Publiziert am: 22.05.2015

Innovation gleich im Multipack

S-GE EXPORT AWARD – Vier Finalisten belegen die Innovationskraft der Schweizer KMU und wie sie sich im internationalen ­Wettbewerb durchsetzt.

Die Gewinner der diesjährigen Export Awards – Amberg Technologies AG und PPURA Sagl – haben wir in der Gewerbezeitung vom 8. Mai vorgestellt. Mit zu den Anwärtern auf den Sieg gehörten auch die duagon AG und die InSphero AG in der Kategorie Success sowie die Geosatis SA und die Winterthur Instruments AG in der Kategorie Step in.

duagon AG: Erfolg im Schnellzug

Nach dem Stopp am Bahnhof öffnet sich die Tür zum Perron hin. Sobald der Zug wieder losfährt, fährt auch die Klimaanlage nach oben. Niemand stellt das manuell ein, alles passiert automatisch. Zugsysteme bestehen aus verschiedensten Einzelkomponenten, die via Zentralrechner miteinander korrespondieren. Um ihre einwandfreie Funktionalität zu garantieren, entwickelt die duagon AG aus Dietikon seit 20 Jahren elektronische Netzwerkkomponenten für die On-Board-Überwachungs- und Steuerungskommunikation. Grosse Bahnbauunternehmen wie Alstom, Bombardier, Hasler Rail, Siemens oder Stadler Rail setzen auf die Dienste des Zürcher KMU. Nach einer dreijährigen Planungsphase ist duagon im Jahr 2008 der angestrebte Eintritt in den chinesischen Schienenfahrzeugmarkt geglückt, wo sich das ­Unternehmen rasch als Technologieführer in seiner Nische etablieren konnte. Inzwischen hat die Firma in China ein Umsatzniveau erreicht, das 35 Prozent des Gesamtvolumens ­ausmacht.

«Wir entwickeln und verkaufen elektronische Systeme, die in bestehende Hardware und Komponenten integriert werden müssen», erklärt CEO Markus Dilger. Da die duagon-Systeme neben ihrer zuverlässigen Funktionalität auch durch eine einfache Integration in ganz unterschiedliche Schienenfahrzeuge überzeugen, verkehren heute in China neben Lokomotiven und Highspeed-Zügen auch diverse U-Bahnen mit der Schweizer Präzisionselektronik an Bord. Metros wie jene in Peking sind für duagon besonders lukrative Aufträge. «Sie verfügen über sehr viele Türen, von denen wir jede einzelne mit unseren Kommunikationsmodulen ausstatten können», sagt Markus Dilger.

Extrem kurze Lieferzeiten

Eine besondere Herausforderung, der sich duagon in China permanent stellen muss, sind die extrem kurzen Lieferzeiten. «Wenn die Chinesen bestellen, dann häufig gleich in grossen Mengen», so der CEO. Diesen Ansprüchen auf Schnelligkeit ohne Qualitätsverlust kann duagon dank einer soliden Struktur mit eigener Produktion in der Schweiz und verlässlichen lokalen Vertriebspartnern bestens gerecht werden. Die gesamte Entwicklung und Wertschöpfung finden bis heute nach wie vor zu 100 Prozent am Firmensitz in Dietikon statt.

Das gelebte «Swiss Made»-Konzept geht für duagon auch in anderen Auslandsmärkten auf. 90 Prozent des Firmenumsatzes werden mittlerweile im Export erzielt. Neben China ist das KMU mit seiner Kommunikationselektronik für On-Board-Bahnsysteme auch in europäischen Märkten wie Spanien, Frankreich oder Schweden sowie in den USA und Japan sehr gut aufgestellt. China steht indes nach wie vor im Hauptfokus.

InSphero AG: 
Schneller und günstiger

Schon geringste Mengen können massivste Auswirkungen haben. Toxische Substanzen sind in Medikamenten oder Kosmetika oft kaum nachweisbar. Kommt ein «giftiges» Produkt fälschlicherweise auf den Markt, steht nicht nur die Gesundheit der Konsumenten auf dem Spiel. Auch die Schäden für Hersteller können finanziell in die Millionen oder gar Milliarden gehen.

Abhilfe schafft die InSphero AG. Das 2009 gegründete Biotechnologieunternehmen aus Schlieren hat eine neuartige Methode entwickelt, welche die Prüfung von Substanzen mithilfe von lebendigen 3D-Geweben vereinfacht und Fehlanalysen praktisch ausschliesst. Zusätzlich können dadurch neue Substanzen effizienter und günstiger entwickelt werden. InSphero hat die Technologie erfolgreich in 31 Länder, darunter in die EU und USA als Hauptmärkte, exportiert sowie eine intelligente Verpackungsmethode entwickelt, mit der Kunden direkt aus der Schweiz via Standardpaketpost beliefert werden. Die Herausforderungen für diesen Versand sind beträchtlich, da es sich bei den lebendigen Mikrogeweben um eine temperatur- wie auch zeitkritische Fracht handelt.

«Zwischen 2012 und 2014 konnten wir die Notwendigkeit für manuelles Eingreifen im Überseeversand von 25 auf 10 Prozent verringern, obschon sich die Liefermenge in der gleichen Periode verdreifacht hat», sagt Björn Niggemann, Chef Operations und Export bei InSphero. Die 15 grössten Pharmakonzerne, die Nummer 1 in der Kosmetik und drei der Top-10-Chemiefirmen der Welt arbeiten inzwischen mit dem Zürcher KMU zusammen.

90 Prozent Exportanteil

Der Exportanteil von InSphero beträgt heute 90 Prozent. Für 2015 strebt das KMU einen Umsatz von 4,5 Millionen Franken an und verfolgt ehrgeizige Wachstumspläne. «Wir gehen davon aus, dass das für uns interessante Marktvolumen in den nächsten Jahren global auf rund 600 Millionen Franken anwachsen wird», sagt Jan Lichtenberg, CEO von InSphero. Ein Marktanteil von etwa 20 bis 30 Prozent sei für InSphero mittelfristig durchaus realistisch. «Wir können mit unserem Produkt Technologien ersetzen, die bereits 30 Jahre alt sind», begründet Lichtenberg seinen Optimismus. Noch in diesem Jahr eröffnet das Unternehmen in den USA eine eigene Produktion und plant bereits die baldige Inbetriebnahme eines Asien-Hubs in Singapur oder Hongkong.

Geosatis SA: Leicht und sicher

Eine Begegnung im Jahr 2006 wurde zum Schlüsselereignis. Der Romand José Demetrio, gelernter Elektriker und damals Projektmanager für industrielle Sicherheitslösungen, unterhielt sich mit dem Direktor einer grossen Westschweizer Strafanstalt. Der beklagte sich über eine chronische Überbelegung. Wohin nur mit all den Straftätern?

Mit dieser Schwierigkeit haben weltweit viele Gefängnisse zu kämpfen. Eine delikate Angelegenheit, geht es doch häufig um weitreichende Fragen zur nationalen Sicherheit. Demetrios Gesprächspartner formulierte klare Vorstellungen zur Entlastung der Vollzugsbehörden: Es müsse bessere Möglichkeiten für den teilweisen Strafvollzug in begleiteter Form ausserhalb der Anstalten geben. Doch wie ist ein solcher pannenfrei zu gewährleisten? Sicherheitsvorkehrungen wie elektronische Fussfesseln sind anfällig. Gängige Modelle können mit einer Schere innert Sekunden durchschnitten werden. Hohe Kosten für Notfalleinsätze der Polizei mit erheblichen Restrisiken sind die Folge.

Volltreffer in Südafrika

José Demetrio liess das Gespräch nicht mehr los. «Es muss doch im Land der Uhren und mechanischen Präzision eine Lösung für dieses Problem geben», sagte er sich. Er studierte diverse bestehende Produkte und fand überall Schwachstellen. So fasste er den Entschluss, selber etwas zu erfinden. 2010 suchte er an der ETH Lausanne passende Partner dafür und fand den Deutschschweizer Telekommunikationsprofi Urs Hunkeler. Gemeinsam entwickelten sie eine neuartige elektronische Fussfessel, die den Weltmarkt revolutionieren sollte. 2011 gründeten Demetrio und Hunkeler die Geosatis SA mit Sitz im jurassischen Le Noirmont. Bald lag der erste Prototyp vor. Die Fussfessel ist aus extrem stabilem Kunststoff gefertigt und bietet aufgrund ihres geringen Gewichts trotzdem Tragekomfort. Darin integriert ist eine intelligente und benutzerfreundliche Software, die eine zuverlässige elektronische Rundumüberwachung von Straftätern im externen Vollzug garantiert.

Geosatis entschied sich für eine offensive Exportstrategie und hat in Südafrika bereits einen ersten Volltreffer gelandet. Die lokale Regierung hat 2014 eine Grossbestellung für die elektronische Fussfessel aufgegeben. Südafrika sei nur ein Anfang, so die Überzeugung von José Demetrio. «Das Potenzial unserer Erfindung auf dem gesamten Weltmarkt ist riesig.» Enorme Interessensbekundungen, die Geosatis fast täglich aus allen Himmelsrichtungen erreichen, stützen seine These. Zur Final-Nominierung für den «Export-Award 2015» in der Kategorie «Step-in» haben die bisherigen Erfolge bereits qualifiziert.

Winterthur Instruments AG: Schnell und äusserst präzise

Millionen Geräte, Maschinen, Autos und zahlreiche weitere Produkte werden täglich beschichtet, lackiert oder gespritzt. Der weltweite Beschichtungsmarkt ist ein lukrativer Milliardenmarkt. Aber er ist auch ein Millimetergeschäft, das keine Fehler verzeiht. Wird eine Beschichtung zu dick aufgetragen, kann sie nach dem Eintrocknen nicht mehr entfernt werden. Es drohen kostspielige Materialverluste, die zu 100 Prozent abgeschrieben werden müssen.

Die Lösung für dieses Problem scheint jetzt ein junges Winterthurer Startup-Unternehmen gefunden zu haben. Die im 2011 gegründete Winterthur Instruments AG hat mit dem «Coatmaster» ein Messgerät zur berührungslosen Schichtdickenmessung entwickelt. Das Besondere: Das Gerät erkennt Fehler schon während dem Beschichtungsprozess und ermöglicht damit unmittelbare Nachbesserungen. Damit kann einerseits die kostspielige Fehlerquote praktisch auf null reduziert werden. «Anderseits sparen unsere Kunden währen dem Beschichtungsprozess sowohl Material- wie auch Personalkosten», sagt Nils Reinke, CEO von Winterthur Instruments. Obschon der «Coatmaster» je nach Spezifikation 20 000 bis 60 000 Franken kostet, dazu kommen jährliche Wartungskosten von rund 3000 Franken, macht sich seine Anschaffung für sehr viele Kunden bezahlt. «Mit unserem Messgerät haben im globalen Beschichtungsmarkt die vierte industrielle Revolution ausgelöst», so die Überzeugung von Nils Reinke

Fokus auf die Automobilindustrie

Bereits im ersten Jahr nach Markteintritt haben sich über 20 Kunden, vorwiegend aus der Automobilindus­trie, für den «Coatmaster» entschieden. Dies hat Winterthur Instruments veranlasst, ihre Exportstrategie in einem ersten Schritt auf diese Branche auszurichten. Erste Erfolge wurden in verschiedenen europäischen Ländern wie Spanien oder Norwegen bereits erzielt. Unter anderem setzt auch BMW auf das Produkt. Praktisch aus dem Stand heraus erzielt Winterthur Instruments heute schon 90 Prozent des Firmen­umsatzes im Export. Und die Quote soll weiter wachsen. «Vielversprechende Verhandlungen führen wir zurzeit in Ländern wie China und Russland, wo der Automobilindustrie riesige Wachstumschancen prophezeit werden», sagt Nils Reinke. Winterthur Instruments möchte mitwachsen.

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