Geduld haben, Aufklärungsarbeit leisten und die Leute so quasi anknipsen.»

«Wir entwickeln uns mit dem Markt für die KMU und die 
Verbände.»

Die drei Gründer sind zuversichtlich, dass ihre Plattform zum Laufen kommt. Sie wird zurzeit auf Französisch übersetzt, damit sie auch von den Betrieben in der Westschweiz genutzt werden kann. Ebenso bestehen schon Pläne, nach Österreich und Deutschland zu expandieren. «Wir haben noch viele Ideen in der Schublade, von diversen Funktionen über automatische Vorschläge sowie den Ausbau als Kommunikationskanal bis hin zu einer App.» Um die Plattform möglichst effizient weiterzuentwickeln, sind die innovativen Pioniere offen für Feedbacks und Verbesserungsvorschläge. Ebenso suchen sie noch Investoren. «Wir entwickeln uns mit dem Markt für die KMU und die Verbände», sagt Frischknecht. Corinne Remund

SHARE ECONOMY

Die Ressourcen 
optimieren

Die Gründer sehen FaberPlace als DIE Ressourcen-Optimierungs-Plattform. Sie folgt einem neuen Paradigma, das seit wenigen Jahren zu beo­bachten ist: Share Economy – Was man hat, bietet man zum Teilen an. Was man nicht hat, borgt man sich aus. Der Begriff Share Economy wurde vom Harvard-Ökonomen Martin Weitzman geprägt. Er besagt, dass sich der Wohlstand für alle erhöht, je mehr die Marktteilnehmer untereinander teilen. Die Vision der FaberPlace AG ist, dieses neue Paradigma auch für Schweizer KMU, insbesondere für Handwerksbetriebe, nutzbar zu machen. Die Plattform ist auf ihre Bedürfnisse und Interessen zugeschnitten. CR

Meist Gelesen