Publiziert am: 09.05.2014

Der Sozialminister stellt auf stur

REFORM ALTERSVORSORGE 2020 – Bundesrat Alain Bersets Vorschläge zur Reform der Altersvorsorge sind in der Vernehmlassung klar durchgefallen. Leider scheint dies den Sozialminister nicht gross zu kümmern.

Gefallen an der Vernehmlassungsvorlage zur Reform der Altersvorsorge, die bei sehr bescheidenen Nettoeinsparungen massive Mehreinnahmen von bis zu 12 Milliarden Franken vorsieht, fand praktisch ausschliesslich die CVP, die scheinbar als Steigbügelhalterin für massiv höhere Mehrwertsteuersätze sowie für steigende Lohnabzüge dienen will. Dem bürgerlichen Lager und der Wirtschaft ist die Vorlage zu teuer und zu einseitig. Die Linke und die Gewerkschaften wollen krampfhaft an unnötigem Luxus wie einem tieferen Frauenrentenalter oder Renten für kinderlose Witwen festhalten und pochen trotz düsteren Finanzierungsperspektiven auf einen Ausbau der ersten Säule. Hinter vorgehaltener Hand erfährt man, dass aber auch ihnen die Reform zu teuer ist, müsste doch ihre Klientel in Form höherer Konsumabgaben sowie massiv höheren Lohnabzügen im Tieflohnbereich besonders stark bluten.

Weil nicht sein kann, 
was nicht sein darf

In einem «Blick»-Interview von Anfang April betonte Bundesrat Berset, dass die definitive Vorlage «ausgewogen» sein müsse. Diese Aussage sollte eigentlich Anlass zu Hoffnung geben. Nachdem der Vernehmlassungsentwurf völlig einseitig auf Mehreinnahmen ausgerichtet war, sollte man hoffen dürfen, dass unter einer ausgewogenen Vorlage ein Reformpaket zu verstehen ist, das bei allen Stellschrauben ansetzt und damit auch eine generelle Rentenaltererhöhung beinhaltet.

«DIE SP-KLIENTEL
MÜSSTE BESONDERS STARK BLUTEN.»

Leider ist dem aber nicht so, bezeichnet doch Bundesrat Berset im gleichen Interview ein höheres Renten­alter für alle als unrealistisch. Ganz offensichtlich kann nicht sein, was aus sozialdemokratischer Sicht nicht sein darf. Dabei hat die Wirtschaft bereits in mehrfacher Hinsicht bewiesen, dass sie in der Lage ist, das Gros der älteren Arbeitnehmenden zu beschäftigen. Das Rentenalter der Frauen konnte um zwei Jahre erhöht werden, ohne dass die Arbeitslosigkeit bei den betroffenen Arbeitnehmerinnen angestiegen wäre. Das durchschnittliche Rücktrittsalter ist seit langer Zeit kontinuierlich am Steigen. Bereits heute arbeitet jeder vierte Erwerbstätige über das ordentliche Rentenalter hinaus. Die Arbeitslosenquote der Über-60-Jährigen liegt unter dem Gesamtdurchschnitt, die Erwerbsquote der Über-55-Jährigen ist im internationalen Vergleich ausgesprochen hoch. Kommt hinzu, dass aufgrund des demographischen Wandels – und nicht zuletzt auch aufgrund der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative – ältere Arbeitnehmende immer gefragter werden.

Die Haltung von Bundesrat Berset erinnert an jene der SP und der Gewerkschaften zum sogenannten «Lehrstellenmangel». Auch dort wurde während langer Zeit hartnäckig behauptet, dass es ohne stärkere staatliche Eingriffe nicht möglich sei, allen Jugendlichen eine Berufslehre zu ermöglichen. Wie bereits damals vom Schweizerischen Gewerbeverband sgv prognostiziert, wird heute heftig um Lehrlinge gekämpft.

Scheitern wäre vorprogrammiert

«Es geht nie ohne das Volk! Und das ist gut so!» Zumindest dieser Aussage von Bundesrat Berset im genannten Interview kann sich der sgv vorbehaltlos anschliessen. Denn wir sind überzeugt davon, dass spätestens die Stimmberechtigten den Bundesrat zurückpfeifen werden, sofern dieser weiterhin praktisch ausschliesslich auf die Karte Mehreinnahmen setzt. Genau dies tat der Souverän vor ziemlich genau zehn Jahren bereits einmal, indem er eine Vorlage für eine markante Mehrwertsteuererhöhung zugunsten der AHV und der IV mit 69 Prozent Nein-Stimmen bachab schickte. Ohne generelle Anpassungen beim Rentenalter wird jede Sanierung der Altersreform masslos teuer. Ein Scheitern wäre vorprogrammiert. Hoffentlich merkt das auch Bundesrat Berset noch irgendwann – am besten rechtzeitig.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

Meist Gelesen