Publiziert am: 24.02.2017

«Duales System» mit SRG light

MEDIENLANDSCHAFT SCHWEIZ – Es gibt simple Gründe, weshalb Qualitäts­journalismus in der Schweiz immer schwerer zu finan­zieren ist. Ein Mittel gegen dieses Malaise böte die SRG – wenn sie zu einer SRG light würde, meint Karl Lüönd*.

Den Qualitätsjournalismus in der Schweiz zu finanzieren, wird immer schwieriger. Das Ende des Westschweizer Nachrichtenmagazins «L’Hebdo» ist nicht der erste, nur der aktuellste Hinweis. Auch im vergleichsweise grösseren Deutschschweizer Markt haben es Titel wie «Facts» und «Cash» nicht geschafft, und das in Zeiten bedeutend besserer Anzeigenkonjunktur. Im Vorfeld der sogenannten No-Billag-Initiative wird die Refinanzierung von journalistischer Qualität auch bei den elektronischen Medien zum grossen Thema.

Der Grund dafür ist einfach zu verstehen. Der Deutschschweizer Medienmarkt bedient etwa 5 Millionen Menschen. Zum Vergleich: Das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen zählt 17,6 Millionen, Berlin 3,5 Millionen Einwohner. Das Tückische bei den Medien ist, dass der Grundaufwand (Fixkostenblock) unabhängig ist von der Marktgrösse, dass jedoch Leser wie Anzeigenkunden nach Quantität (verkaufte Auflage, Verbreitungsleistung) bezahlen.

Alles drängt zur Krippe

Inzwischen ist es Winter geworden im Medienwald. Alles drängt zur Krippe, aber das Futter wird immer knapper. Die Verteilungskämpfe werden härter. Der Untergang der Publicitas war wahrscheinlich der brutalste Einschnitt. Jahr­zehnte­lang war die marktführende Anzeigenvermittlerin mit ihrer eisernen Tariftreue de facto das Kartell gewesen, das die kleinen und mittleren Zeitungen schützte: ökonomisch fragwürdig, aber staatspolitisch erwünscht. Heute sind die Anzeigen­preise, jedenfalls für Kunden mit grossen Budgets, bei den meisten Titeln Verhandlungssache.

Manche Verleger büssen jetzt für die Sünden der Vergangenheit. Sie haben zu hohe Investitionen in Druckereitechnik in den Büchern, was sie daran gehindert hat, früh und energisch in Netze und Software zu investieren. Mühsam müssen auch die Ertragsstrukturen korrigiert werden. Die Abonnements waren und sind zum Teil immer noch zu billig. Jetzt müssen die Verleger ernstlich Szenarien rechnen mit einem Anteil der Anzeigenerlöse an den Gesamteinnahmen von 30, 20 oder noch weniger Prozent. Früher machte ihr Anteil an den Einnahmen bis zu 70 Prozent aus.

Risiko einer Todesspirale

Das Risiko, in die Todesspirale zu geraten, ist enorm. Wer bald 500 und mehr Franken für das Jahresabonnement einer Tageszeitung ausgibt, stellt zu Recht die Frage nach dem Nutzen. Dieser bestünde in inhaltlicher Vertiefung, umfassendem Service und vor allem in einer verlässlichen Lokalberichterstattung. Diese journalistischen Leistungen sind nur begrenzt rationalisierbar. Bei Medien sparen heisst zwangsläufig, Stellen einzusparen und Leute zu entlassen. Während sich manche Redaktionen bis aufs Zahnfleisch heruntersparen, haben die Firmen, Behörden und Institutionen ihre interessengebundene Öffentlichkeitsarbeit mächtig aufgerüstet. Die Schere zwischen der Kommunikation der mächtigen Interessen­gruppen und den Kapazitäten der Redaktionen, die diesen Input kritisch sichten und verarbeiten sollten, geht immer weiter auseinander. Die logischen Folgen sind Abwanderung fähiger journalistischer Kräfte auf die Gegenseite sowie die zunehmende Käuflichkeit redaktioneller Inhalte.

Ähnlich ist das Bild bei den privaten Fernsehstationen. Die meisten kriechen wirtschaftlich nur knapp über den Teppich und rennen deshalb hektisch jedem Mediensponsoring hinterher. Auf manchen Kanälen wird mir sogar die Wetter­prognose von zwei oder drei Firmen präsentiert. Dieweil surft die Berichterstattung an der Oberfläche und erschöpft sich in der wohlfeilen Abbildung von «faits divers».

Machtapparat 
mit totalitären Zügen

Ich war lebenslang ein SRG-Skeptiker. Seit der tüchtige Leo Schürmann seinen Frust über die verpasste Bundesratswahl im hemmungslosen Expansionskurs der Senderketten in den achtziger Jahren auslebte, ist die SRG zum sich selbst steuernden Machtapparat mit totalitären Zügen geworden.

«DIE SRG IST ZUM SICH SELBST STEUERNDEN MACHTAPPARAT GEWORDEN.»

Bloss: Was wäre gewonnen, wenn man die SRG zerschlüge? Wer würde die tägliche Versorgung und erst recht attraktive Grossproduktionen wie «Gotthard», «Blackout» oder den «Bestatter» stemmen wollen und können? Das Konzept einer SRG light ist noch kaum angedacht. Meine Stichworte wären «duales System» (öffentlich-rechtliche Sender ohne Werbung, private Sender ohne Konzessionsgelder) sowie ein neuer, schlankerer Leistungsauftrag für die SRG: Das Fernsehen konzentriert sich auf Information, Dokumentation, Kultur und Sport; weniger Serienschrott und weniger reine Abspielsender sowie eine Einschränkung der Internetaktivitäten der SRG.

Werbemonopol nicht statthaft

Und Admeira, die neue, gemeinsame Werbevermarktungsfirma von SRG, Ringier und Swisscom, muss sich für alle interessierten Verleger öffnen. Ein Werbemonopol, gestützt auf den Datenschatz der staatlichen Swisscom und die Verbreitungsmacht der staatlich privilegierten SRG, ist nicht statthaft.

*Karl Lüönd, 
Publizist und Medienkritiker

Der vorliegende Text wurde erstmals in der «NZZ am Sonntag» publiziert.

Lesen Sie dazu auch

Meist Gelesen