Publiziert am: 12.08.2016

KMU müssen digital aufrüsten

DIGITALISIERUNG – Die Vernetzung mit dem Ausland findet für Schweizer KMU vor allem über den Export statt. Gute Infrastruktur und Talent sind ihre Trümpfe im internationalen Vergleich.

«Noch nie hat es für KMU so viele Ansatzpunkte gegeben, global zu geschäften und zu wachsen», ist sich Alberto Silini sicher. Silini ist Leiter Beratung bei S-GE (Switzerland Global Enterprise), wo man sich um die Exportförderung kümmert. Grund für die rosigen Prognosen ist die Industrie 4.0. Bei der S-GE ist man sich sicher, dass sich KMU grundsätzlich behaupten werden in den Zeiten der vierten industriellen Revolution. Die Gründe dafür sind vielschichtig, die Internationalisierung gehört aber ­sicherlich dazu.

Gute Infrastruktur und viel Talent

Die stark von KMU geprägte Schweizer Wirtschaft verfüge zwar über wenige Ressourcen – deshalb ist auch die Erschliessung von Märkten aus­serhalb der Schweiz so wichtig – dafür behaupten sich die KMU so gut im Wettbewerb, weil sie sich auf Nischen konzentrieren und hochspezialisierte, hochqualitative Produkte anzubieten hätten. «Es ist die Mission von S-GE, sie bei der Erarbeitung einer Strategie für ihr individuelles Internationalisierungsprojekt zu unterstützen – im Sinne des Wirtschaftsstandortes Schweiz», erklärt Alberto Silini. Die Industrie 4.0 betrachtet er als logischen nächsten Schritt für viele, «insbesondere in Anbetracht der guten digitalen Infrastruktur und dem Talent, das wir im Land haben.»

Weil ein Markteintritt ein komplexes Unterfangen ist, hat S-GE gemeinsam mit Google die Initiative «Export Digital» lanciert (siehe Box).

«Digitale Werkzeuge sollen KMU unterstützen, ferne Märkte zu verstehen.»

«Nebst traditionellen Exportkanälen nimmt das Potenzial zu, ebenfalls digitale Werkzeuge und Onlinekanäle zur Ankurbelung des Exportgeschäfts zu nutzen», erklärt Google-Schweiz-Sprecher Samuel Leiser den Trend hin zum Internetexport. Als Konsumenten seien Herr und Frau Schweizer spitze. Nicht aber auf der Unternehmerseite: «Die digitale Affinität und Liebe der Schweizer Konsumenten zu neuen Technologien wird von vielen Unternehmen noch nicht erwidert.» Besonders KMU zögerten bis anhin, die digitale Transformation anzugehen. Aus Google-Sicht ist die Marschrichtung deshalb klar: «Für Schweizer Unternehmen heisst es nun, die Lücke zu schliessen und es ihren potenziellen Kunden gleichzutun.» Samuel Leiser verrät auch, wie das geht: «Digitale Werkzeuge sollen KMU unterstützen, ferne Märkte zu verstehen.»

Weiter unterstützt der zweite Teil der Plattform mit Namen AtelierDigital.ch die Unternehmer mit rund 100 Lernvideos zum Thema digitale Methoden für den Export. Kulturelle Besonderheiten wichtiger Absatzmärkte würden ebenso erläutert wie technische Fragen zu Zöllen oder Finanzierung, «denn digitale Werkzeuge», so Leiser, «müssen immer Teil einer Gesamtstrategie sein, individuell angepasst auf den Zielmarkt.»

Die Digitalisierung meistern

«Wir denken, dass die Plattform heimischen KMU genau die Möglichkeiten und Tools bietet, um ihre ganz spezifischen Exportpotenziale über digitale Kanäle zu bestimmen, sich das nötige Digital- und Export-Knowhow anzueignen sowie kompetente Partner zu finden, um damit die ­Digitalisierung zu meistern», meint Samuel Leiser.

Verändern wird sich durch die Digitalisierung laut Alberto Silini von ­S-GE nämlich eine ganze Menge. «Das Internet der Dinge hält Einzug in die Fabriken und macht die herkömmliche Massenproduktion obsolet. Die durchgängige Automatisierung revolutioniert die Art, wie Unternehmen über Grenzen hinweg zusammenarbeiten. Vertrieb und Absatz digitalisieren sich.» Silini zeigt sich optimistisch, was die Chancen für Schweizer KMU angeht: «Ihre Flexibilität und Nischenkompetenz prädestiniert KMU für die international vernetzte Welt der vierten industriellen Revolution.» Gleichzeitig warnt er vor den Kehrseiten, wenn die klassische Definition von «Export» nicht mehr gelte. «Geschäftsmodelle stehen gnadenlos auf dem Prüfstand. Wer nicht mit der vierten industriellen Revolution geht, der wird gegangen.»

Erfolgsbeispiele gibt es schon

«Ohne Internet könnte unsere Firma fast nicht existieren», sagt Viktor Meier, Geschäftsführer von Glice®, einem jungen Schweizer Unternehmen, welches sich in kurzer Zeit zum Weltmarktführer für Hochqualitätskunststoffeisbahnen aufgeschwungen hat. Dies dank der Nutzung aller Facetten der digitalen Welt. «Wir können über Cloud Computing effizient mit unserem weltweiten Partnernetzwerk kommunizieren und ein virtuelles Team aufbauen mit den besten Leuten von jedem Fach weltweit. Jeder von uns kann ausserdem eine optimale Work-Life-Balance entwickeln, da wir von überall aus arbeiten können.» Und kann man in der Digitalisierung mit Swissness punkten? «Definitiv! Aber dahinter muss auch Swissness-Service stecken», so Meier.

«Vertrieb und Absatz digitalisieren sich.»

Ebenfalls mit Swissness punkten kann die Firma Zimmerli of Switzerland. Das Aarburger Unternehmen steht seit 1871 für feinste, handgemachte Unterwäsche. Auch dieses Ursprungshandwerk kann sich dank des Internets international behaupten. «Mit der Lancierung der eigenen eBoutique vor knapp zwei Jahren kamen wir einem Bedürfnis der Konsumenten nach», erklärt Sonja Baumann, Leiterin Markenkommunikation bei Zimmerli of Switzerland. Wichtig sei auch die begleitende Kommunikation, betont Baumann. «Dabei setzen wir auf die Instrumente AdWords und Remarketing.» Die Lancierung der eigenen eBoutique habe sich im Unternehmen auf sämtliche Prozesse ausgewirkt. «Neben den grossen Versandpaketen an den Fachhandel werden nun auch die Endkonsumenten direkt beliefert. Lieferbereitschaft, einfache Zahlungsmöglichkeiten und ein zeitnaher Versand sind unabdingbar», erklärt Sonja Baumann.

«Aufstrebende Märkte wissen die ‹wahren Werte› zu schätzen.»

Wie es der Firmenname verrät, hat die Swissness einen sehr hohen Stellenwert im Traditionsunternehmen. «Mit dem Manufakturstandort in der Schweiz erhalten wir eine Positionierung, die weltweit einzigartig ist und uns von den Mitbewerbern differenziert. Flexibel auf kurzfristige Marktbedürfnisse einzugehen, kurze Transportwege und eine direkte Kontrolle der konstant hohen Material- und Verarbeitungsqualität sind letzten Endes die Daseinsberechtigung einer Luxusmarke wie Zimmerli of Switzerland», so Baumann. «Aufstrebende Märkte wie China oder Russland, aber auch unser Heimmarkt assoziieren die Swissness mit Hochwertigkeit, Tradition, Zuverlässigkeit und Qualität und wissen diese ‹wahren Werte› zu schätzen.»

Adrian Uhlmann

WAS IST «EXPORT DIGITAL»?

Das Ziel sind Online-Exporter

Um den Schweizer Internet-Export zu unterstützen, haben Google und Switzerland Global Enterprise gemeinsam mit weiteren Partnern die Initiative «Export Digital» ins Leben gerufen. Auf einer neu geschaffenen Plattform finden Unternehmen nicht nur Tools zur Ermittlung interessanter Auslandsmärkte, sondern auch eine Fülle an Lerninhalten und Hilfe von ausgewiesenen Experten.

Viele Unternehmen unterschätzen das Web als Instrument zur Erschlies­sung neuer Märkte. Die Initiative ­«Export Digital» möchte Unternehmen zum einen neue Absatzmärkte aufzeigen, und ihnen zum anderen das notwendige Wissen vermitteln, um diese Absatzmärkte mit Hilfe des Internets zu erschliessen. Oftmals gibt es in Unternehmen nur eins von beiden: Export-Know-how oder Online-Know-how. «Export Digital» will aus solchen Unternehmen wahre ­Online-Exporter machen.

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