Publiziert am: 07.09.2018

Die Stunde des Gewerbes

INNOVATION – «Viele Konzerne schwächeln», beobachtet Klaus J. Stöhlker*. Dank 
Innovationskraft und Agilität jagen lokale Marken internationalen Grossfirmen Marktanteile 
ab. «KMU müssen ihre Chancen erkennen – und sich dauerhaft verankern.»

Warum bewegt sich vieles in unserem Land so langsam vorwärts? Es gibt einen einfachen Grund: Viele KMU und Gewerbebetriebe bekommen gar nicht mit, wie schnell sich die Wirtschaft, z. B. in Israel und Russland, verändert. Aus beiden Ländern zurück, kann ich nur feststellen: Dort herrscht eine gewaltige Aufbruchsstimmung, gerade bei den kleinen Firmen, die bei uns nicht bemerkt wird.

Hin zu lokalen Marken

Niemand hat bei uns darüber berichtet, dass in den USA die grossen globalen Marken drei Prozent ihres Marktanteils an kleine Marken verloren haben. Es waren die Millenials, die bei ihren Einkäufen 22 Milliarden Dollar verschoben haben an lokale Marken. Darunter haben Firmen wie Nestlé und Unilever gelitten.

«das geheimnis der kleinen ist nicht ihre geringe grösse, sondern ihre grosse innovationskraft.»

Gerade Schweizer KMU- und Gewerbebetriebe mit ihren Spitzenmarken haben jetzt eine riesige Chance. Das Vertrauen in die Produkte der grossen Konzerne hat nachgelassen. Wenn frĂĽher Marken mit viel Prestige als gut galten, sind es heute regionale Marken, die vorgezogen werden. Ich merke es an meinem eigenen Einkaufsverhalten. Ich kaufe beim lokalen Metzger ein, lasse Eier direkt vom Landwirt liefern und trinke grossartige Weine von Schweizer Winzern.

Grosse unter Druck

Die grossen Hersteller stehen unter dem E-Commerce-Preisdruck. Aldi und Lidl machen Migros und Coop zu schaffen. Die grossen Hersteller sparen deshalb an allen Ecken und Enden – zu Lasten von Agilität und Neuheiten, die wir von den kleinen Lieferanten beziehen.

Das ist die Stunde des Gewerbes. Das Geheimnis der Kleinen ist nicht die Grösse, sondern die Innovationskraft und das Unternehmertum. Die Barrieren in den Markteintritt sind gesunken, weil heute jedermann online starten kann und keinen eigenen Laden eröffnen muss. Fertigung und Vertrieb sind einfacher geworden.

Die neuen Anbieter mit den kleinen Marken sind Teil des Marktes, der sich auch in der Schweiz derzeit am besten entwickelt. Sie haben nur ein Risiko: Gelingt es den Gründernaturen, sich mit ihren Kindern dauerhaft in den Märkten zu verankern? Mein Metzger hat es geschafft. Mein Eier- und Gemüsehändler hat es auch geschafft.

Mein Autohändler hat es nicht geschafft, weil der liefernde Konzern zu hohe Ansprüche stellte. Er musste an einen Schweizer Grosshändler verkaufen.

Nie bessere Chancen

Nie waren die Chancen besser für junge Unternehmerinnen und Unternehmer, sich in regionalen Märkten zu verankern. Sie müssen ihre Chance erkennen, denn viele Konzerne sind schwach geworden. Es gelingt ihnen nicht mehr, die Märkte zu durchdringen.

*Klaus J. Stöhlker ist Unternehmens­berater für Öffentlichkeitsbildung in ­Zollikon ZH

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