Publiziert am: 06.06.2014

Für Güter die Bahn – wie lange noch?

GÜTERVERKEHR – Die Schweiz unterstützt den öffentlichen Verkehr. In Zukunft geht es nach Ansicht der Erdöl-Vereinigung 
vor allem darum, FABI richtig umzusetzen. Dies vor allem auch bei den Kantonen in der Raumplanung.

Mit dem Ja zur FABI-Vorlage (Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur) haben die Schweizer einmal mehr ihre Unterstützung für die Bahn und den öffentlichen Verkehr bekräftigt. Dies sichert den weiteren Ausbau vorab des Personenverkehrs. Damit wird die Reihe der für den Bahnverkehr positiv ausgefallenen Abstimmungen fortgesetzt, allerdings mit nicht beabsichtigten Auswirkungen auf die Güterbahn.

«Im Güterverkehr herrscht Wettbewerb zwischen in- und 
ausländischen 
unternehmen.»

Der Alpenschutzartikel verpflichtet den Bund, den alpenquerenden Transitverkehr von Grenze zu Grenze von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Infolgedessen erliess der Bund 1999 das befristete Verkehrsverlagerungsgesetz, welches 2010 von der Güterverkehrsvorlage abgelöst wurde. Darin wurden ein Bündel von Verlagerungsmassnahmen beschlossen und insbesondere 2,2 Milliarden Franken für Abgeltungen des alpenquerenden kombinierten Verkehrs und der rollenden Landstrasse – der begleitete kombinierte Verkehr, wo komplette Lastwagen per Bahn transportiert werden – gesprochen.

Erfolgreiche Liberalisierung

Die Bahnreform 1999 reformierte zeitgleich das Schienenverkehrssystem entsprechend den Vorgaben der EU. Im Güterverkehr herrscht seither im Ganzzugsverkehr Wettbewerb zwischen in- und ausländischen Eisenbahnverkehrsunternehmungen. Die in der Netzzugangsverordnung festgelegten Trassenpreise, also das Entgelt des Eisenbahnverkehrsunternehmens an den Infrastrukturbetreiber für die Nutzung der Gleise und Bahnanlagen, benachteiligen aber den Güterverkehr: Einerseits sind die Preise vor allem gewichtsabhängig, andrerseits erhielt der Güterverkehr für die ihm zugeteilten schlechten Trassen – das sind die Zeitfenster, in denen ein Zug auf den Strecken fahren kann – keinen Rabatt, obwohl eine schlechte Trasse viel längere Fahrzeiten für Lokomotiven und Lokomotivführer bedeutet. Erst ab 2013 wurde ein kleiner Abschlag zugestanden. Gleichzeitig wurde allerdings ein Gefahrgutzuschlag eingeführt.

Trotzdem war im Mineralölsektor die Liberalisierung für die Güterbahn ein Erfolg. Ihr Marktanteil stieg steil an, es wurden in den folgenden Jahren dank des offenen Markts und der Konkurrenz viel mehr Brenn- und Treibstoffe in den Inlandlagern umgeschlagen, dies zu Lasten der Strassenversorgung ab den Rheinhäfen und Raffinerien. Dies ist erfreulich, weil Mineralöl als flüssiges Massengut bestens für den Schienenverkehr geeignet ist, selbst wenn die Feinverteilung zum Endverbraucher letztendlich mit Ausnahme des Flugtreibstoffs auf der Strasse erfolgen muss.

Ironischerweise war es vor allem der Slogan «Für Güter die Bahn», der 1998 zur Annahme der FinöV-Vorlage (Finanzierung der Grossprojekte des öffentlichen Verkehrs) an der Urne führte. Dieses Projekt sah den Bau der neuen Alpentransversale Neat vor und wurde später noch durch den Ceneritunnel und den Vier-Meter-Korridor erweitert. Dazu wurden die Bahn 2000, weitere Ausbauten im Personenfernverkehr und zusätzliche Güterverkehrskapazitäten auf der Gotthardachse, die Hochgeschwindigkeitsanschlüsse und die Lärmsanierung finanziert. Der Binnen-, Import- und Exportverkehr, für den es keinen verfassungsmässigen Verlagerungsauftrag gibt, ging hingegen leer aus. Verlader im Inland profitierten wenig von den Milliarden der FinöV. Nutzniesser waren neben dem Personenverkehr vor allem Verlader aus den Nachbarländern, deren Güter die Alpen queren.

Was bringt FABI?

FABI löst nun also die FinöV ab. Das mit der Bahn 2000 eingeführte Knotensystem soll vervollständigt werden, mehr und längere Züge im Halb- und Viertelstundentakt fahren, und auf ausgewählten Strecken sollen höhere Geschwindigkeiten möglich sein. Die ganze Schweiz wird zunehmend zu einem einzigen verbundenen S-Bahn-Netz, befahren mit stark subventionierten Regionalzügen. Und schon spricht der Bund vom Viertelstundentakt im Fernverkehr zwischen den wichtigsten Bahnknoten!

Bezüglich des Güterverkehrs liest man auf der Homepage des BAV: «Für den Güterverkehr bringen Ausbauten mehr Qualität und in einem zweiten Schritt zusätzliche Kapazität.» Wir befürchten dagegen, dass FABI dem Schienengüterverkehr wenig bringt. Im Gegenteil: der Ausbau der Personenbahn wird ihn noch zusätzlich einschränken. So sollen beispielsweise Überholgeleise für den Güterverkehr gebaut werden, damit dieser kein Hindernis mehr für den verdichteten Personenverkehr darstellt. Damit verlängern sich die Fahrzeiten der Güterzüge, der Einsatz der Lokomotiven und Lokomotivführer wird noch ineffizienter, die Transportkosten steigen.

«Für Güter die Bahn» bald ­Geschichte?

Die politische Frage, welche Verkehre man zukünftig auf der Schiene haben will, muss gestellt und beantwortet werden. Favorisiert die Raum- und Verkehrsplanung weiterhin den Personenverkehr, wird der Güterverkehr auf der Schiene längerfristig nicht nur teuer und ineffizient, sondern sogar unmöglich. Im Pariser Metronetz findet ja auch kein Gütertransport statt. Unser Bahnnetz in der Schweiz bewegt sich aber mit dem Halb- und Viertelstundentakt genau in diese Richtung. «Für Güter die Bahn!» wäre dann weitgehend Geschichte, mit Ausnahme des alpenquerenden Nord-Süd-Verkehrs!

Die Mineralölbranche hat heute zudem vor allem mit der Zustellung und Abholung der Kesselwagen in den Anschlussgleisen grosse Probleme. Mehrere Lagerstandorte werden aus verschiedenen Gründen bedrängt: Einwohner von neu erstellten Siedlungen reklamieren zum Beispiel wegen Lärm der Kesselwagen. Ein Lager kann wegen des kürzlich erfolgten Ausbaus des Personenbahnhofs nicht mehr mit Ganzzügen bedient werden. Andere Lager erhalten nur noch zeitlich ungünstige Trassen, da dort der Personenverkehr ausgebaut wurde. Einzelne Strecken – sogar in ländlichen Gegenden – können überhaupt nicht mehr befahren werden, Umwege sind die Folge.

«Die politische Frage, welche Verkehre auf die Schiene sollen, drängt.»

Zusammen mit der zur Diskussion stehenden Streichung der Erneuerungsbeihilfen für Anschlussgleise und dem ungerechtfertigten Gefahrgutzuschlag werden solche Beschränkungen den Güterverkehr zunehmend auf die Strasse verlagern. Nicht zuletzt deshalb müssen die noch verbleibenden Verladekapazitäten vom Schiff auf die Strasse für Mineralölprodukte in den Basler Rheinhäfen unbedingt erhalten bleiben. Sie könnten für die Versorgung der Schweiz mit Mineralöl zukünftig wieder eine grössere Bedeutung erhalten.

Hoffen auf die nächste Vorlage

Die Schweizer Verlader hoffen nun auf die bevorstehende Vorlage im Parlament, welche die Förderung des Schienengüterverkehrs in der Fläche behandelt. Das BAV schlägt erfreulicherweise vor, ein Netznutzungskonzept und einen Netznutzungsplan zu schaffen, um dem bedrängten Schienengüterverkehr Trassen zu sichern. Auch die Raumplanung der Kantone soll ergänzt werden. Dabei sollen die Logistikstandorte, Umschlagsplattformen, Terminals und Mineralöllager berücksichtigt und geschützt werden. Negativ würde sich wie erwähnt der nun vorgeschlagene Wegfall der Erneuerungsbeihilfen für Anschlussgleise auswirken. Diese Unterstützung wurde seinerzeit unter anderem als Kompensation für die auf dem Diesel der Rangierlokomotiven erhobenen Mineralölsteuer eingeführt. Sicher kann nicht die hinterste und letzte Umschlagsplattform oder Verladerampe beibehalten werden. Aber es drängt sich auf, zu überlegen, auf welchen Wegen grosse Agglomerationen zukünftig versorgt werden können. Niemand wünscht sich ernsthaft, dass beispielsweise der Grossraum Zürich nur noch ab Basel oder aus Süddeutschland auf der Strasse versorgt werden kann. Auch die Schienenversorgung der Flughäfen mit Treibstoff sollte gewährleistet sein. Dafür braucht es ein langfristiges Konzept mit einer Prioritätenliste der Versorgungsinfrastruktur. Es geht nicht um ein Ausspielen von Personen- gegen Güterverkehr, beide sind sicher notwendig, die Bedeutung der Logistik muss jedoch nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei den Kantonen in der Raumplanung aufgezeigt werden.

«Ziel ist die Schaffung eines Netz-
nutzungskonzepts und eines Netznutzungsplans.»

Noch nicht auf der politischen Agenda erschienen ist die Trennung der integrierten Bahn in die Bereiche In­frastruktur, Betrieb Personenverkehr, Cargo und Immobilien. Eine solche Trennung muss keinesfalls die Qualität des Betriebs gefährden, wie die S-Bahn der BLS auf dem Netz der SBB täglich beweist. Die Zusammenlegung aller Infrastrukturnetze der verschiedenen Normalspurbahnen ergäbe Einsparungen, die finanzielle Transparenz wäre sichergestellt, die Infrastruktur würde neutral und direkt dem Bund unterstellt. Dieser würde die zukünftige Netzentwicklung, also auch die Planung festlegen und die Bedürfnisse des Personen- und des Güterverkehrs wettbewerbsneutraler abwägen als die integrierte Bahn.

Roland Bilang und Marcel Ott,
Schweizerische Erdöl-Vereinigung

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