Publiziert am: 14.08.2015

«Leidenschaft verschwindet nicht»

Dieter Spiess – Nach 33 Jahren gibt der Präsident von schuhschweiz 2017 sein Amt ab. Die Gewerbezeitung sprach mit ihm über die Herausforderungen für den Schweizer Schuhdetailhandel.

Schweizerische Gewerbezeitung: Herr Spiess, weshalb haben Sie sich dazu entschieden, das Präsidentenamt bei schuhschweiz abzugeben?

n  Dieter Spiess: Im Jahr 1976 habe ich mein Geschäft Spiess Schuhe Freizeit Lifestyle in Gelterkinden eröffnet. Ich bin somit seit mehr als 
40 Jahren im Schuhdetailhandel tätig, seit 33 Jahren zudem dessen Präsident. Vorher habe ich kein Amt länger als zehn Jahre ausgeübt. Eigentlich wollte ich auch diese Aufgabe nicht länger als zehn Jahre machen. Damals habe ich den Schuhhändlerverband aber in einem absolut unbefriedigenden Zustand vorgefunden. Ich wollte den Verband neu strukturieren, was mir auch gelungen ist. Bei den Erneuerungswahlen wurde ich vielleicht aufgrund dessen immer wieder in meinem Amt bestätigt.

Und Sie sind ja dann auch immer noch geblieben.

n  Ja. Aber jetzt wird es Zeit für eine neue Ära.

Wer wird Ihr Nachfolger?

n  Lukas Kindlimann von der Schulthess AG, einem Schuhgeschäft in Zürich. Mir liegt viel daran, dass schuhschweiz auch in Zukunft gut geführt und mit Herzblut gegen aussen vertreten wird.

Sie werden sehr emotional, wenn Sie vom Schuhmacherhandwerk sprechen. Woher kommt Ihre Leidenschaft fĂĽr Schuhe?

n  Mein Grossvater und mein Vater waren beide Schuhmachermeister. Schon in meiner Kindheit habe ich meinen Vater oft bei der Arbeit besucht. Obschon er mich nie dazu gezwungen hat, denselben – oder sagen wir, einen ähnlichen – Weg wie er selbst einzuschlagen, war mir bereits früh bewusst, dass auch ich mit Schuhen arbeiten möchte. Die Arbeit ist wie ein Hobby für mich und ich bin davon überzeugt, dass eine Leidenschaft nicht pensioniert werden kann und nicht einfach verschwindet.

Fällt es Ihnen schwer, den Präsidentenposten abzugeben?

n  Ja und nein. Ich fühle mich gegenüber allen Mitgliedern von schuhschweiz sehr verpflichtet, sei es gegenüber den einzelnen Unternehmern, ihren Geschäften oder auch den Lernenden. Trotzdem freue ich mich auch, weil ich die Gewissheit habe, dass schuhschweiz erfolgreich weitergeführt wird. Ich habe in meiner Amtszeit einiges erreicht und dadurch dem Verband eine gute Grundlage vorgelegt.

Bleiben Sie weiterhin aktiv bei schuhschweiz?

n  Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschliessend sagen. Wir werden sehen, was sich ergeben wird. Das Leben ist für mich generell ein Abenteuer – vergleichbar mit einer Kanufahrt auf einem Fluss. Man muss sich immer wieder neuen Situationen anpassen und darf nicht festgefahren sein.

Sie haben sich in Ihrer Amtszeit vor allem im Bereich der Berufsbildung stark engagiert.

n  Ja, denn die Berufsbildung war schon immer eine tragende Säule in unserem Verband. Als ich in den Vorstand des Schuhhändlerverbands gewählt wurde, war für mich klar, dass die Berufsbildung eine zentrale Bedeutung einnehmen muss. Auch noch heute beschäftige ich mich gerne mit beruflichem Nachwuchs und unterstütze ihn, soweit es mir möglich ist. Vielleicht kommt dies daher, dass meine Mutter Lehrerin war. Sie schaffte es immer wieder, die Leute für etwas zu begeistern. Auch ich versuche, meinen Mitmenschen ein Vorbild zu sein.

«Die Zukunft gehört wieder dem Individuellen, Feinen und Wertvollen.»

In dieser Vorbildrolle haben Sie auch gehandelt, als Sie aktiv gegen den Gesamtarbeitsvertrag in der Branche angekämpft haben.

n  Ja. Diese Zeit würde ich definitiv als Meilenstein in meiner Ära bei schuhschweiz bezeichnen. Der GAV ist auch noch heute kein Thema. Ich konnte die Mitglieder davon überzeugen, dass der Schuhdetailhandel ohne einen GAV flexibler handeln kann.

Wie hat sich die Schuhbranche in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert?

n  Die Modebranche generell verändert sich stetig. Sie bleibt nie stehen. Demzufolge ist es für uns als Branchenverband wichtig, mit der Entwicklung der Gesellschaft mitzugehen. Ein Beispiel ist hier der Onlinehandel. Oft verschrien als grosses Problem sehe ich hier eher eine Chance.

Wie muss man sich das vorstellen?

n  Wenn ich meine Hausaufgaben als stationärer Händler richtig mache, brauche ich diese Konkurrenzsitua­tion nicht zu fürchten. Die Ware ist zwar substituierbar – nicht aber die gute und aktive Betreuung durch das Verkaufspersonal im Geschäft. Wenn ich meinen Kunden nicht genügend Aufmerksamkeit entgegenbringe, werden sie sich von mir abwenden und allenfalls online einkaufen. Deshalb muss ich alles daransetzen, dass sich die Kunden bei mir im Laden wohlfühlen. Die Zukunft gehört wieder dem Individuellen, Feinen und Wertvollen – der Onlinehandel ist lediglich ein weiterer Mitbewerber.

Welches ist in Zukunft die grösste Herausforderung für den Schuhdetailhandel?

n  Das sind eigentlich dieselben wie auch in jeder anderen Branche: Abbau der Überregulierungen, steigende Regulierungskosten und Abgaben sowie die zunehmende Bürokratie. Das muss ein Ende haben. Es kann nicht sein, dass die Betriebe unter solchen Belastungen leiden und sich somit nicht auf das Wesentliche konzentrieren können. Vielmehr wäre es wichtig, dass sich Unternehmer in der Politik engagieren.

Interview: Stéphanie Jenzer

Zur Person

Ein Allrounder

Dieter Spiess ist Vollblutunternehmer und bereits seit Kindsbeinen an vom Schuhhandwerk begeistert. Schon sein Vater und Grossvater waren Schuhmachermeister. Seit drei Jahren ist Spiess verheiratet und wohnt in Gelterkinden. Nach der Laborantenlehre wechselte er in die Schuhbranche und besuchte unter anderem in Deutschland das Europäische Bildungsforum des Schuheinzelhandels. Danach absolvierte er die Weiterbildung zum praktischen Betriebswirt. Es folgten einige Jahre praktische Erfahrung in diversen Unternehmungen. 1976 eröffnete Spiess in Gelterkinden sein Geschäft Spiess Schuhe Freizeit Lifestyle, welches er bis heute als Einzelunternehmung erfolgreich führt.

WorldSkills 2015

«Eine gute Sache»

In diesen Tagen finden in São Paulo die WorldSkills statt. Der Schuhdetailhandel ist nicht an den Berufsmeisterschaften vertreten. «Prinzi­piell bin ich sehr überzeugt von den WorldSkills. Sie sind eine gute Sache. So kann die Schweiz das funktionierende duale Bildungssystem aufzeigen. Allerdings glaube ich, dass es Berufe gibt, die sich besser eignen, um sich so zu präsentieren, wie zum Beispiel Handwerker, Maurer oder Zimmerleute. Die Detailhandelsbranche, speziell der Schuhdetailhandel, eignet sich dafür nicht», sagt Dieter Spiess.

Die 29 Besten

Goldener / Silberner Schuhlöffel 2015

Bereits zum 44. Mal wurden am 
9. Juli der Goldene resp. Silberne Schuhlöffel in Baden an 29 junge Berufsleute (Detailhandelsfachleute resp. Detailhandelsassistenten) verliehen. Wie jedes Jahr wurden diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten ausgezeichnet, die ihre Abschlussprüfungen mit der Note 5,3 oder besser abgeschlossen hatten.

Meist Gelesen