Publiziert am: 28.02.2025

(K)ein zu enges Korsett für die Schweiz

NACHHALTIGKEIT – Während die Europäische Union ihre Anforderungen an die Nachhaltigkeit senkt, um die administrative Belastung der Unternehmen zu verringern, wählt die Schweiz den umgekehrten Weg. Indem sie ihren Regulierungsrahmen verschärft, schwächt sie die Wettbewerbsfähigkeit ihres Finanzplatzes und bürdet der Wirtschaft zusätzliche Belastungen auf.

Die Verordnung über die Berichterstattung zu Klimafragen befindet sich bis zum 21. März in der Vernehmlassung. Sie sollte es der Schweiz ursprünglich ermöglichen, sich an europäische und internationale Standards anzupassen. Als einfaches technisches Update angepriesen, führt das Regelwerk in Wirklichkeit zu einer Verkomplizierung der Prozesse. Denn neu müssen Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter nicht nur über ihren eigenen CO2-Fussabdruck berichten, sondern auch über jenen der Unternehmen, die sie finanzieren – auch im Ausland.

Während der Bundesrat behauptet, es handle sich lediglich um eine Anpassung an bestehende Standards, ist die Realität differenzierter. Denn die Einführung von Mindestanforderungen für Klimaschutzfahrpläne zwingt die Finanzinstitute, eine beträchtliche Menge an Daten zu sammeln und zu veröffentlichen. Dies erhöht ihren Verwaltungsaufwand und verursacht zusätzliche Kosten. Die Institute verwalten jedoch in erster Linie die Ersparnisse ihrer Kunden. Diese müssen damit zusätzlichen Kosten tragen, ohne dass ihnen ein konkreter Nutzen garantiert wird.

Staatsinterventionismus macht das Investieren komplexer

Die Bundesverwaltung begnügt sich nicht mehr damit, Transparenz zu fordern. Sie verlangt nun von den Finanzinstituten, dass sie detaillierte Pläne für den Übergang zur CO2-Neutralität erstellen. Diese Fahrpläne müssen belegen, dass die gewährten Finanzierungen mit den Klimazielen des Bundes übereinstimmen.

Artikel 3, Absatz 3 der Verordnung legt fest, wie die Reduktionsziele für ein Unternehmen des Finanzsektors auszusehen haben: Die Reduktionsziele umfassen die Klimaauswirkungen der Unternehmen, in die das Unternehmen auf den Kapitalmärkten investiert oder die es direkt finanziert oder versichert. Zudem müssen diese Ziele alle Emissionen umfassen – einschliesslich jener, die ausserhalb der Schweiz entstehen. Ausserdem ist vorgesehen, dass diese Fahrpläne verschiedene Anlageklassen und sektorspezifische Besonderheiten berücksichtigen. Dadurch wird eine weitere Schicht an Komplexität und Einschränkungen hinzugefügt.

Dieser Ansatz läuft auf eine Einschränkung der Investitionsfreiheit hinaus. Eine Bank, die ein Industrieunternehmen ausserhalb der Schweiz finanziert, muss nachweisen, dass dieses Unternehmen einen Kurs verfolgt, der mit den schweizerischen Klimaverpflichtungen vereinbar ist. Andernfalls werden ihre eigenen Investitionen infrage gestellt. Diese Politik geht weit über eine einfache Informationspflicht hinaus und führt zu einem direkten Eingriff in die strategischen Entscheidungen der Finanzakteure.

Europa lockert die Schlinge,die Schweiz zieht sie an

Diese starre Regulierung steht im Gegensatz zu den Entwicklungen in Europa. Das dortige Omnibus-Vereinfachungspaket zur nachhaltigen Berichterstattung, das am 26. Februar erwartet wird, zielt darauf ab, die administrative Belastung der Unternehmen zu verringern, indem die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und vielleicht sogar der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) gelockert werden.

Brüssel also nimmt die bürokratische Schwerfälligkeit zur Kenntnis und passt seine Anforderungen an, um die Wirtschaft nicht zu bremsen. Die Schweiz tut das genaue Gegenteil: Statt dieser Vereinfachungsbewegung zu folgen, passt der Bund seinen Rahmen an die europäischen Normen an – ohne die von der EU eingeführte Flexibilität zu integrieren.

Ein besorgniserregender Wettbewerbsnachteil

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv warnt vor dieser Regelung, welche die Wirtschaft direkt schwächt. Indem der Bund strengere Verpflichtungen als anderswo auferlegt, bringt er hiesige Unternehmen in eine ungünstige Position gegenüber ihren europäischen Konkurrenten. Schweizer Unternehmen müssen sich nun mit einer wachsenden Bürokratie auseinandersetzen. Statt in Innovation und Wachstum zu investieren, müssen sie Ressourcen für die Einhaltung der Vorschriften bereitstellen. Das Ergebnis: eine Schwächung des Finanzplatzes und ein erhöhtes Risiko von Kapitalverlagerungen.

Der sgv ruft zu einer RĂĽckkehr zum Pragmatismus auf

Angesichts dieser Fehlentwicklung fordert der Schweizerische Gewerbeverband sgv den Bund auf, seine Position zu überdenken. Die klimapolitischen Ambitionen dürfen nicht auf ein administratives Korsett hinauslaufen, das die Innovation bremst und die Wirtschaft unnötig belastet. Statt starre Auflagen zu machen, sollte sich die Schweiz für einmal am Vorgehen der EU orientieren, die insbesondere für KMU Erleichterungen anstrebt.

Die Energiewende durch Marktmechanismen statt durch bürokratische Auflagen zu fördern, würde Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit miteinander verbinden. Ohne eine rasche Neujustierung droht die Schweiz isoliert zu bleiben. Geschwächt durch eine Regulierung, die ihre Dynamik behindert, ohne konkrete Ergebnisse im Klimaschutz zu garantieren.

Der Schweizer Markt ist schlicht zu klein, um die Annahme spezifischer Normen zu rechtfertigen, und kann es sich im vorliegenden Fall nicht leisten, von den europäischen Regeln abzuweichen. Ausserdem werden die grossen internationalen Konzerne, die in der Schweiz ansässig sind, in jedem Fall die Anforderungen der Europäischen Union erfüllen müssen. Oder sie verzichten darauf, in der Schweiz tätig zu sein.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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