Publiziert am: 03.03.2023

Dörf’s es Bitzli meh si?

ARBEITSMARKT – Unter dem Deck­mantel des Fachkräftemangels werden derzeit vermeintliche «Lösungen» präsentiert, die das Problem eher ver­schlimmern, als dass sie zur Besserung beitragen. Mehr Lohn für weniger Arbeit ist keine Lösung – mehr und bessere Ausbildung auf allen Stufen dagegen schon.

Seit Anfang Jahr läuft eine intensive Debatte über den Wert von Arbeit und Lohn. Weniger arbeiten und mehr Geld vom Staat ist die eine Haltung, die sich herauskristallisiert. Umfragen zum Thema Voll- und Teilzeitarbeit zeigen, dass die Viertagewoche zunehmend Anklang findet. Dies selbstverständlich möglichst bei vollem Lohn – die Life-Seite der Work-Life-Balance will schliesslich finanziert sein … Dass solche Lösungen, anders als von manchen behauptet, gerade für viele KMU nicht ohne Weiteres realisierbar sind, wird in der (medialen) Debatte gerne unter den Tisch gewischt. Klar scheint: Es dürften eher die Griffel sein, die künftig am Donnerstagnachmittag – er dürfte vielerorts zum neuen Freitagnachmittag mutieren – beiseitegelegt werden als die Scheren, Sägen oder Schaufeln.

Weniger arbeiten, voll kassieren

Eine weitere Debatte wird über die Lohnhöhe geführt. Auch hier sind kreative Ideen nicht rar. Basel-Stadt etwa will für die Kantonsangestellten die 38 Stundenwoche einführen – bei vollem Lohn, versteht sich. Ein entsprechender Vorschlag hat das Kantonsparlament überwiesen, wenn auch nur sehr knapp. Damit möchte Basel-Stadt künftig im Wettbewerb um Arbeitskräfte die Konkurrenz ausstechen. Dass Staat und Privatwirtschaft beide mit dem Fachkräftemangel kämpfen – kein Thema. Ebenso wenig, dass der Kanton mit Steuergeldern den Wettbewerb um Fachkräfte aus dem Gleichgewicht bringt. Und dass es schliesslich auch zehn Prozent zusätzliche Mitarbeitende bräuchte, wenn die Angestellten zehn Prozent weniger arbeiten würden – geschenkt! Hauptsache, die Work-Life-Balance der Staatsangestellten stimmt.

Grosszügig ist auch der Kanton Zürich. Während die Privatwirtschaft mit einem Teuerungsausgleich von 2,2 Prozent rechnet, bezahlt der Kanton Zürich seinen Angestellten satte 3,5 Prozent.

Bund zahlt deutlich besser

Und auch beim Bund müssen die Angestellten nicht darben: Gemäss einer Studie des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IPW) der Universität Luzern sollen gleich qualifizierte und erfahrene Mitarbeitende mit ähnlicher Verantwortung in der Bundesverwaltung im Schnitt sage und schreibe um fast 12 Prozent besser bezahlt werden als in der Privatwirtschaft. Zählt man den beim Bund fast schon todsicheren Teuerungsausgleich dazu – und zwar Jahr für Jahr –, so spricht kaum mehr etwas dagegen, sich in die Arme von Väterchen Staat zu begeben und dort sein Arbeitsleben zu fristen.

Der Irrtum der Gewerkschaften

Zurück zum Anfang des Arbeits-lebens: Viele Jugendliche stehen derzeit in einer intensiven Phase der Berufswahl; mit Orientierungsabenden, Schnuppertagen und weiteren Informationsanlässen. Zur Unzeit kommt deshalb der durch die Gewerkschaften in den Medien angestellte Vergleich der Löhne zwischen Universitätsabsolventen und -absolventinnen und Absolventinnen und Absolventen einer Berufslehre (EFZ). Die Lohnschere würde sich immer stärker öffnen, so die Argumentation. Eine Argumentation, die inhaltlich falsch ist, weil ein direkter Vergleich der Löhne auf Sekundarstufe II mit der Tertiärstufe auf universitärer Ebene verzerrend ist. Wenn schon, müsste die Höhere Berufsbildung (Tertiär B) mit einem universitären Abschluss (Tertiär A) verglichen werden.

Ein Vergleich der «Bildungsrendite» für die unterschiedlichen Ausbildungstypen zeigt aber auch, dass die Höhere Berufsbildung die höchsten Renditen pro Ausbildungsjahr aufweist. Kommt dazu: Arbeitskräfte mit einem entsprechenden Abschluss verzeichnen nachweislich die tiefste Erwerbslosenquote. Fälschlicherweise verfestigt sich zudem – und zwar nicht bloss bei Zuzügern aus dem Ausland, denen unser (Berufs-)Bildungssystem noch fremd ist – die Überzeugung, dass der einzige Weg zu einem erfolgreichen Berufsleben über das Gymnasium führt. Auch diese Annahme ist schlicht und einfach falsch.

Orientierung am Arbeitsmarkt

Tatsache ist, dass die höhere Berufsbildung eine starke Stellung geniesst. Im Rahmen des Spitzentreffens der Berufsbildung haben sich im vergangenen November die Sozialpartner denn auch klar für eine Stärkung der dualen Berufsbildung und vor allem der Weiterbildung ausgesprochen. Die Höheren Fachschulen HF als Teil der höheren Berufsbildung sollen auch in Zukunft Berufsleuten ohne Maturität eine Höherqualifizierung auf Tertiärstufe ermöglichen und die Wirtschaft mit spezialisierten Fach- und Führungskräften versorgen.

Markenzeichen der Höheren Fachschulen ist die unmittelbare Orientierung der Abschlüsse an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts. Das praxisorientierte Profil soll auch in Zukunft erhalten bleiben. Auf diese Weise kann – anders als mit am derzeitigen, hippen Lifestyle orientierten Scheinlösungen – auch tatsächlich ein wirksamer Beitrag gegen den Fachkräftemangel geleistet werden.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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