Publiziert am: 01.10.2021

Eine verpasste Chance

MEHRWERTSTEUER – Der Ständerat hat die Motion Caroni «Einheitssatz für die Mehrwertsteuer» abgelehnt. Ein solcher aber wäre ein Garant für wirtschaftliche Attraktivität, Rechtssicherheit – und für stabile Steuereinnahmen für den Bund.

Der einheitliche Mehrwertsteuersatz ähnelt einer Seeschlange oder der Suche nach dem Gral, einem Mythos, an den man nichtsdestoweniger glauben möchte. Und wenn dieser Mythos in der Schweiz doch noch Realität werden sollte? Zu schön, um wahr zu sein? Die Befürworter des Einheitssatzes sind entweder entmutigt oder werden als realitätsferne Träumer abgetan. Doch ohne Traum kein Erfolg! Neuseeland hat einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz eingeführt (vgl. Kasten).

Die Schweiz ist gleichmehrfach unter Druck

Die Schweiz ist im internationalen Vergleich ein wirtschaftliches Erfolgsmodell. Sie hat dies ihrem liberalen Wirtschaftssystem zu verdanken. Die schweizerische Wirtschaft muss sich allerdings einer gewissen Zahl von Herausforderungen stellen, wo sie sich aus verschiedenen Gründen unter Druck gestellt sieht: Covid-19, starker Franken, hohes Lohnniveau, wirtschaftliche Aussenpolitik, übertriebene Regulierung und Angriffe gegen die liberale Wirtschaftsordnung mittels verschiedener Volksinitiativen.

Aber bietet sich denn nicht gerade dadurch die Gelegenheit, dem Einheitssatz eine Chance zu geben? In einem für die KMU immer schwierigeren Umfeld, in dem die OECD für die Einführung eines Mindeststeuersatzes von 15 Prozent plädiert, könnte die Schweiz mit einem einheitlichen Mehrwertsteuersatz eine gute Figur machen.

Für Turbulenzen wappnen

In einer Welt, wo Innovation grossgeschrieben wird, könnten wir doch auch in einem so althergebrachten Bereich wie dem Steuerwesen innovieren. Bringt die Schweiz das Thema des Einheitssatzes erneut auf den Tisch, könnte sie im Steuerbereich innovieren und sich entsprechend für eine Vielzahl künftiger Turbulenzen wappnen. Die Schweizer Wirtschaft leidet nicht nur unter den pandemiebedingten Einschränkungen, sondern auch unter der Last der Bürokratie. Insbesondere die Komplexität des Mehrwertsteuersatzes belastet die Unternehmen schwer.

«Ein Einheitssatz wäre ein Garant für Attraktivität, Rechtssicherheit und stabile Steuereinnahmen für den Bund.»

Die Motion des Ausserrhoder FDP-Ständerats Andrea Caroni «Einheitssatz für die Mehrwertsteuer» wurde vom Ständerat in der Herbstsession abgelehnt. Schade. Hat die Schweiz so viel Angst vor dem Erfolg? Lasst uns Hoffnung wahren. Der internationale Druck sowie die Vielzahl an Mehrwertsteuersätzen und Ausnahmen bieten genügend Anlass, um von einem einheitlichen MWSt-Satz zu träumen. Ein solcher wäre ein Garant für wirtschaftliche Attraktivität, Rechtssicherheit und stabile Steuereinnahmen für den Bund.

Alexa Krattinger,

Ressortleiterin sgv

beispiel neuseeland

Einheitssteuer seit1986 ein Erfolg

Neuseeland hat 1986 einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz eingeführt. Das ehemalige Konsumsteuersystem wurde durch ein viel moderneres und einfacheres System ersetzt, das zahlreiche Vorteile mit sich bringt. Eine grosse Zahl an Ausnahmen fiel weg, nur technische Ausnahmen bestehen dort fort, wo die Besteuerung sich in der Praxis als schlichtweg problematisch erweist (Finanz- und Versicherungssektor). Die Einheitssteuer fand weite Zustimmung: Sie wird als gerecht empfunden und besticht durch ihre einheitliche Anwendung.

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