Publiziert am: 18.03.2016

«Mehr Sicherheit für alle»

ANDREAS BURGENER – Der Direktor von auto-schweiz über die Initiative «Für eine faire Verkehrs­finanzierung» und ihren Nutzen für die Gesamtheit des Schweizer Verkehrssystems.

Schweizerische Gewerbezeitung: auto-schweiz hat erfreut auf das klare Ja zur 2. Röhre am Gotthard reagiert. Sehen Sie im Verdikt vom 28. Februar auch ein erstarkendes Bekenntnis zum motorisierten Individualverkehr?

n Andreas Burgener: Der Entscheid für den Bau des Gotthard-Sanierungstunnels hat vor allen Dingen deutlich gemacht, dass der schweizerischen Stimmbevölkerung die Sicherheit im Strassenverkehr sehr wichtig ist. Verkehrspolitisch sollte man das Ergebnis nicht überbewerten, denn eine entscheidende Rolle hat sicherlich auch die Solidarität mit dem Tessin gespielt. Die Leute wollten das Tessin nicht für drei Jahre vom Rest der Schweiz abkoppeln, der Bahnverlad wäre beileibe keine adäquate Alternative zum Strassentunnel gewesen.

«DIE ‹MILCHKUH-INITIATIVE› MACHT DIE STRAS­SENINFRASTRUKTUR 
FIT FÜR DIE ZUKUNFT.»

Welche Ziele verfolgt die von auto-schweiz lancierte Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» («Milchkuh-Initiative»)?

n Auch die Initiative will für mehr Sicherheit auf unseren Strassen sorgen. Durch die Zweckbindung der finanziellen Mittel, die der Bund aus dem Strassenverkehr generiert, kann die Infrastruktur endlich modernisiert und fit für die Zukunft gemacht werden. Konkret geht es um die Hälfte der Mineralölsteuer, die derzeit noch in die allgemeine Bundeskasse fliesst. Mit diesen zusätzlichen 1,5 Milliarden Franken pro Jahr können Engpässe auf unseren Autobahnen beseitigt sowie Städte und Dörfer mit Umfahrungen vom Durchgangsverkehr entlastet werden. Der Handlungsbedarf dafür ist dringend angezeigt. Jedes Jahr stellt die Schweiz einen neuen Staustundenrekord auf, derzeit stehen wir bei über 21 000 – und das nur auf den Nationalstras­sen. Das kostet die Wirtschaft jedes Jahr Milliardenbeträge. Auf Dauer können wir uns das nicht leisten.

 

Wer soll von der Initiative ­profitieren?

n Von einer fairen Verkehrsfinanzierung profitieren sämtliche Verkehrs­teil­nehmer­innen und Verkehrsteilnehmer. Wenn leistungsfähige Umfahrungen für den motorisierten Verkehr vorhanden sind, kann sich der Langsamverkehr in den Städten und Dörfern sicherer bewegen. Auch der öffentliche Verkehr, der zu einem gros­sen Teil auf der Strasse stattfindet, gewinnt an Attraktivität und Zuverlässigkeit. Letzteres ist vor allen Dingen auch für KMU unverzichtbar. Der grosse Vorteil des motorisierten Individualverkehrs, die Punkt-zu-Punkt-Mobilität, wird durch immer mehr Stau und die fehlende zeitliche Planbarkeit ernsthaft gefährdet. Ein moderner Wirtschaftsstandort wie die Schweiz kann es sich auf Dauer nicht leisten, bei der Bevölkerung und beim Bruttoinlandsprodukt stetig zu wachsen, die Strassen­infra­struktur aber nicht den höheren Anforderungen anzupassen. Die politischen Ver­säumnisse der Vergangenheit müssen jetzt durch eine Planungs- und Bauoffensive überwunden werden. Die Initiative für eine faire Verkehrsfinanzierung stellt die hierfür benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung, ohne Strassenbenützer und KMU noch stärker zu belasten.

 

Der Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF), den der Ständerat in der Frühjahrssession beraten hat, will die Finanzierung der Strassen auf eine solidere Basis stellen. Weshalb braucht es die «Milchkuh-Initiative» dennoch?

n Der NAF ist grundsätzlich keine schlechte Idee. Allerdings laufen die Finan­zie­rungs­vorschläge, die derzeit die Runde machen, auf eines hinaus: Die Strassen­benützer werden erneut durch die Erhöhung von Steuern und Abgaben zur Kasse gebeten und bekommen dafür nur ein Trostpflaster, namentlich die Auto­mobil­steuer, für die Infrastruktur. Der Rest fliesst in den Netzbeschluss, die Übergabe von 400 Kilometern Kantonsstrassen an den Bund. Davon hat der Strassenbenützer nichts, ausser Mehrkosten. Man hat 2013 bei der Ablehnung der Vignetten­preis­erhöhung gesehen, was die Stimmbevölkerung von solchen Projekten hält. Mit der fairen Verkehrsfinanzierung wäre neben Ausbau- und Unterhalt der Strassen auch der Netzbeschluss finanziert, ohne dass der Treibstoff teurer werden muss.

«ÜBER 21 000 STAUSTUNDEn JEDES JAHR – ein REKORD, der stets weiterwächst.»

Die Gegner werfen Ihnen vor, die Bundeskasse plündern und dadurch den öffentlichen Verkehr torpedieren zu wollen. Wie halten Sie dagegen?

n Das stimmt nicht, ganz im Gegenteil. Durch die Qualitätssteigerung der Infra­struktur profitiert auch der öffentliche Verkehr, der vielerorts die Strasse nutzt. Denken Sie nur an die Postautos auf dem Land oder die Busse und Trams in den Städten. Zudem bleiben sämtliche Beträge, die mit Annahme der FABI-Vorlage dem Bahn­infrastrukturfonds zugesprochen wurden, unberührt. Von einer «Plünderung der Bundeskasse» kann man ebenfalls kaum sprechen. Wir reden hier von rund zwei Prozent des jährlichen Budgets, welche der Bund an anderer Stelle einsparen müsste. Die Schweizer Wirtschaft musste nach der Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses im Januar des vergangenen Jahres 15 bis 18 Prozent gutmachen – und das von heute auf morgen, ohne Vorwarnung.

«WACHSEN, SICH ABER NICHT ANPASSEN – DAS KANN SICH DIE SCHWEIZ NICHT LEISTEN.»

Wie wollen Sie Ihre Kampagne aufziehen?

n Wir werden deutlich machen, dass sämtliche Verkehrsteilnehmer von der Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» profitieren – vom Fussgänger über den Velofahrer und den Autofahrer bis zum Lastwagenchauffeur. Und wir werden aufzeigen, warum es sich besonders für die Wirtschaft lohnt, das zusätzliche Geld in die Strasseninfrastruktur zu investieren.

Von welcher Seite erwarten 
Sie Unterstützung?

n Das Initiativ-Komitee ist politisch breit abgestützt, wir geniessen die Unter­stützung der designierten Parteipräsidenten von CVP und FDP. Zudem sind zahl­reiche SVP-Politikerinnen und Politiker vertreten, zum Beispiel der Fraktionschef Adrian Amstutz. Von Verbandsseite wird die Initiative ebenfalls von breiten Kreisen getragen, beispielsweise vom Nutzfahrzeugverband ASTAG, vom Garagistenverband AGVS, von HandelSchweiz – und natürlich auch vom Schweizerischen Gewerbe­verband. Die einstimmige Ja-Parole der Gewerbekammer ist für uns ein gros­ser Vertrauensbeweis und Motivationsschub.

«EINE BESSERE INFRASTRUKTUR nützt letztlich AUCH DEm ÖV.»

Falls die «Milchkuh» angenommen wird: Welche konkreten Strassenprojekte sollen Ihrer Meinung nach als Erste realisiert werden?

n Dort, wo die Engpässe am grössten sind, sollte zuerst angepackt werden. Das betrifft vor allem die Städte und Agglomerationen, oft ist hier das übergeordnete Strassennetz nicht leistungsfähig genug. Am besten wissen jedoch die Kantone, wo es harzt, auch in den Randregionen. Dringend ist sicherlich der Ausbau der Hauptschlagader A1 zwischen Winterthur und Bern sowie zwischen Lausanne und Genf. Auch die Region Basel hat mit der täglich völlig überlasteten A2 zwischen Liestal und der Grenze zu Deutschland zu kämpfen. Hier gibt es ein sehr passendes Beispiel, wie die «Milchkuh-Initiative» helfen kann. Mit dem Rheintunnel steht in Basel ein Projekt im Raum, das für Entlastung sorgen könnte. Allerdings sehen die Pläne des Bundesamts für Strassen ASTRA einen Anschluss an die Autobahn Richtung Deutschland erst in einem zweiten Schritt vor, denn dieser würde zusätzlich 300 Millionen Franken kosten. Mit der fairen Verkehrsfinanzierung stünde dieses Geld parat und der Rheintunnel könnte von Anfang an seine ganze Wirkung bei der Verflüssigung des Verkehrs entfalten.

Interview: Gerhard Enggist

ZUR PERSON

Andreas Burgener (53) ist seit 2003 Direktor von auto-schweiz, der Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure, und Mitglied im Ini­tiativ-Komitee «Für eine faire Verkehrsfinanzierung».

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