Publiziert am: 05.02.2021

Eine fragile Situation

BERUFSBILDUNG – Am nationalen Spitzentreffen der Berufsbildung im November 2020 wurde abgesprochen, dass die Qualifikationsverfahren 2021 nach geltendem Recht durchgeführt werden sollen. Doch ob das wirklich so passieren wird, ist fraglich.

Eigentlich war man sich einig. Am 9. November 2020 haben sich Bund, Kantone und die Organisationen der Arbeitswelt (OdA) zum nationalen Spitzentreffen der Berufsbildung versammelt. Das Resultat: Die Qualifikationsverfahren 2021 sollen grundsätzlich nach geltendem Recht durchgeführt werden.

Eigentlich. Denn bereits bröckelt der Konsens. Gemeinsam mit vielen anderen Vertretern der Berufsbildung hat auch die Bildungsexpertin des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv, Christine Davatz, mit Nachdruck gefordert, dass praktische Lehrabschlussprüfungen und überbetriebliche Kurse durchgeführt werden können und dass die Berufsschulen unbedingt offen bleiben (vgl. Interview auf Seite 7). Auch der Bundesrat liess am 20. Januar verlauten, dass er die Schulen nicht schliessen will. Kein offenes Ohr dafür hatte der Kanton Aargau. Noch am gleichen Tag wurde der Präsenzunterricht an Berufsfachschulen und Mittelschulen unterbunden.

Die Qualifikationsverfahren 2021 sollen grundsätzlich nach geltendem Recht durchgeführt werden.

Der Kanton Solothurn hat einen Tag später nachgezogen. Ist die vielzitierte Büchse der Pandora damit wieder einmal geöffnet worden? Für Christine Davatz ist auf jeden Fall klar, was die Folgen der Schliessungen sind: «Die berufliche Grundbildung leidet; das ebenso notwendige theoretische Fachwissen und der allgemeinbildende Unterricht, der in den Berufsfachschulen vermittel wird, fehlt.»

Das «Wie weiter mit den Schulen?» könnte sich insofern etwas entschärfen, als dass sich der Trend der Ansteckungen aktuell günstig entwickelt. Die Lage bleibt allerdings fragil. Eine Schulschliessung lediglich für zwei oder drei Wochen bis Ende Februar kommt wohl für keinen Kanton (mehr) infrage. Insofern werden die Kantone sicherlich gerne abwarten, wie der Bundesrat die Pandemie ab März in Schach zu halten gedenkt, und sich entsprechend danach richten.

Abschlussprüfungen stehen an

Schon wieder sehr nahe, wenn nicht schon mittendrin, sind viele Lernenden an den Abschlussprüfungen. Im letzten Jahr wurde teilweise darauf verzichtet. Das soll sich 2021 nicht wiederholen. Noch einmal Davatz: «Die grosse Mehrheit der Lernenden möchte am Schluss der Ausbildung zeigen, dass sie nun Profis sind in ihrem Beruf.» Man solle nur daran denken, mit welcher Freude die ­jungen Leute ihre Eidgenössischen Fähigkeitszeugnisse (EFZ) abholten.

«Die Berufsbildung leidet.»

Damit diese Freude nicht in der Quarantäne landet, schauen wir wieder zurück zum nationalen Spitzentreffen vom November 2020. Dabei wurden Grundsätze, Verfahren und Regelungen zur Durchführung der Qualifikationsverfahren 2021 festgehalten. Es handelt sich dabei um Empfehlungen der Task Force «Perspektive Berufslehre».

Der allererste Grundsatz lautet: «Bund, Kantone und Organisationen der Arbeitswelt entscheiden im Voraus in Form eines vorbehaltenen Entschlusses über die Grundsätze, das Verfahren und die allfälligen Abweichungen vom geltendem Recht bei der Durchführung der Qualifikationsverfahren 2021, falls die reguläre Durchführung aufgrund der pandemischen Situation nicht möglich ist.» Das tönt doch erstmal gut. Aber wieder stellt sich die Frage: Wie gut würde dieses Zusammenspiel aufgrund der ohnehin schon fragilen Situation funktionieren?

Für Einigkeit würde idealerweise die Pandemie sorgen, respektive deren Verlauf. Also wenn die Lage so weit unter Kontrolle ist, dass sich in gar keiner Branche mehr die Frage stellt, ob die ordentlichen Qualifikationsverfahren mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden ­können.

Adrian Uhlmann

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