Publiziert am: 05.05.2017

Eine Chance für schlechte Schüler

BERUFSBILDUNG – Die Studie «Die Top 200 des beruflichen Nachwuchses» der Bildungsforscherin Margrit Stamm beleuchtet, was hinter Medaillengewinnern an Berufsmeisterschaften steckt. Fazit: Nicht nur Musterschüler schaffen es an die Spitze.

«Die Untersuchung räumt mit mindestens zwei Vorurteilen auf: Erstens waren die Medaillengewinner von Berufsmeisterschaften während der obligatorischen Schulzeit keinesfalls immer gute Schüler mit einem anforderungshohen Schulabschluss. Zweitens war es auch nicht nur das goldene Händchen, das sie an die Spitze der Berufsbildung geführt hat», betont Margrit Stamm. Die emeritierte Professorin der Universität Freiburg untersuchte mit ihrem Forschungsprojekt «Die Top 200 des beruflichen Nachwuchses» als Erste in der Schweiz die Hintergründe, welche die Sieger an Berufsmeisterschaften an die Spitze geführt haben. Dabei beantworteten die Studienteilnehmenden – zwischen 19 und 26 Jahre alt – einen Online-Fragebogen. Dieser liefert Erkenntnis darüber, was hinter ihren Spitzenleistungen steckt, welche Rolle das Umfeld spielt und wie sich der Erfolg auf ihre berufliche Laufbahn auswirkt.

«Die Befragten waren in der Oberstufe, Sek. I, bei weitem nicht immer gute Schülerinnen und Schüler», stellt Stamm fest. «Jede dritte Person bezeichnet sich als lediglich mittelmässig oder gar schlecht in den schulischen Leistungen.» 40 Prozent der Befragten haben einen mittleren, 20 Prozent sogar einen bescheidenen Schulabschluss. Für die Direktorin des Forschungsinstitutes Swiss Education Bern belegt dies, dass es junge Menschen auch mit einem mittelmässigen oder sogar bescheidenen Schulabschluss und eher unterdurchschnittlichen Schulleistungen zu den Top 200 der Schweizer Berufsbildung schaffen können. «Für viele von ihnen wurde die Berufsbildung zu einer zweiten Chance, die zu einer Leistungsexplosion führte», so Stamm.

«die Befragten waren bei Weitem nicht immer gute Schülerinnen und Schüler.»

Gemäss Stamm braucht es spezifische Persönlichkeitsmerkmale, um an die Leistungsspitze zu gelangen. Dazu gehören Ehrgeiz und Selbständigkeit, Ausdauer und Disziplin, aber auch ein hohes Ausmass an Selbstkompetenz. «Für die Mehrheit der Studienteilnehmenden war es die allergrösste Hürde, sich selbst zu organisieren und an sich zu glauben», so Stamm. Das Umfeld als Motivationsfaktor spielt eine zentrale Rolle. Dazu gehören Betriebe, Berufsfachschullehrkräfte, Experten und Familie. «Gerade Betriebe sowie überbetriebliche Kurse, Ausbildungszentren und Berufsfachschulen sind in der Vorbereitung auf den Wettbewerb zentrale Faktoren», sagt Stamm. Und sie ergänzt: «Die absolut wichtigste Unterstützungsperson – sowohl bei der Motivierung für die Teilnahme als auch bei der Wettbewerbsvorbereitung – sind die Eltern, vorab die Mutter.»Die Befragten sind sich einig, dass die Teilnahme an der Berufsmeisterschaft ein persönlicher Erfolg und ein unvergessliches Erlebnis ist, die positive Auswirkungen auf ihre Berufslaufbahn haben. Für 66 Prozent war der Nutzen viel grösser als erwartet, für mehr als 30 Prozent so wie erwartet. Dazu Stamm: «Die jungen Berufsleute erhielten professionelles Feedback zur eigenen Arbeit, sie wissen zudem, wo sie heute stehen, und können so neue Kompetenzen entwickeln. Ebenso ist ein solcher Berufswettbewerb eine ausgezeichnete Plattform, ein Netzwerk aufzubauen, das sie beruflich weiterbringt.» 32 Prozent der Befragten haben dank des Erfolges an den Berufsmeisterschaften weitere Auszeichnungen erhalten und 57 Prozent haben so Karriere gemacht. «Etwas mehr als ein Drittel sind bereits in einer leitenden Position. Zudem haben mehr als 80 Prozent neue Weiterbildungen in Angriff genommen, teilweise auch ein Studium an einer Hochschule oder Universität», betont Stamm. Die Medaillengewinner seien Vorbilder für junge Lernende – eine Rolle, die sie gerne übernehmen würden. Corinne Remund

Warum die Berufsbildung ein idealer 
Karrierestart ist, erfahren Sie unter 
www.fokus-kmu.tv in der Sendung «FOKUS KMU – die Sendung für Wirtschaft & Gesellschaft», die am Montag, 24. April, ausgestrahlt wurde.

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