Publiziert am: 06.06.2014

Industrie hat Trendwende geschafft

KMU-BAROMETER – Dienstleistungsunternehmen sind zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Situation. Den Grossunternehmen in der Industrie geht’s wirtschaftlich nach wie vor besser als den Klein- und mittelgrossen Unternehmen.

Im April schnitten die Schweizer Grossunternehmen in der Industrie wie bereits in den Vormonaten wirtschaftlich besser ab als die Klein- und mittelgrossen Unternehmen (KMU). Bei beiden Unternehmensgrössen verbesserte sich die wirtschaftliche Lage in den letzten Monaten aber deutlich. Trotz einer etwas schwächeren Dynamik waren die Dienstleistungsunternehmen zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Situation.

Seit Dezember verbesserte sich das Barometer für die Grossunternehmen in der Industrie kontinuierlich. Von März zum April stieg das Barometer für die Grossunternehmen von 0,88 Punkten auf 1,21 Punkte an. Auch bei den KMU ist seit Januar ein Aufwärtstrend zu beobachten, und im letzten Monat verbesserte sich das KMU-Barometer um 0,30 Punkte auf 0,42 Punkte. Doch trotz dieser Erholung bei den KMU war ihre wirtschaftliche Lage immer noch deutlich schlechter als diejenige der Grossunternehmen.

Grosse steigern Produktion

Obwohl die wirtschaftliche Lage in der Industrie in den letzten Monaten sich gemäss den beiden Barometern deutlich aufhellte, beurteilten die meisten Grossunternehmen ihre Geschäftslage nur als befriedigend. Auch die KMU beurteilten im April – trotz der Aufhellung – ihre Geschäftslage immer noch als schlecht. Zurückzuführen ist diese durchzogene Beurteilung auf eine nach wie vor schwache Auslandsnachfrage und sich verschlechternde Gewinne sowohl bei den Grossunternehmen wie auch bei den KMU. Bei der Auslandsnachfrage rechnen wir dank der wirtschaftlichen Erholung in Europa mit einer erhöhten Nachfrage nach Schweizer Gütern. Auch das Beschäftigungsniveau wurde von den Unternehmen als zu hoch eingestuft.

Ungeachtet der Unternehmensgrösse ist die wirtschaftliche Lage im Baugewerbe weiterhin komfortabel. Der Auftragsbestand verbesserte sich sowohl bei den Grossunternehmen wie auch bei den KMU, allerdings bei den KMU auf einem tieferen Niveau. Trotz einer guten Beurteilung der Geschäftslage war die Ertragssituation für die meisten KMU wie auch für die Grossunternehmen nach wie vor schlecht. Bei den Architektur- und Ingenieurbüros sah die Ertragslage mit einer Stabilisation auf dem Vorquartal etwas besser aus als im Baugewerbe. Auch die Geschäftslage bewegt sich immer noch auf einem sehr hohen Niveau, wobei sich die Dynamik bei den Grossunternehmen und den KMU etwas abgeschwächt hat. Ob dies bereits eine Trendwende ist, wird sich erst noch zeigen. Es könnte aber darauf hindeuten, dass die Architektur- und Ingenieurbüros nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative ihre allgemeine wirtschaftliche Lage etwas vorsichtiger beurteilen als noch vor ein paar Monaten.

Schlechte Erträge im Tourismus

Allgemein stuften die Unternehmen im eher inländisch dominierten Dienstleistungssektor ihre Geschäftslage besser ein als die Industrieunternehmen, obwohl sich hier eine leichte Abschwächung der Dynamik bemerkbar machte. Während die KMU bei den Industrieunternehmen durchwegs schlechter abschneiden, stellt sich die Situation im Dienstleistungssektor etwas ­differenzierter dar. Beispielsweise stuften die KMU die Geschäftslage besser ein, und auch bei den ­Preiserwartungen sind sie tendenziell optimistischer als die Grossunternehmen. Erfreulicherweise verbesserte sich die Ertragslage bei den Grossunternehmen erneut. Bei den KMU war die Ertragslage nun seit vier Quartalen unverändert zum Vorquartal stabil.

Eine Ausnahme bildete weiterhin die Tourismusbranche. Trotz einer steigenden Nachfrage – unter anderem durch einen Anstieg der Hotellogiernächte – verbesserte sich an der wirtschaftlichen Situation der Unternehmen in dieser Branche wenig. Unabhängig von der Unternehmensgrösse stuften die Unternehmen ihre Geschäftslage als schlecht ein. Diese Einschätzung stützte sich unter anderem auf eine Verschlechterung der Ertragslage trotz stabiler Umsatzzahlen.

Die Industrie erholt sich weiter

Das steigende Barometer bei den Grossunternehmen und bei den KMU stützt unsere Sicht einer sich erholenden Industrie. UBS-Konjunkturexperten rechnen damit, dass vor allem die exportorientierten Unternehmen dank der wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone und in den USA und den weiterhin soliden Wachstumszahlen in vielen Schwellenländern von einer steigenden ausländischen Nachfrage profitieren können. Die Dienstleistungsunternehmen dürften weiterhin von einem soliden inländischen Konsum profitieren.

KOMMENTAR

Positive Trends!?

Ein Ausrufezeichen und ein Fragezeichen: Wir machen die Erfahrung, dass, während die «harten» Indikatoren wie Wertschöpfung oder Arbeitslosigkeit schon lange positiv sind, die «weichen» Zahlen eher verhalten bleiben. Der KMU-Barometer ist ein «weicher» Indikator, weil er die Erwartungen der Unternehmen abbildet; und die Schweizer Unternehmerinnen und Unternehmer scheinen eher vorsichtig zu sein. Das hat diverse bekannte Vorteile, wie beispielsweise ein erhöhtes Risikobewusstsein oder die Furcht vor Fehlinvestitionen. In dieser Ausgabe des Barometers wird der positive Trend fortgesetzt, d.h. die Erwartungen der Unternehmen für die Zukunft werden positiver.

Am positivsten ist der Trend in der Industrie auszumachen. Bei den Dienstleistungen fällt er weniger deutlich aus, doch gerade dort erwarten die Unternehmen weitere Produktivitätssteigerungen. D.h. sie erwarten, dass bei leicht verbesserter Geschäftslage sowohl die Preise als auch die Beschäftigung zurückgehen. Das hat aber auch eine Schattenseite: Im Allgemeinen erwarten Unternehmen auch eine schlechte Ertragslage. Natürlich könnte man auch hier betonen, dass auch dieser Trend positiv ist. Die Erwartungen waren schon viel schlechter, und namentlich in den Dienstleistungen drehen die Erwartungen über künftige Erträge ins Positive.

Das grosse Fragezeichen bleibt bei der eher mageren Aussicht auf Ertrag. Nicht, dass es an sich schon problematisch wäre, aber wenn Unternehmen pessimistisch bezüglich ihrer Einkünfte und Gewinne sind, werden sie übervorsichtig und tätigen nicht einmal jene Investitionen, die nötig wären, um die eigene Innovation und Produktivität aufrechtzuerhalten. Mit schlechter Ertragslage verlieren viele Firmen auch noch den Appetit.

Also was nun – Ausrufe- oder Fragezeichen? Ein grosses Ausrufezeichen hat die gute Nachricht verdient, dass der positive Trend ungebrochen anhält und sich die Erwartungen ins Positive drehen. Das noch kleine Fragezeichen wird hinter die mager ausfallenden Ertragsaussichten gesetzt.

Henrique Schneider, Ressortleiter sgv

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