Publiziert am: 04.10.2019

«Doch das war 2009…»

JAPAN/VIETNAM – sgv-Präsident und Nationalrat Jean-François Rime (SVP/FR) besuchte mit einer Delegation von Bundesrat Guy Parmelin Japan und Vietnam. Die Voraussetzungen in den beiden asiatischen Ländern sind sehr verschieden.

«Wettbewerb ist gut. Aber er ist auch anstrengend.» Toshiyuki Suzuki, Ökonom an der MUFG Bank in Tokyo, bringt es auf den Punkt: «Man muss nämlich immer am Ball bleiben. Natürlich war das Freihandels- und wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen (FHWPA) Schweiz-Japan grossartig als es in Kraft trat. Doch das war im Jahr 2009. Seitdem haben sich sowohl die Schweiz als auch Japan entwickelt. Ebenso haben sich die Wettbewerber der Schweiz, namentlich die Europäische Union (EU), verändert.»

Die EU ist auch aufgewacht. Seit dem 1. Februar 2019 unterhält auch sie ein Freihandelsabkommen mit Japan. Es ist viel moderner als das schweizerische und geht viel weiter in der Handelsliberalisierung. EU-Exporteure von Wein, fleischhaltigen Produkten, Süssigkeiten und anderen Lebensmitteln werden künftig von günstigeren Zöllen und einfacheren Zoll- und Zertifizierungsverfahren profitieren. Schweizer haben diese Vereinfachungen nicht.

«Damit droht, dass Schweizer Produzenten von der EU-Konkurrenz verdrängt werden», sagt sgv-Präsident und Nationalrat Jean-François Rime (SVP/FR), der eine Wirtschafts- und Wissenschaftsmission von Bundesrat Guy Parmelin nach Japan und Vietnam begleitet hat. «Der japanische Markt ist gerade für landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel interessant.» Es ist ein Fakt, dass Japan Hunger nach westlichen Lebensmitteln hat. Das Land der aufgehenden Sonne ist der weltweit grösste Käseimporteur.

Diese Zahlen beeindrucken nicht

Auch in anderen Sektoren ist der EU-Japan-Vertrag vorteilhaft. Beide haben sogar im öffentlichen Beschaffungswesen Liberalisierungen vereinbart. «Unternehmen aus der EU werden in Zukunft bei japanischen Bahn-, Spital-, und Raumplanungsprojekten mitbieten dürfen», sagt Rime. «Schweizer Firmen haben diesen Zugang nicht.» Entwarnung gibt es vorerst nur für die Industrie. Auf Industriegüter sind Zölle zwischen Japan und der Schweiz bereits jetzt weitgehend abgeschafft.

Japan ist der sechstgrösste Handelspartner der Schweiz und einer der wichtigsten in Asien überhaupt. Doch die Zahlen vermögen nicht wirklich zu beeindrucken. Im Jahr 2017 – das sind die neuesten Angaben – wurden insgesamt Güter im Wert von fast 13,5 Milliarden Franken gehandelt. Bei beinahe 7,5 Milliarden Franken Exporten nach Japan und etwa 6 Milliarden Importen ist der Handelssaldo um circa 1,5 Milliarden Franken positiv. Allerdings ist auffallend, dass sich die Zahlen über die letzten Jahre nicht gross verändern (vergleiche Grafik). Selbst das aussergewöhnliche Jahr 2017 geht auf Wertschwankungen bei den Edelmetallen zurück.

Skeptisch muss man feststellen: Die Zahlen haben sich seit 2009, dem Abschluss der FHWPA, nicht gross verändert. Der Ökonom an der MUFG Bank in Tokyo, Toshiyuki Suzuki, gibt deshalb unumwunden zu: «Mit den Resultaten des Freihandelsabkommens kann man heute nicht zufrieden sein. Die Zahlen müssten viel höher ausfallen oder zumindest ansteigend sein. Eine Anpassung des Abkommens muss her. Weitere Zölle müssen gesenkt werden. Und vor allem müssen die Regelungen zu den Lebensmitteln und den Dienstleistungen angepasst werden.»

Die Botschaft ist sowohl in Bern als auch in Tokyo angekommen.

Vietnam: Starkes Wachstum

Ganz anders als in Japan sieht die Ausgangslage im Südosten Asiens aus: Seit 2012 laufen Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und Vietnam. «Vietnam ist ein Schwerpunktland der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung», sagt Rime als Fazit zur Reise mit Wirtschaftsminister Guy Parmelin und stellt fest: «Für viele gilt Vietnam als der nächste grosse Wachstumsmarkt in Asien.»

Vietnam verzeichnete 2018 mit 7,08 Prozent das höchste Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) des Jahrzehnts. Der Wachstumsdurchschnitt der letzten zehn Jahre betrug 6 Prozent pro Jahr. Für das Jahr 2019 wird mit einem ähnlichen Trend gerechnet. Dieses Ergebnis ist teilweise auf Produktionsverlagerungen aus China zurückzuführen. Die Wirtschaft ist stark exportorientiert und nützt die Freiräume, die entstehen, weil sich China zunehmend von der Produktion billiger Güter verabschiedet. Vietnam bindet sich dank Freihandelsabkommen zunehmend in die Weltwirtschaft ein.

Das Handelsvolumen Schweiz-Vietnam betrug 2018 rund 2,1 Milliarden Franken. Damit ist Vietnam innerhalb der ASEAN der viertwichtigste Handelspartner der Schweiz. Die Exporte der Schweiz nach Vietnam betragen etwa 665 Millionen Franken. Die wichtigsten Exportgüter sind pharmazeutische Erzeugnisse und Maschinen (meistens Zwischenprodukte, welche in Vietnam weiterverarbeitet werden). Um ein Gesamtbild der Schweizer Handelsbeziehungen mit Vietnam zu gewinnen, muss auch die Tatsache betrachtet werden, wonach die Exporte anderer Länder der Region nach Vietnam auch Schweizer Produkte beinhalten (u. a. Textilmaschinen).

Henrique Schneider,Stv. Direktor sgv

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