Publiziert am: 24.03.2017

Bleibt Status quo ewig zementiert?

SERVICE PUBLIC – Der Nationalrat debattierte in der Frühjahrssession den Service-public-Bericht des Bundesrates. Aus Sicht des sgv ist der Bericht eine Enttäuschung.

Der Nationalrat debattierte in der Frühjahrssession den Service public-Bericht des Bundesrates. Im Vorfeld der Abstimmung über die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes und die neue Mediensteuer hat die Verkehrskommission des Ständerates den Bundesrat beauftragt, «die durch Gebühren bzw. künftig durch Steuern finanzierten Service-public-Leistungen der SRG unter Berücksichtigung der Stellung und Funktion privater Rundfunkanbieter zu überprüfen und darzustellen». Zur Beantwortung dieses Postulats hat der Bundesrat den Service public-Bericht erstellt, der vom Ständerat in der Wintersession 2016 beraten worden ist.

Ein enttäuschender Bericht

Aus Sicht des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv ist der Service public-Bericht eine Enttäuschung. Anstatt eine Grundlage für eine fundierte Debatte über den Umfang des Service public zu liefern, versucht der Bundesrat, mit dem Bericht den Status quo und das Milliardenbudget der SRG zu zementieren. Die Debatte soll möglichst verwässert und zahnlos geführt werden. Dabei ist die Diskussion über den Service public der SRG dringend nötig.

Die Stimmbevölkerung hat Bundesrat und SRG am 14. Juni 2015 mit der historisch knappen Abstimmung 
über die neue Billag-Mediensteuer einen klaren Auftrag erteilt: Es braucht eine breite öffentliche Diskussion über Inhalt und Umfang des Service public der SRG. Und die SRG als Organisation hat bezüglich Trans-
parenz und Organisationsstruktur dringenden Reformbedarf.

Als wäre nie etwas gewesen

Der Service-public-Bericht kommt daher, als hätte die Debatte vor und nach der Abstimmung vom Juni 2015 gar nie stattgefunden. Der Bundes-rat hält an den jährlich 1,3 Milliarden Franken Steuergeldern für die SRG fest. Dass nur eine Auseinander-
setzung über das Budget und die 
damit möglichen Leistungen eine echte Diskussion ermöglicht, wird ignoriert.

Der Bericht ist einseitig und klammert die wichtigsten Fragestellungen aus. Dabei geht der Trend immer mehr in Richtung einer noch stärkeren SRG. Die SRG wird mit ihrer staatlich geschaffenen Marktmacht, die durch das angestrebte Joint Venture mit Swisscom und Ringier noch verstärkt wird, zu einer echten Bedrohung für die Medienvielfalt in der Schweiz. Statt sich kritisch mit dieser für unsere direkte Demokratie entscheidenden Frage auseinanderzusetzen, akzeptiert der Bundesrat, dass die SRG künftig auch im Online-Bereich ihre Aktivitäten ausbauen kann.

«Plädoyer für Status quo»

Nachdem die Debatte im Ständerat in der Wintersession 2016 ohne 
Emotionen verlief, sind zumindest im Nationalrat etwas kritischere 
Töne angeschlagen worden. So sagt etwa der Berner glp-Nationalrat 
Jürg Grossen: «Die Berichte des Bundes­rates haben klar aufgezeigt: Es bestehen Wettbewerbsverzerrungen in den Bereichen Unterhaltung und Sport, und die jungen Leute wer
den von der SRG zu wenig erreicht. Trotzdem ist das Fazit der Berichte vor allem ein Plädoyer für den Status quo, das ist unverständlich.» Eine echte und erkennbare Zukunftsstrategie mit Fokus digitale Medienwelt und mehr Wettbewerb mit gleich langen Spiessen für die Privaten habe der Bundesrat nicht, so Grossen. 
«Es besteht also Handlungs­bedarf – deshalb muss die Diskussion über den medialen Service public weitergeführt werden.»

Für den Zürcher SVP-Nationalrat 
Gregor Rutz hat die Service public-Debatte eben erst begonnen. «Klar ist: Die SRG soll nicht alles, was 
Private machen, parallel auch anbieten. Nun ist der Grundversorgungsauftrag neu zu definieren und an die heutige Zeit anzupassen. Gleichzeitig müssen die Gebühren gesenkt werden. Verweigert das Parlament diese Arbeit, steigen die Chancen der No-Billag-Initiative.»

Wieviel im Internet?

Auf wesentliche Forderungen geht der Bericht also nicht ein. Er zeigt zum Beispiel nicht auf, welche detaillierten Leistungen die politisch 
definierte Grundversorgung für die SRG im Kontext der Digitalisierung und der auf dem freien Markt vorhandenen Anbieter umfasst.

«DIE DEBATTE SOLL 
VERWÄSSERT WERDEN – DABEI WÄRE EINE DISKUSSION DRINGEND.»

Im Gegenteil: ein Vorstoss des Tessiner CVP-Nationalrats Marco Romano, der das Internetangebot der SRG 
auf eine Audio- und Videothek beschränken wollte, ist gescheitert. Auch legte der Bundesrat für diese Diskussion keine entsprechenden Budgetvarianten für die SRG vor, wie das aus dem Parlament gefordert worden ist. Ohne solche Varianten mit ihren entsprechenden Konsequenzen für den Service public kann keine echte Diskussion über den 
Umfang der Leistungen der SRG geführt werden.

Nicht nur im National-, sondern auch im Ständerat werden die stets zunehmenden Online-Aktivitäten der SRG kritisch gesehen. So sagt etwa der Nidwaldner FDP-Ständerat Hans 
Wicki: «Die Medienvielfalt in der Schweiz ist ja heute schon ziemlich stark auf die Ballungszentren beschränkt. Wenn die SRG ihre Aktivitäten im Onlinebereich markant ausdehnt, gefährdet sie Einnahmen für die privaten Medien. Das würde die Medienvielfalt in den Berggebieten und Randregionen der Schweiz markant beeinträchtigen.» Deshalb müsse ein markanter Ausbau der Online Aktivitäten der SRG untersagt werden, so Wicki.

Keine Mitsprache bei Konzession

Der Nationalrat will bei SRG-Konzession jedoch nicht mitreden und hat einen entsprechenden Kommissionsvorstoss mit 99 zu 87 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Die Motion forderte beim Auftrag an die SRG eine geteilte Kompetenz. Das Parlament sollte die Rahmenkonzession genehmigen, der Bundesrat die Details in einer Betriebskonzession regeln. Für dieses vom sgv unterstützte Konzept sprachen sich SVP, FDP und GLP aus. Ihre Fraktionen stimmten aber nicht geschlossen, weshalb es bei der heutigen Regelung bleibt. Der Bundesrat wird auch künftig allein für die Konzession zuständig sein.

Unabhängige Aufsicht

Immerhin ist ein Postulat oppositionslos an den Bundesrat überwiesen worden, das ihn beauftragt, in einem Bericht aufzuzeigen, wie in der Schweiz eine unabhängige Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen geschaffen werden könnte. Zusätzlich soll die Zusammenführung der unabhängigen Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen mit der Aufsicht im Bereich Fernmeldewesen geprüft werden.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass aus der grossen Kammer kritischere Töne angeschlagen werden. Dass diese mittlerweile aus vielen Fraktionen kommen (CVP, FDP, GLP und SVP), lässt immerhin darauf hoffen, dass die Politik bei der SRG künftig etwas kritischer hinschaut.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

Kleine ÜBERSICHT über die grosse Debatte

Was bisher geschah...

In der Frühjahrssession, die am 17. März endete, sind verschiedene Vorstösse und Vorlagen zum Service public von Radio und Fernsehen behandelt worden:

n Der Ständerat debattierte die No-
Billag-Initiative und lehnte sie, ohne sich vertieft über einen Gegenvorschlag auszulassen, ab. Das Geschäft kommt in der Sommersession in den Nationalrat.

n Der Nationalrat debattierte den 
Service-public-Bericht des Bundesrates zu den Medien ohne grosse Emo-
tionen (vgl. Haupttext). Die Mitglieder der grossen Kammer schlugen einen kritischeren Ton an als der Ständerat, der die Service-public-Debatte in der Wintersession 2016 führte.

n Der Nationalrat hat auch beschlossen, bei der SRG-Konzession nicht mit-zureden. Mit 99 zu 87 Stimmen bei 
4 Enthaltungen lehnte er eine Kommissionsmotion ab, die beim Auftrag an die SRG eine geteilte Kompetenz forderte.

n Knapp gescheitert ist auch ein Vorstoss, der das Internetangebot der SRG auf eine Audio- und Videothek 
beschränken wollte.

n Immerhin hat der Bundesrat ein Postulat oppositionslos an den Bundesrat überwiesen, das ihn beauftragt, in einem Bericht aufzuzeigen, wie in der Schweiz eine unabhängige Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen geschaffen werden könnte. Zusätzlich soll die Zusammenführung der unabhängigen Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen mit der Aufsicht im Bereich Fernmeldewesen geprüft werden.Kl

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