Publiziert am: 08.09.2017

Ausbau statt dringend nötige Sanierung: Es gibt zahlreiche Gründe für ein Nein!

AHV-REFORM – Am 24. September wird den Stimmberechtigten eine Vorlage vorgelegt, die nur dem Schein nach eine Reform ist. Erforderlich gewesen wäre eine Sanierung unseres wichtigsten Sozialwerks. Herausgekommen ist eine Scheinreform, die keines der dringenden Probleme der Altersvorsorge löst und stattdessen eine Reihe von Verlierern hinterlässt. Ein überzeugtes Nein ist daher die richtige Antwort. Nur so kann eine echte Sanierung gelingen.

Enorm teuren Sozialausbau verhindern

«Die Altersreform sollte eigentlich unsere Altersvorsorge finanziell wieder ins Lot bringen und nachhaltig ­sichern. Das Ziel wird komplett verfehlt», sagt Toni Lenz, Präsident Berner KMU. «Die Sanierungsvorlage ist zu einer AHV-Ausbauvorlage verkommen. Doch nicht nur das. Sie bringt für die AHV-Ausgleichskassen, die Vorsorgeeinrichtungen und für die Unternehmerinnen und Unternehmer einen Berg von administrativem Mehraufwand mit sich. Die ungerechte AHV-Reform ist gerade auch deswegen kontraproduktiv und abzulehnen.»

Immer höhere Lohnbeiträge

Der Handlungsbedarf zur Sanierung der Altersvorsorge ist klar ausgewiesen. Gemäss Botschaft des Bundesrats benötigt die AHV bis 2030 eine Zusatz­finanzierung von 8,3 Milliarden Franken. «Mit den beschlossenen leistungs- und beitragsseitigen Massnahmen kann dieser Finanzierungsbedarf jedoch nur unwesentlich gesenkt werden», sagt Nadja Pieren, Nationalrätin SVP/BE. «Anstelle einer echten Sanierungsvorlage hat das Parlament nun aber eine Ausbauvorlage beschlossen.»

Gemäss Prognosen des Bundesamtes für Sozialversicherungen werden der AHV-Rentenzuschlag von 70 Franken sowie der höhere Ehepaarplafond ­bis im Jahre 2045 Mehrkosten von jährlich 3,2 Milliarden Franken auslösen. Die zusätzlichen 0,3 Lohnprozente, die zur Finanzierung dieses Sozialausbaus eingesetzt werden sollen und die 1,4 Milliarden Franken an Zusatzeinnahmen einbrächten, würde die Mehrausgaben bloss bis 2030 decken. Danach braucht es zusätzliche Mittel zur Finanzierung dieses grosszügigen Sozialausbaus – wobei wohl eine abermalige Erhöhung der Lohnbeiträge im Vordergrund stehen dürfte.

Kaufkraft und Wohlstand sinken

Mit der AHV-Reform wird der Nettolohn der Erwerbstätigen verringert. Höhere Lohnbeiträge an die AHV und höhere Pensionskassenbeiträge werden zur Folge haben, dass spürbar weniger Geld auf unser Lohnkonto überwiesen wird. Doch damit nicht genug. Aufgrund der Mehrwertsteuererhöhungen werden alle Güter teurer. Mit der verschwenderischen Altersreform hätten wir Kaufkraftverluste und Wohlstandseinbussen hinzunehmen.

«AHVplus» – neu verpackt

Mitte-Links hat mit der AHV-Scheinreform im Parlament ein Drei-Gänge-Menü bestellt, will aber nur den ersten Gang bezahlen. So was nennt man auch Zechprellerei. Leidtragende sind unsere Kinder und Enkelkinder, denen ein ungedeckter Check in Milliardenhöhe überlassen wird. Eine solche Politik ist unredlich und unsozial.

Nein zu erneuter Zwängerei

Zur Erinnerung: Am 25. September 2016 sprachen sich die Schweizer Stimmberechtigten mit 59,4 Prozent Nein-Stimmen bei 18 ablehnenden Ständen überaus deutlich gegen die von linker Seite lancierte Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV» aus, welche, dem Giesskannenprinzip folgend, eine zehnprozentige Erhöhung der AHV-Renten verlangt hatte. «Trotz dieses klaren Volksverdikts stösst die Altersvorsorge 2020 in die genau gleiche Richtung», stellt Andreas Schneider, Präsident der Wirtschaftskammer Baselland, fest. Auch hier sollen die 70 Franken Zusatzrente ungeachtet der sozialpolitischen Notwendigkeit und des effektiven Korrekturbedarfs im BVG-Bereich flächendeckend über alle Neurentner ausgeschüttet werden.

De facto hat die Altersvorsorge 2020 zum Ziel, AHVplus nachträglich zu rund einem Drittel umzusetzen. 
Diese Zwängerei gilt es zu verhindern. Die Schweizer Stimmberech­tigten wollen keinen weiteren AHV-Ausbau nach dem Giesskannen­prinzip. Diesen klaren Volkswillen gilt es zu respektieren.

Die Jungen sehen bald uralt aus

«Die AHV-Reform ist keine brauchbare Lösung, sondern ein Pfuschwerk», sagt Basil Hofstetter von den Jungfreisinnigen. «Den Jungen überlässt man ungedeckte Checks in Milliardenhöhe.» Der Grund für den Ärger des Jungpolitikers: Den Jungen werden die grosszügigen Massnahmen vorenthalten. Diese gelten nur für Versicherte, die bei der Inkraftsetzung der Altersreform 45 Jahre alt sind. Mit ihren Pensionskassenbeiträgen werden sie diese Massnahmen aber massgeblich mitfinanzieren müssen.

Die ganz grossen Verlierer

«Die Jungen werden später auch noch viel höhere Beiträge zur Sicherung der AHV leisten müssen», sagt Andri Silberschmidt, Präsident der Jungfreisinnigen. Die vorliegende Scheinreform bestraft die Jungen daher gleich in mehrfacher Hinsicht und macht sie zu den ganz grossen Verlierern dieser Reform.

Junge bloss zum Zahlen gut?

Auch die Young Professionals Association (YPA), ein Netzwerk von jungen Unternehmern, Führungs- und Fachkräften, die sich branchenübergreifend in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft einsetzen, stemmt sich mit Überzeugung gegen die AHV-Reform. «Wir vertreten die Interessen der zahlenden, aber politisch vergessenen Generation zwischen 25 und 45 Jahren», sagt der ICT-Manager und YPA-Präsident Bobby Leu.

«Viele von uns sind hundertprozentig durch ihre Arbeit, Ausbildung und Familienplanung absorbiert», ergänzt die Finanzanalystin und YPA-Vizepräsidentin Viviana Ehrenzeller. «Dadurch kommt die politische Interessenvertretung zu kurz.» Sollte diese «höchst unverantwortliche» AHV-Reform durchkommen, «dann wird es unsere Generation sein, die den Preis dafür bezahlt. Das müssen wir mit aller Kraft verhindern.»

Es sei wichtig, so Ehrenzeller, dass alle Generationen einen «fairen Beitrag» leisteten und nicht nur die jüngeren Berufstätigen.

Sozialhilfekosten steigen

Die Kompensationsmassnahmen in der beruflichen Vorsorge werden Versicherte im Niedriglohnbereich besonders hart treffen. Ein krasses Beispiel ist etwa eine alleinerziehende 40-jährige Mutter, die ein Einkommen von 30 000 Franken erzielt. Gegenüber heute müsste sie mit der Altersreform zusätzlich 778.75 Franken an den Fiskus und an ihre Pensionskasse abliefern, was 2,6 Prozent ihres Bruttolohnes ausmacht. Da auch ihr Arbeitgeber massiv zur Kasse gebeten würde, darf sie nicht damit rechnen, diese Einbusse in absehbarer Zeit auch nur annähernd über einen steigenden Lohn auffangen zu können. Es ist anzunehmen, dass die betreffende Mutter angesichts ihres tiefen Lohns bereits heute auf Sozialhilfe angewiesen ist.

«Eine gefährliche Rechnung»

«Jene Versicherten, die dringend auf jeden einzelnen Franken angewiesen wären, müssten damit prozentual die grössten Einbussen hinnehmen», stellt der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder fest. Ergänzungsleistungen belasteten die Budgets von Kantonen und Gemeinden immer stärker. Viele Kantons- und Gemeindevertreter hofften, diese Kosten mit der AHV-Revision vermehrt in Richtung Sozial­ver­sicherung abschieben zu können. «Als ehemaliger Regierungsrat und Gesund­heits­direktor des Kantons Zug warne ich vor dieser falschen, ja gefährlichen Rechnung.»

TieflohnbezĂĽger werden leiden

Auch Georg Staub, Präsident von swissstaffing, dem Verband der Schweizer Personaldienstleister, warnt vor einer Verteuerung der Arbeit: «Da niedrige Löhne in Branchen anzutreffen sind, die mit sehr geringen Margen kalkulieren müssen, wird der Arbeitgeber die Zusatzkosten kaum ohne Weiteres selber tragen können. Leidtragende sind die Arbeitnehmenden.»

Falsche Versprechungen

Bewusst oder unbewusst wird in der Debatte um die AHV-Reform der Eindruck vermittelt, dass die sogenannte Übergangsgeneration (Jahrgänge 1954 bis 1973) aufgrund der vor­geschlagenen Sondermassnahmen von Einbussen verschont werde, zu denen es aufgrund der Senkung des Mindest­um­wandlungs­satzes kommt. Das trifft nicht zu. Die Massnahmen zugunsten der Übergangsgeneration kommen ausschliesslich den Versicherten zugute, deren Altersrente vollumfänglich im Bereich des BVG-Minimums liegt. Und das ist bloss eine Minderheit der Versicherten; gemäss der Botschaft des Bundesrats sind es weniger als 20 Prozent.

Frauenopfer sofort verprasst

Mit der AHV-Reform soll das Frauenrentenalter erhöht werden. Angesichts der deutlich höheren Lebenserwartung der Frauen ist dieser Schritt, der die AHV-Finanzen immerhin um 1,32 Milliarden Franken entlastet – 1,21 Milliarden Franken aufgrund geringer Ausgaben, 0,11 Milliarden Franken aufgrund höherer Einnahmen – tatsächlich fällig. Aus Sicht der Frauen stellt er gleichwohl ein Opfer dar. Dieses Opfer wäre dann leichter zu ertragen, wenn das Geld für die nachhaltige Sanierung unseres wichtigsten Sozialwerks eingesetzt würde. Doch dies ist nicht der Fall. Statt die AHV nachhaltig zu sanieren, werden die Ersparnisse von gut 1,3 Milliarden Franken eingesetzt, um die AHV nach dem Giesskannenprinzip auszubauen (Mehrkosten von 1,37 Milliarden Franken bis 2030). «So macht das Opfer der 
Frauen wahrlich wenig Sinn», sagt 
Doris Fiala, Nationalrätin FDP/ZH und Präsidentin der FDP Frauen.

EL-BezĂĽger benachteiligt

Auch die Bezüger von Ergänzungsleistungsleistungen kommen mit der AHV-Reform schlecht weg. Sie riskieren den Verlust von Vergünstigungen. So können sie sich heute von der Abgabe für Radio und Fernsehen befreien lassen. Sie haben zudem Anspruch darauf, dass ihnen die Kranken­kassen­prämien entschädigt werden (zumindest in der Höhe der kantonalen oder regionalen Durchschnittsprämie). Die 70 Franken Zusatzrente werden bei Ver­sicherten zur Folge haben, dass ihr Gesamteinkommen just jene Schwelle 
überschreitet, die Anspruche auf ­Ergänzungsleistungen und damit 
auf Vergünstigungen gibt. Auch sie gehören damit zu den Verlierern der Altersreform.

Sollen Arme nur noch zahlen?

Dazu sagt Marco Chiesa, seit 12 Jahren Leiter eines Altersheims in Grono im italienischsprachigen Teil des Kantons Graubünden: «Ich kann nicht verstehen, wie wir unseren Rentnerinnen und Rentnern respektvoll begegnen und gleichzeitig eine Reform für die Altersvorsorge beschliessen sollen, bei der diese Menschen nur zahlen, selber aber keinen Rappen erhalten sollen.»

Zweitklass-Rentner verlieren

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erhalten bisherige Rentner keinen Teuerungsausgleich auf ihre Renten aus der 2. Säule, weil sich die Pensionskassen das gar nicht leisten können. Auch bei der AHV wird die Teuerung nur bedingt ausgeglichen. Dem Willen der Politik folgend, müssen bisherige Rentner auf den AHV-Zuschlag von 70 Franken und auf den höheren Ehepaarplafond verzichten. Dafür müssen sie aber höhere Mehrwertsteuern bezahlen. «Während man Versicherten der Übergangs­generation grosszügige Geschenke macht, gehören die bisherigen Rentner klar zu den Verlierern der Reform», sagt Toni Bortoluzzi, alt Nationalrat SVP/ZH. «Sie erhalten nichts, müssen aber höhere Konsumsteuern bezahlen – und werden so zu Zweitklass-Rentnern.»

Rentnerfreibetrag gestrichen

Was den früheren Schreinermeister weiter ärgert: Wer über das Rentenalter hinaus erwerbstätig ist, muss für die ersten 16 800 Franken ­Erwerbseinkommen heute keine AHV-Beiträge mehr bezahlen. Dieser Freibetrag ist für viele Rentner ein wichtiger Anreiz, um über das Pensionierungsalter hinaus zumindest in einem Teilzeitpensum weiter erwerbstätig zu bleiben. Davon profitieren sowohl die betroffenen Rentner, die Betriebe, die Wirtschaft als auch der Staat (höhere Steuereinnahmen, tiefere Ausgaben für Ergänzungsleistungen). Mit der Altersvorsorge 2020 würde dieser Freibetrag nun aber gestrichen. Ein wichtiger Anreiz zum längeren Verbleib im Erwerbsleben ginge verloren. Die betroffenen Rentner hätten Ende Monat weniger Geld im Sack. Den Betrieben droht ein Know-how-Verlust. Stark betroffenen davon wären insbesondere auch die Land­wirt­schaft und das Kleingewerbe, wo es üblich ist, dass der frühere Betriebs­inhaber seinen Nachfolger über das Pensionierungsalter hinaus in beschränktem Umfang als er­fahrene Fachkraft zur Seite steht.

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