Der sgv spricht sich vehement gegen die Erhöhung der Lohnprozente aus
Arrogante Konzerne gegen frustriertes Gewerbe?
KoNZERN-INITIATIVE – «Die Aufgabe ist nicht lösbar», sagt Klaus J. Stöhlker über die Forderungen der Initiative. Und sieht die Beziehung zwischen Konzernen und der «Mehrheitsschweiz» als vergiftet an.
Ein höchst gefährliches Experiment steht der Schweiz noch in diesem Jahr bevor: Im November steht die Anti-Konzern-Initiative zur Abstimmung an. Danach sollen diese weltweit bis in die letzte Zulieferfirma hinein kontrollieren, ob diese sich an die Menschenrechte halten, keine Kinderarbeit dulden, die Umwelt schützen und auch sonst nicht negativ auffallen. Wird diese Initiative vom Schweizer Volk angenommen, kann dies den Untergang der wirtschaftlich erfolgreichen Schweiz des 20. Jahrhunderts bedeuten, denn die Aufgabe ist nicht lösbar.
Vergiftete Beziehung
Wie es aussieht, glauben die Interessenvertreter der Konzerne und Banken, mit einem Einsatz von einigen Millionen Franken diesen für sie negativen Volksentscheid verhindern zu können. Das könnte sich auch als Irrtum herausstellen.
Aus der Sicht vieler Gewerbe- und KMU-Betriebe ist die Arroganz der Konzerne, verstärkt durch die Covid-19-Krise, nahezu unerträglich. Dieser abgehobene Blick aus der obersten Konzernetage hinab in die Realwirtschaft der Schweiz, wo 98 Prozent aller Normalverdiener arbeiten, ist es, der die Beziehungen zwischen den Konzernen und der Mehrheitsschweiz vergiftet.
«Wo es nicht um ‹money› geht, bleibt die Beziehung künstlich.»
In der wirtschaftlichen Fresskette stehen Konzerne und Banken ganz oben, was in den Millioneneinkommen der VR-Präsidenten und CEOs wie deren Generaldirektionen zum Ausdruck kommt. Die mittelständischen KMU- und Gewerbebetriebe sehen sich, gerade nach Covid, bedroht. Nicht wenigen droht in diesem Herbst der Untergang.
Vor dem Volk geschützt
Die aus dem Wettbewerb und den Krisen resultierende soziale und kulturelle Verarmung der bodenständigen Schweiz interessiert die Konzernvertreter wenig. Viele von ihnen haben keine echte Beziehung zur Schweiz, weil Aktionariat und Geschäftsleitung in den Händen von Ausländern liegen. Für Einheimische selbstverständliche Milizdienste kommen für sie nicht infrage. Wo es nicht um «money» geht, bleibt die Beziehung künstlich.
Vielmehr sehen sie sich («Davos men») als Teil einer ebenso globalen wie nationalen Elite, wo der Umgang sich reduziert auf Spitzenpolitiker des Bundes und der Parteien oder kulturelle und sportliche Edelanlässe, wo man in den Logen geschützt ist vor dem Volk und unter sich bleibt.
Bonusgetriebene Gier
Ein Freund schreibt mir: «Ich bin als altgedienter Banker ganz klar für diese Initiative. Dass internationale Konzerne am Fiskus vorbei wirtschaften, geht nicht mehr. Sie sollen Steuern zahlen wie andere auch. Für die Schweiz ist es kein Verlust, wenn sie gehen.»
Die bonusgetriebene Gier vieler Topmanager und Investoren hat nach Ansicht vieler Schweizer, welche die Erfolglosigkeit der Minder-Initiative nicht verdaut haben, zu überbordenden Regulierungs- und Compliance-Vorschriften geführt, wovon in erster Linie die Anwälte leben. Die normale Geschäftstätigkeit werde damit behindert.
Nicht nur die Handelskonzerne von Glencore bis Trafigura werden aus sozialer Sicht zu oft fragwürdigen Geschäften gezwungen. Die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse sehen sich, weil es um grosse Mandate geht, zur Finanzierung von Projekten veranlasst, die der Natur und den Menschen oft grossen Schaden zufügen. Syngenta (Chemie), Barry Callebaut (Schokolade), die Goldschmelzen im Tessin und der Westschweiz sitzen mit vielen anderen im gleichen Boot.
Alte Fundamente werden brüchig
Ob die économiesuisse, der Dachverband der grösseren Schweizer Firmen, oder Swissholdings, der nur 59 Mitglieder zählende Spitzenverband der multinationalen Firmen, begriffen haben, wie tief der Riss zwischen der A-Schweiz der Konzerne und der B-Schweiz der mittelgrossen und Kleinfirmen geworden ist?
Wer die typischen Topmanager der Schweizer Wirtschaft beobachtet, Christoph Franz, der VR-Präsident von Roche, Ulf Schneider, der CEO von Nestlé, oder Axel Weber, der VR-Präsident des UBS-Konzerns, alles Deutsche mit globaler Perspektive, muss daran zweifeln. Sie haben derlei innenpolitisches Risikomanagement offensichtlich an untere Funktionen delegiert und es versäumt, rechtzeitig ein politisch-soziales Fundament als Grundlage ihrer Tätigkeit in der Schweiz zu legen. Die alten Fundamente sind brüchig geworden.
Konzernchefs müssen antreten
Der Walliser CVP-Ständerat Beat Rieder hat einen Gegenvorschlag vorgelegt, der EU-weit abgestimmt ist. Dieser Damm gegen den grossen stillen Ärger, der im Schweizer Volk schwelt, muss halten, soll das Land keinen Schaden nehmen.
Es sind aber die Konzernchefs selber, die antreten müssen, um die Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Unternehmen zu widerlegen.
Klaus J. Stöhlker
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