Publiziert am: 12.12.2014

Das Brot noch nicht fertig gebacken

ENERGIESTRATEGIE 2050 – Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) kann für KMU zum teuren Problem werden. Noch aber bleiben die «roten Linien» der Mammutvorlage für den sgv zu definieren.

«Wo sind die roten Linien?» Diese Frage wird immer gestellt, wenn die Rede von der Energiestrategie ist. Die Antwort: Das zu bestimmen ist es noch zu früh.

Zugegeben: Einige der bisherigen Entscheidungen sind schlecht ausgefallen. Die Idee etwa, Ziele für die Energieproduktion und den Konsum in einem Gesetz zu verankern, ist gefährlich. Verbindliche Ziele im Gesetz bedeuten, dass der Bundesrat später über den Verordnungsweg seine Kompetenzen ausschöpfen kann. Die Ziele lauten nicht einmal auf das Jahr 2020, sondern auf 2035. Damit nimmt die Vorlage – immerhin «erst» die erste Etappe der Strategie – die zweite schon vorweg.

KEV: Problem fĂĽr KMU

Die Abgabe auf den Strom für die Finanzierung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) soll neu maximal 2,3 Rappen pro Kilowattstunde betragen. Das wäre ein Sprung von fast 110 Prozent im Vergleich zu heute (1,1 Rp./kWh). Auch werden die Subventionen der KEV auf grössere Wasserkraftwerke ausgedehnt. Die Verteuerung der KEV ist für viele KMU ein Problem, weil sie – anders als stromintensive Grossunternehmen – sich nicht von der Abgabe befreien können. Der Befreiungsmechanismus, der alles andere als unbürokratisch ist, steht nur wenigen «stromintensiven» Unternehmen zur Verfügung. Einige mögen nun einwenden, dass KMU die Erhöhung kaum zu spüren bekommen werden. Dem ist nicht so: Ein 4-Sterne-Hotel mit 40 Zimmern in einer Bergregion bezahlte noch im Jahr 2013 ca. 1700 Franken Netzentgelt an die KEV. Heute sind es um die 5000 Franken. Falls der Entscheid des Nationalrates Bestand hat, werden es neu um die 9000 Franken sein. Für ein Kongresshotel im Raum Zürich fällt die Rechnung noch krasser aus: Von ca. 10 000 Franken stieg sie auf rund 30 000 Franken. Nach dem Nationalratsentscheid können es sogar 55 000 Franken sein. Durch die KEV entstehen aber auch andere Probleme. Sie verursacht Marktzverzerrungen und – wie jede Subvention – Produktivitätsverluste. Über die KEV werden auch veraltete Anlagen und teils nicht effiziente Technologien gefördert. Weil die Förderung über einen langen Zeitraum läuft, verringert sie auch die Innovationskraft.

Nicht alle Hoffnung verloren

Bedeutet das nun, die «rote Linie» sei bereits überschritten? Nicht unbedingt. Noch bleibt Hoffnung. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv setzt auf eine gewisse Flexibilität der Räte. Vor allem aber setzt der sgv auf die Effizienzmassnahmen. Im Gebäudepark liegt das grösste Energiesparpotenzial der Schweiz. Und bei den Effizienzmassnahmen gibt es eine Mehrheit, die reale Chancen hat.

Investitionen in die energetische Sanierung von Gebäuden und Ersatzneubauten sollen neu auf vier Jahre verteilt steuerlich absetzbar sein. Das ist ordnungspolitisch korrekt und kann im Gebäudebereich eine Dynamik auslösen. Und: Nach der nationalrätlichen Debatte ist der Ständerat an der Reihe. Im Jahr 2015 nimmt die kleine Kammer das Heft in die Hand. Die schlimmsten Probleme können so noch korrigiert werden. Also bleiben noch genug Möglichkeiten, die Energiestrategie 2050 positiv zu beeinflussen. Und trotzdem bleibt die Frage: Gibt es rote Linien? Sie wird es sicher geben. Doch zunächst muss an der Vorlage konstruktiv mitgearbeitet werden. Erst wenn das Brot fertig gebacken ist, kann man beurteilen, wie es schmeckt.

Henrique Schneider, Ressortleiter sgv

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