Die Zahntechnik hat sich im Zeitalter der Hightech-Medizin in den letzten Jahren massiv gewandelt: «Die Digitalisierung hat die Fertigungsprozesse in allen Sparten der Zahntechnik fundamental verändert. Sowohl beim abnehmbaren wie auch beim festsitzenden Zahnersatz ersetzen hybride und volldigitale Prozesse zunehmend die früheren handwerklich analogen Herstellungsmethoden», erklärt Christian Hodler, Generalsekretär bei Swiss Dental Laboratories. Insofern hat sich auch das Berufsbild stark gewandelt. «Die Vielzahl von neuen Materialien kombiniert mit der Digitalisierung führt zu einer viel grösseren Auswahl an Lösungsoptionen im Einzelfall. «Dem/der Zahntechniker/-in kommt deshalb je länger, je mehr auch eine beratende Funktion für den/die Zahnarzt/-ärztin zu», so Hodler.
Die Digitalisierung führt zu einer eigentlichen Revolution bei der Herstellung von zahntechnischen Rekonstruktionen. Im Fachjargon spricht man von CAD-CAM Fertigung. Beim CAD (Computer Aided Design) wird ein digitaler oder analoger Abdruck des Gebisses durch eine spezifische Software in eine dreidimensionale Darstellung auf dem Bildschirm umgewandelt. «Der Zahnersatz kann so in dieser Darstellung auf dem Bildschirm designt werden», so Hodler. Dies erfordert nach wie vor spezifische Kenntnisse des Kausystems und der darin wirkenden Kräfte. Zwar unterstützt das System das Designen mittels Vorschlägen, diese müssen jedoch regelmässig noch korrigiert und angepasst werden. Ist das Design abgeschlossen, wird ein entsprechender Datensatz generiert und an eine Fräs-, 3D-Druck- oder Laser-Melting-Einheit geschickt. Diese wandelt den Datensatz entsprechend um und stellt auf Knopfdruck die gewünschte Rekonstruktion her (CAM – Computer Aided Manufacturing). Die Werkstücke werden danach je nach Auftrag poliert, farblich individualisiert und weiteren Bearbeitungsschritten unterzogen.
Auch in der Zahnmedizin zeichnen sich grundlegende Änderungen auf. «Insgesamt dürften computerunterstützte Prozesse vermehrt Einzug in die Zahnarztpraxis halten. Stichwort ist dabei die Robotik für dentalchirurgische Eingriffe etc.», weiss Hodler. Der/die Zahnarzt/-ärztin dürfte medizinischer werden und sich neuen Gebieten widmen wie zum Beispiel der individuellen Speichelanalyse und deren Folgen für eine optimale individualisierte Behandlung. Die Arbeitsteilung und Schnittstellen zum Labor werden sich deshalb verschieben.
Internationalisierung und Preisdruck
Im Zuge der Digitalisierung ist die Internationalisierung der Konkurrenz ein grosses Thema geworden, denn letztendlich ist es bei einem korrekten Design nicht zentral, wo eine Fräsmaschine steht. Schweizer Labors stehen damit unter einem hohen Preisdruck aus dem Ausland. Dazu Hodler: «Sie bestehen auf dem Markt nur bei einer hohen Verfügbarkeit, umfassender Qualität der Leistung und Kenntnissen der Sonderwünsche der einzelnen Kunden. Hinzu kommt der Einbruch branchenfremder ausländischer Investoren und inländischer Grossverteiler in die Zahnmedizin und die Zahntechnik.» Neben der neuartigen Konkurrenzsituation macht der Branche aber auch der zunehmende Fachkräftemangel Sorgen. Zudem sind die Betriebe gezwungen, erhebliche Investitionen im CAD-CAM-Bereich zu tätigen «Dies stellt Kleinbetriebe vor existenzielle Probleme. Deshalb besteht eine Tendenz zu Kooperationen, grösseren Betrieben oder Laborketten», sagt Hodler. Ein Thema ist auch der Zahnersatz aus dem Ausland. «Wir stellen uns dem freien Markt. Entscheidend ist hier die Transparenz gegenüber den Patientinnen und Patienten», erklärt Hodler. «Ihnen darf nur der effektive Preis aus dem Ausland plus Transport- und MWST-Kosten verrechnet werden. Ansonsten wird sowohl gegen die Pflichten als Medizinalperson als auch gegen die Treuepflicht aus dem Behandlungsvertrag verstossen.» Bei Missbräuchen ist der Verband bereit, entsprechende rechtliche Schritte einzuleiten. «Alle Patientinnen und Patienten haben Anrecht auf die Aushändigung des detaillierten Lieferscheins des ausländischen Herstellers samt Preisangabe. Der dort ausgewiesene Preis muss mit der Rechnung der Praxis für die Laborkosten übereinstimmen», betont Hodler.
Sicherstellung des Berufsnachwuchses
Eine Kernkompetenz des Verbandes ist die Aus- und Weiterbildung. Dabei engagiert sich der Verband umfassend in der Grundbildung sowie in der Höheren Berufsbildung. Neben dem EFZ wird ein Fachausweis im Bereich der Kieferorthopädie angeboten. Zurzeit wird zusammen mit dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI die Schaffung eines neuen Fachausweises auf der Basis eines aktualisierten und erweiterten Berufsbildes geprüft. Die vierjährige zahntechnische Lehre ist anspruchsvoll und erfordert neben manuellem Geschick, Interesse an IT, Sinn für Ästhetik auch eine sehr hohe Dienstleistungsbereitschaft. «Wie in einer Vielzahl von anderen Berufen haben wir grosse Mühe, genügend Lernende zu finden. Viele potenzielle Lernende wählen heute leider den gymnasialen Weg», bedauert Hodler.
Grosses politisches Engagement für die Branche
Swiss Dental Laboratories agiert auch auf der politischen Ebene. Dort richtet der Verband seinen Fokus zur Zeit auf die Durchsetzung der Deklarationspflicht des Herstellungsortes von Zahnersatz samt lückenloser Aufklärung von Patienten/-innen. Ebenso setzt er sich ein für die Ausdehnung der Regelungen der Verordnung über Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich auf Medizinprodukte der Klassen II und III im Rahmen der kommenden Revision. Ebenso muss der völlig veraltete KVG-Tarif aus dem Jahre 1994 betreffend Nomenklatur und Teuerung angepasst werden.
«Es besteht eine Tendenz zu Kooperationen, grösseren Betrieben oder Laborketten.»
Die Zahntechnik hat den Wandel von der reinen analogen zur analog-digitalen Herstellung bewältigt und ist gut gerüstet für die Zukunft. Die digitale Transformation ist dabei einer der wichtigsten Treiber für Veränderungen und neue Erwartungen an die Labors – dementsprechend tiefgreifend ist der Wandel. Ebenso die zunehmende Überalterung der Gesellschaft führt unter anderem zu einem höheren Bedarf an Praxen. «Die zahntechnische Ausbildung im zahnmedizinischen Studium ist zudem eher rückläufig, dies bedingt, dass unsere Spezialisten gefragt sind», so Hodler. Die Ästhetik spielt neben der Mundgesundheit heute eine viel wichtigere Rolle. «Gerade bei der Korrektur von Zahnfehlstellungen sind die ästhetischen Anforderungen inzwischen genauso hoch wie bei der plastischen Chirurgie», betont Hodler.
Corinne Remund
www.vzls.ch
DAS MACHT SWIss Dental LABoratorIes
Der Verband der Zahntechnischen Laboratorien der Schweiz (VZLS) wurde 1935 gegründet – dies als Partner der Schweizerischen Zahnärzteorganisation SSO. Von Anfang an waren die Tätigkeitsgebiete von Zahnmedizin und Zahntechnik eng verbunden. Heute tritt der VZLS unter der Bezeichnung Swiss Dental Laboratories auf. Zu den Hauptaufgaben des Verbandes gehören klassische Verbandsaufgaben im Bereich der politischen Interessenvertretung, der Aus- und Weiterbildung sowie der Verhandlungen im Bereich des Gesamtarbeitsvertrags. Andererseits beschäftigt sich der Verband mit branchenspezifischen Problemstellungen im Bereich des Medizinaltarifwesens in Partnerschaft mit der SSO sowie Auslegungs- und Konkretisierungsfragen zur schweizerischen und europäischen Gesetzgebung über Medizinprodukte. Ergänzt werden die Dienstleistungen mit einer Vielzahl von Auskünften zu rechtlichen Fragen im Verhältnis zu Praxen, Patienten und Dritten. Aktuell stehen vor allem Fragen zur revidierten Medizinprodukteverordnung und zum neuen Datenschutzgesetz im Vordergrund. Der Verband ist bestens vernetzt mit Behörden, Spezialisten, anderen Verbänden, Institutionen und Organisationen.
Viele Klein- und Mikrobetriebe
Die Mitglieder von Swiss Dental Laboratories sind Betriebe, welche zahntechnische Sonderanfertigungen beziehungsweise Zahnersatz und kieferorthopädische Apparate herstellen. Sie werden unterteilt in unabhängige Laboratorien und Praxislabors. Praxislabors sind in Zahnarztpraxen räumlich integriert oder sind Gesellschaften im Eigentum der Praxis. Früher handelte es sich bei Labors meist um Einzelunternehmen. Heute sind die meisten Laboratorien in Form von juristischen Personen organisiert. Nach wie vor ist die schweizerische Laborlandschaft von vielen Klein- und Mikrobetrieben geprägt. Diese weisen im Durchschnitt zwei bis drei Mitarbeiter auf. Von den rund 500 Mitgliedern von Swiss Dental Laboratories sind nach wie vor rund 150 Einpersonen-Betriebe. Von den rund 720 wirtschaftlich aktiven Laboratorien in der Schweiz sind rund 500 Mitglieder von Swiss Dental Laboratories. Rund 3000 Beschäftigte arbeiten in der Branche und generieren einen jährlichen Umsatz von rund 300 Millionen Franken. CR