Publiziert am: 10.01.2014

Kein Einwanderungs-Staatsdiktat

INITIATIVE «GEGEN MASSENEINWANDERUNG» – Die Initianten spielen mit dem Feuer: Eine Wiedereinführung der Kontingente steht im Widerspruch zum Geist des Personenfreizügigkeitsabkommens.

Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand: Die 2002 eingeführte Personenfreizügigkeit (PFZ) ist ein Glücksfall für die Schweiz. Die durch die PFZ erzeugte Dynamik erfasste auch die Unternehmen, die – ohne grosse administrative Hindernisse – die von ihnen benötigten Arbeitskräfte rekrutieren konnten. Die meisten wussten von der Vereinfachung zu profitieren; besonders vorteilhaft präsentiert sich die neue Situation für die Bauwirtschaft sowie für die Hotellerie/Gastronomie. In diesen Bereichen stammen rund 40 Prozent der Angestellten aus dem europäischen Raum.

In jüngster Zeit ist diese Öffnung der Grenzen allerdings in die Kritik geraten. Der Zustrom ausländischer Arbeitskräfte wird für viele negative Erscheinungen in unserem Land verantwortlich gemacht. Im Vordergrund stehen dabei die Überbelastung der Verkehrsinfrastruktur, die Wohnungsnot sowie der Lohndruck. Die Situation sei so alarmierend, meinen ­gewisse Kreise, dass sie sogar die Rückkehr zu Plafonierungen und Jahreskontingenten für ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz verlangen, und zwar ungeachtet derer Herkunftsländer.

Bürokratisierung 
der Einwanderung

Für diese Anliegen macht sich die Volksinitiative der SVP, «Gegen Masseneinwanderung», stark, die am kommenden 9. Februar zur Abstimmung gelangt. Das Rezept der SVP ist simpel: Es heisst «Planen und Reglementieren». Das ist jedoch nichts als ein ärgerlicher Rückschritt, der die Einwanderungspolitik unter die Vormundschaft der Bürokratie stellen würde. Denn die Behörden müssten dann jährlich beschliessen, wie viele Arbeitskräfte den Unternehmen zur Verfügung stünden und welche Kontingente die verschiedenen Branchen beanspruchen dürften.

«EINE BESCHRÄNKUNG DER EINWANDERUNG BRINGT WEDER DIE STAUS AUF DEN STRASSEN NOCH DIE MISSBRÄUCHE AUF BAUSTELLEN ZUM VERSCHWINDEN.»

Heute prüfen unsere Behörden pro Jahr rund 13 000 Gesuche von Personen, die aus nicht europäischen Ländern stammen. Sollte die SVP-Initiative angenommen werden, müssten zusätzlich mindestens 140 000 Anträge von Bürgern aus der EU/EFTA-Zone behandelt werden; hinzu kämen die rund 270 000 Grenzgänger… Diese Bürokratisierung der Abläufe würde die Mitarbeiteranzahl der eidgenössischen und kantonalen Verwaltung geradezu explodieren lassen.

Bilaterale in Gefahr

Die Initianten spielen mit dem Feuer. Die Wiedereinführung der Kontingente steht nämlich im krassen Widerspruch zu Geist und Buchstabe des Personenfreizügigkeitsabkommens. Diese Vereinbarung ist der Grundstein des bilateralen Weges, der bei einem Ja zum Volksbegehren neu ausgehandelt werden müsste. Die Schweiz ist gegenwärtig daran, ihr künftiges Verhältnis zur EU grundsätzlich neu zu gestalten. Dieser Prozess ist heikel genug; es wäre daher eine gefährliche Illusion zu glauben, dass Brüssel zu Verhandlungen über die Freizügigkeit bereit wäre.

Im Gegenteil: Die Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens würde automatisch die Auslösung der «Guillotine-Klausel» und damit die Hinfälligkeit der ganzen bilateralen Vertragswerke bewirken. Dieses Szenario muss unbedingt vermieden werden. Unser Land kann sich einen solchen Schiffbruch schlicht nicht leisten, dazu sind die Bande mit Europa zu eng geknüpft. Jeden Tag werden zwischen der Schweiz und der EU Güter und Dienstleistungen im Wert von einer Milliarde Franken ausgetauscht. Jeder dritte Franken unseres Bruttoinlandprodukts wird dank dem Partner EU generiert. Diese Beziehungen sind in den vergangenen zehn Jahren noch wichtiger geworden, vorab im industriellen und gewerblichen Bereich.

Es erstaunt daher nicht, dass die KMU-Wirtschaft den bilateralen Weg unterstützt. Eine Anfang 2012 vom sgv initiierte repräsentative Umfrage zeigte, dass 70 Prozent der KMU-Führungskräfte gegen eine Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens sind; 63 Prozent wünschten ausdrücklich, dass die Schweiz nie mehr zum alten Kontingentesystem zurückkehrt.

Nutzlose Beschränkung

Eine Beschränkung der Einwanderung auf administrativem Weg wird weder die Staus auf den Strassen noch die Missbräuche auf den Baustellen zum Verschwinden bringen. Diese akuten Probleme, die durch die Immigration zweifellos verschärft wurden, erfordern spezifische Eingriffe wie etwa Verbesserungen im Vollzug der flankierenden Massnahmen. Die SVP-Initiative ist aber nichts anderes als eine Scheinlösung, die bloss die Bürokratie fördert und den bilateralen Weg samt dessen vielen Errungenschaften infrage stellt. Ein kategorisches Nein zu diesem Volksbegehren ist daher am 9. Februar 2014 ein Muss!

Marco Taddei, sgv-Vizedirektor

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