Publiziert am: 17.02.2023

Welt ohne Kunststoff – nicht möglich

KUNSTSTOFF.SWISS – Die Branche ist in einem dynamischen Umfeld äusserst innovativ unterwegs. Ein grosses Thema ist die Kreislaufwirtschaft, wo Kunststoff sich immer wieder als idealen Werkstoff – der recycelt werden kann – beweist. Herausforderungen sind Überregulierungen durch den EU-Einfluss, eine zuverlässige Energieversorgung sowie der Fachkräftemangel.

Die Kunststoffbranche ist eine typische KMU-Branche und gehört damit zum Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Rund 40 Prozent der Kunststoffe, die in der Schweiz verwendet werden, gehen in die Verpackung und ähnlich viele in den Bau. Weitere wichtige Sektoren sind Medizin, Elektronik und Mobilität. «Der Trend geht in Richtung Automatisierung», sagt Riccardo Casanova. Er ist seit anfangs Jahr Geschäftsführer von KUNSTSTOFF.swiss. «Denn in der Schweiz werden vorwiegend hochwertige Produkte hergestellt, dazu braucht es viel Fachwissen und Expertise und – was zunehmend wichtig ist – auch zuverlässige Lieferketten und ein industriefreund-liches, nicht überreguliertes Umfeld.» Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium führten ihn verschiedene Stationen in die Kunststoffindustrie. Sein Ziel ist es, den verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Kunststoff über den kompletten Lebenszyklus hinweg zu fördern, ökonomisch und ökologisch sinnvolle Lösungen zur Verwertung von Kunststoffabfällen zu entwickeln und attraktive, zielgerichtete Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und Weiterbildung zu bieten. Besonders am Herzen liegt ihm auch eine transparente Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: «Gerade heute ist es wichtiger denn je, in der zum Teil emotionalen Diskussion rund um Kunststoff, eine sachliche Informationspolitik zu betreiben.»

«Wichtig bleibt, dass die Schweiz weiterhin von Regulierungen auf EU-Niveau verschont bleibt.»

Denn gerade im Zusammenhang mit der Klimakrise wird Kunststoff oftmals angeprangert – zu Unrecht. «Kunststoffe helfen dabei, dem Klimawandel entgegenzutreten. Kunststoffe machen Fahrzeuge leichter, was den Energieverbrauch reduziert», erklärt Präsident Silvio Ponti. So wäre ein durchschnittliches Auto ohne Kunststoff rund 300 Kilo schwerer. Kohlefaserverstärkte Kunststoffe – auch bekannt als Karbon – reduzieren das Gewicht eines Bauteils zum Beispiel im Flugzeugbau bis zu 50 Prozent, was entsprechend Energie spart.

Viele Nachhaltigkeitsprojekte

Kreislaufwirtschaft ist für den Verband ein zentrales Anliegen. KUNSTSTOFF.swiss setzt sich dafür ein und fördert Zielsetzungen im Bereich umfassender Nachhaltigkeit in der Schweiz und der EU. Dazu Casanova: «Wir setzen auf das proaktive Engagement unserer Mitglieder in der nachhaltigen Transformation. Dazu gehören die Vermeidung des Eintrags von Kunststoff in die Umwelt, das Schliessen von Produkt- und Materialkreisläufen, das Konstruieren von Produkten nach den Regeln der Kunststofftechnik für Langlebigkeit, Design for Recycling, – und den Einsatz von Ressourcen – inklusive Kunststoff – zu minimieren.»

Der Verband beteiligt sich an diversen Nachhaltigkeitsprojekten. So hat KUNSTSTOFF.swiss zusammen mit der deutschen RIGK GmbH vor einem Jahr den Verein ERDE Schweiz ins Leben gerufen. Dies ist ein Rücknahme- und Verwertungssystem für Siloballenfolien, Netze und Garne in der Schweiz, das – aus einer freiwilligen Industrieinitiative entstanden – aktiv zu nachhaltiger Agrarwirtschaft in der Futtermittelproduktion und im Obst- und Gemüseanbau beiträgt. «Jährlich kommen in der Schweiz geschätzte 6000 bis 8000 Tonnen Landwirtschafts-folien in den Umlauf, davon wurde bisher nur ein Bruchteil rezykliert», so Casanova. Und der 58-jährige Tessiner zieht eine erfreuliche Bilanz: «Es zeigt sich bereits jetzt, dass das Rücknahmeziel 2022 von 1200 Tonnen Erntekunststoffen übertroffen wird.»

Der innovative Verband ist auch am Projekt «Sammlung 2025» beteiligt. Dabei wird ein nationales Sammel- und Recyclingsystem von Kunststoffverpackungen und Getränkekartons mit entsprechender Organisation und Finanzierungs-lösung aufgebaut. Ebenso arbeitet KUNSTSTOFF.swiss mit Composites United Switzerland und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) zusammen, um im Rahmen der Innosuisse-Ausschreibung einen Innovations-Booster zum Thema «Plastics for Zero Emission» zu etablieren. Dieser ermöglicht es, in den nächsten vier Jahren verschiedene Innovations-Projekte zu fördern. «Die globale Herausforderung des Klimawandels braucht gemeinsames Handeln. Die Schweiz will deshalb ihren CO2-Ausstoss bis spätestens 2050 auf Netto Null bringen», betont Ponti. «Teil der Lösung sind die Stärken der Schweizer Kunststoffindustrie.» Gemeinsam mit der Forschung werden innovative und disruptive Ideen gesucht und gefördert, um CO2-Emissionen zu vermeiden und Negativemissionstechnologien zu entwickeln. Aktuell haben sich bereits rund 35 Firmen und Hochschulen bereit erklärt, im Konsortium Plastics for Zero Emission mitzuwirken. «Durch die Zusammenarbeit aller Partner in der Wertschöpfungskette werden wirtschaftliche Potenziale freigesetzt und Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen», sagt Casanova.

Attraktive Karrieremöglichkeiten mit zukunftsorientierten Berufen

Einen grossen Stellenwert im Verband hat die Aus- und Weiterbildung. Allerdings ist die Nachfrage nach den Lehrberufen Kunststofftechnologe/-in EFZ und Kunststoffpraktiker/-in EBA zu tief – und das Image des Werkstoffs Kunststoff ist dabei nicht sehr hilfreich. Ebenso sind die Berufe eher unbekannt. «Auch wir spüren den ungebrochenen Trend weg von handwerklichen Berufen zu Büroberufen», sagt Casanova. Jährlich schliessen 75 bis 85 Jugendliche eine der beiden Lehrberufe Kunststofftechnologe/-in EFZ und Kunststoffpraktiker/-in EBA ab, wobei das EFZ stärker vertreten ist.

Die Schweizer Kunststoffbranche ist sehr innovativ, entsprechend attraktiv sind die Weiterbildungen und Karrieremöglichkeiten in der Branche – von der höheren Fachprüfung (HFP) zum Techniker HF über CAS bis hin zum MAS an einer Fachhochschule oder Universität. «Es werden stetig neue Verfahren entwickelt, bestehende Abläufe verbessert und neue Produkte auf den Markt gebracht. Dazu braucht es gut ausgebildete Fachkräfte auf allen Stufen», betont Ponti. Die Ausbildung ist zudem äusserst attraktiv – nicht zuletzt aufgrund des neuen handlungskompetenzorientierten Bildungsplans, der seit dem letzten August in Kraft ist. Keine starren Fachrichtungen mehr, sondern die Möglichkeit, neue Technologien wie 3-D-Druck einfach zu integrieren, und eine generalistische Ausbildung durch mehr üK-Tage sind nur einige Änderungen.

Grosses Zukunftspotenzial

KUNSTSTOFF.swiss setzt sich auf politischer Ebene konsequent für gute Rahmenbedingungen ein, um den Standort Schweiz gegenüber ausländischer Konkurrenz zu fördern. «Wir greifen ein, sobald Kunststoffe gegenüber anderen Materialien benachteiligt werden sollen, wie zum Beispiel mit einer Plastiksteuer oder ähnlichen Vorstössen», erklärt Casanova. Der Verband unterstützt aber auch Initiativen und Vorstösse zur Kreislaufwirtschaft wie die parlamentarische Initiative 20.433 «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken». Der EU-Einfluss (Green Deal, Verpackungsverordnung, Überregulierung), die Energieversorgungssicherheit sowie der Fach- und Arbeitskräftemangel sind zurzeit die grössten Herausforderungen für die Branche.

Silvio Ponti und Riccardo Casanova sehen ein grosses Potenzial in der Branche – denn eine Welt ohne Kunststoffe ist nicht möglich: «Der Trend zu hochwertigen Produkten versus billige Einwegprodukte und neue zirkuläre Geschäftsmodelle wird die Innovationskraft der Branche fordern, diese ist aber auf dem richtigen Weg und gut gerüstet.» Auch der Medizinalbereich wird mit zunehmender Überalterung noch wichtiger und ist ohne Kunststoffe nicht möglich (Kosten, Hygiene, Flexibilität). Dort spielen neben Einwegprodukten auch hochwertige Geräte eine grosse Rolle. Und die schnell wachsende E-Mobilität funktioniert nur dank Leichtbau, und auch dieser ist ohne Kunststoffe nicht möglich. «Wichtig bleibt aber, dass die Schweiz weiterhin von Regulierungen auf EU-Niveau verschont bleibt und die Rahmenbedingen für die Industrie – wie beispielsweise Energie, erleichterte Zuwanderung von Fachkräften, Förderung des Bildungsstandorts Schweiz – verbessert werden», betonen Ponti und Casanova.

Corinne Remund

www.kunststoff.swiss

www.erde-schweiz.ch

www.swissrecycling.ch

www.nano.swiss

DAS MACHT KUNSTSTOFF.SWISS

Ein starkes Zeichen fĂĽr den Kunststoff setzen

Zurzeit gehören dem Branchenverband KUNSTSTOFF.swiss ein Drittel aller in der Schweizer Kunststoffindustrie tätigen Unternehmen an: Die 260 Mitglieder kommen aus der kompletten Wertschöpfungskette des Kunststoffs in der Schweiz: vom Rohstofferzeuger über Handelsfirmen, Maschinen und Peripherielieferanten und -hersteller, Dienstleister, Formenbauer und natürlich Kunststoffverarbeiter bis hin zum Recycler oder Entsorger. Davon hat der Grossteil weniger als 100 Mitarbeitende – es ist also eine typische KMU-Branche. Für seine Mitglieder erbringt der Verband diverse Dienstleistungen wie Beratungen, Seminare und Webinare sowie das Bereitstellen von Technologie-, Fach- und Marktinformationen. Mit der zertifizierten Branchenlösung Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, einem der Branche angepassten Sicherheitssystem, sind die einzelnen Betriebe einfach und kostengünstig in der Lage, die gesetzlichen Vorschriften der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes umsetzen zu können. Mit den beiden Lehrberufen Kunststofftechnologe/-in EFZ und Kunststoffpraktiker/-in EBA engagiert sich der Verband als vom Bund bestellte Organisation der Arbeitswelt OdA in der Aus- und Weiterbildung.

KUNSTSTOFF.swiss leistet engagierte Interessenvertretung und Öffentlichkeitsarbeit. Der Verband zeigt die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der Schweizer Kunststoffindustrie und ist die erste Adresse bei Presseanfragen rund um die Branchensituation, Entwicklungspotenziale, Einschätzungen und alle Fragen zu Gesetzen und Vorschriften. Der Verband repräsentiert die Kunststoffindustrie an zahlreichen Kongressen, Veranstaltungen sowie Messen und unterhält intensive Kontakte zu den europäischen Dachverbänden und nimmt Einsitz in deren Gremien. Rund 33 000 Beschäftigte arbeiten in der Branche. Sie generieren jährlich einen Umsatz von 16 Milliarden Franken. CR

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