Publiziert am: 20.01.2017

Die Vertragsfreiheit stärken

REVISION DES AUFTRAGSRECHTS – Der Schweizerische Gewerbeverband sgv unterstützt 
die ­Revision von OR 404 aus grundsätzlichen Überlegungen.

Der Auftrag (Art. 394 ff. OR) ist die allgemeinste Form eines Dienstleistungsvertrags. Durch ihn verpflichtet sich der Beauftragte, die ihm übertragenen Geschäfte oder Dienste vertragsgemäss zu besorgen. Dabei kann der Auftrag entgeltlich oder unentgeltlich sein und jedes Tun, seien es Tat- oder Rechtshandlungen, zum Gegenstand haben. Er kann sowohl die Ausführung einer einmaligen Tätigkeit umfassen oder aber als Dauerauftrag ausgestaltet sein und ist inhaltlich oft unbestimmt. Einmalige Dienstleistungen von Privatpersonen, Kleinunternehmen und selbstständig Erwerbstätigen unterstehen ebenso dem Auftragsrecht wie langjährige Vertragsbeziehungen mit komplexen Inhalten zwischen international tätigen Grossunternehmen.

Umstrittenes Beendigungsrecht

Artikel 404 OR sieht für Auftragsverhältnisse ein jederzeitiges Beendigungsrecht vor, das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zwingendes Recht darstellt. Damit kann es weder vertraglich wegbedungen noch eingeschränkt werden. Vertragsparteien können weder einen dauerhaften Auftrag abschliessen noch eine Konventionalstrafe vereinbaren, welche einen allfälligen entgangenen Gewinn ausgleichen würde. Dies kann zu erheblichen Unsicherheiten führen, etwa wenn die Realisierung eines komplexen Informatikprojekts oder Bauwerks ansteht.

Heute kann ein Auftragsverhältnis jederzeit aufgelöst werden. Erfolgt dies jedoch zur Unzeit, also dann, wenn die eine Partei den Auftrag ohne sachlich vertretbaren oder wichtigen Grund beendigt und durch die Beendigung der anderen Partei besondere Nachteile verursacht, wird die beendigende Partei schadenersatzpflichtig.

Ein sachlich vertretbarer oder wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn die Gegenseite Anlass zur Vertragsauflösung gegeben hat. Der Schadenersatz umfasst den Schaden, den die Gegenpartei durch die Auflösung des Auftrags zur Unzeit erlitten hat. Das Entstehen «besonderer Nachteile» muss bewiesen werden.

Abweichende Vereinbarungen 
ermöglichen

Der Bundesrat schlägt im Vernehmlassungsentwurf vor, dass die Vertragsparteien künftig auch von Artikel 404 OR abweichende Verein­barungen treffen und damit das ­jederzeitige Beendigungsrecht einvernehmlich wegbedingen oder einschränken können. So werden in gegenseitig übereinstimmendem Willen stärkere vertragliche Bindungen möglich. Dies soll aber nicht zu Lasten einer schwächeren Vertragspartei ausgenutzt werden 
können. Eine Beschränkung des jederzeitigen Beendigungsrechts in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) soll stets ungültig sein.

Beurteilung aus gewerb­licher Sicht

Aus gewerblicher Sicht kann dieser Vorschlag von verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Stellt man den Schutz einer kleineren Vertragspartei gegenüber der grossen in den Vordergrund, kann die neue Regelung Abhängigkeiten im Auftragsverhältnis schaffen. Allerdings existiert Vertragsfreiheit und niemand ist verpflichtet, einen Vertrag zu seinen Ungunsten abzu­schliessen. Anderseits schafft die Revision von OR 404 auch Rechtssicherheit. Sie gibt den Vertragsparteien die Möglichkeit, die Beendigung des Auftragsverhältnisses und deren Rechtsfolgen frei zu vereinbaren.

Stabilität schaffen

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv unterstützt die Revision aus grundsätzlichen Überlegungen. Die Vertragsfreiheit wird gestärkt. Zudem wird dem Auftrag eine gewisse Stabilität verliehen, wenn seine zeitliche Dauer festgelegt werden kann. Praxisbeispiele sind etwa die Verwaltung einer Immobilie, die Umsetzung eines komplexen Informatikprojektes, Management- und Beratungsverträge oder Forschungs- und Entwicklungsverträge. Die Parteien tätigen bei solchen Vertragsverhältnissen grosse Investitionen und haben ein Interesse an einer verbindlichen, grundsätzlich unkündbaren Vertragsdauer. Auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die heute gültige Regel eine Besonderheit, die durchaus ausländische Investoren abhalten könnte, sich in der Schweiz zu engagieren. Vertragsfreiheit und Rechtssicherheit sind wichtige Güter einer liberalen Wirtschaftsordnung. Schliessen Vertragsparteien einen Auftrag ab, so sollten sie einerseits die Freiheit haben, vertraglich die Befugnis des Beauftragten zur Auflösung des Auftrags einschränken zu können. Andererseits sollten sie in rechtsgültiger Form auf ihr Recht, vom Auftrag zurückzutreten, verzichten können. Eine solche Regelung würde es den Vertragsparteien auch erlauben, die Dauer ihres Vertragsverhältnisses zu planen und Unsicherheiten zu begrenzen.

Dieter Kläy, Ressortleiter

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