Publiziert am: 24.02.2017

Vorteil Schweiz statt «Swiss Finish»

Tribüne

Unsere freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung wird nicht nur im Innern durch die Regulierungswut in zahlreichen Lebensbereichen bedroht. Hinzu kommt ein internationaler Anpassungsdruck, der unter dem Deckmantel der Harmonisierung die erfolgreichen Volkswirtschaften diszipliniert und ihre Wettbewerbsvorteile beschneidet. So müssen wir bekanntlich unter internationalem Druck die Steuerprivilegien für internationale Gesellschaften abschaffen. Der automatische Austausch von Steuerdaten ist beschlossene Sache. Weitere Beschneidungen unserer Steuerautonomie werden mit dem sogenannten BEPS-Programm der OECD beschlossen.

Diese Entwicklungen sind an und für sich bedenklich. Internationale Organisationen, die im Kern keine demokratische Legitimation haben, beschliessen Standards, die dann durch (fast) alle einzuhalten sind. Dabei können weder die nationalen Parlamente noch das Volk mitreden. Es wird beschlossen und umgesetzt. Wer sich nicht an die Beschlüsse hält, wir abgestraft. Das ist das internationale Umfeld, in dem sich die Schweiz bewegt. Die schlechte Nachricht ist, dass wir uns als kleines Land, das seine Ziele nicht über Machtpolitik erreicht, diesen Entwicklungen nicht entziehen können. Als erfolgreiche Volkswirtschaft müssen wir internationale Standards einhalten, wenn wir den Zugang zu den Märkten für unsere Unternehmen sichern wollen. Damit sorgen wir auch dafür, dass wir Arbeitsplätze und Wohlstand erhalten können. Die gute Nachricht ist, dass wir uns mit unseren Leistungen nicht verstecken müssen und durchaus mit etwas mehr Selbstbewusstsein und auch mit Mut für Gegenforderungen auftreten könnten. Zudem sollten wir dort, wo wir noch autonom entscheiden können, unseren Handlungsspielraum ausschöpfen. Im politischen Alltag ist jedoch oft das Gegenteil der Fall.

Es besteht ein ungebrochener Trend zum sogenannten «Swiss Finish». An der Übernahme internationaler Standards führt oft kein Weg vorbei. Unser Perfektionismus führt jedoch oft zu unnötiger Regulierung und Mehrkosten. Ausserdem könnte man sich rein technisch motivierte Gesetzesrevisionen wie z.B. das Schwarzarbeitsgesetz sparen. Was unter «Vollzugsoptimierung» verkauft wird, macht die Welt oft nicht gerechter, sondern verkompliziert Abläufe und verteuert Verfahren.

Wir wissen: die Schweiz ist eine Hochpreisinsel. Hohe Preise bedeuten auch hohe Löhne. Wer das Lohnniveau und damit auch die Kaufkraft in der Schweiz erhalten will, muss deshalb unsere Standortvorteile bewahren. Dass diese weder in einer Verteuerung der Lohnkosten noch in einem Ausbau der Bürokratie liegen, ist offensichtlich. So ist z.B. der monatliche Rentenzuschlag für alle Neurentner von 70 Franken, den der Ständerat im Rahmen der Altersreform vorsieht, fragwürdig. Damit werden nicht nur die möglichen Rentenausfälle durch die Absenkung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule überkompensiert. Schlimmer noch: die strukturellen Probleme in der AHV werden wegen der steigenden Zahl von Rentnern verschärft. Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanzieren damit eine Reform, die das Sanierungsziel verfehlt und die Arbeit weiter verteuert.

Ein weiterer wichtiger Standortvorteil ist der Zugang zu den internationalen Märkten. Damit sei gesagt, dass wir die bilateralen Verträge erhalten müssen. Man mag die Umsetzung der MEI durch das Parlament kritisieren. Immerhin steht sie nicht im Konflikt mit der Personenfreizügigkeit und schafft Rechtssicherheit. Zudem gewinnt die Schweiz Zeit. Der Brexit sowie die noch unbekannten Wahlausgänge in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden dürften dazu führen, dass es Anpassungen bei der Personenfreizügigkeit gibt, von der auch die Schweiz profitieren könnte. Der Bundesrat darf das Dossier also nicht schliessen, sondern muss weiter nach Lösungen suchen.

Trotz internationalem Druck hat die Schweiz weiter viele Vorteile. Als Nichtmitglied der EU sind wir frei in unserer Aussenhandelspolitik und können weitere Freihandelsabkommen abschliessen. Im Innern ist auf kostspielige Lösungen und «Swiss Finish» zu verzichten. Nutzen wir unseren Spielraum zum Vorteil der Schweiz.

*Karin Keller-Sutter ist seit 2011 St. Galler FDP-Ständerätin. Zuvor war sie Justizdirektorin ihres Kantons.

Die Tribüne-Autoren geben ihre eigene Meinung wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv decken.

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