Publiziert am: 22.10.2021

Energie ohne Strategie

ENERGIESTRATEGIE 2050 – Im Jahr 2017 hat das Volk die Energiestrategie 2050 angenommen. Nur wenige Jahre später folgt bereits das nächste Paket. Es nimmt die Fortschritte der Strategie zurück, aber löst ihre Probleme nicht.

Die Energiestrategie 2050 war eigentlich eine Revision des Energiegesetzes. Anlass dazu war der Entscheid, keine neuen Kernkraftwerke zu bauen. Um sie zu ersetzen, hätten die Produktionskapazitäten anderer Energieträger ausgebaut werden sollen. Wasserkraft und Photovoltaik schienen Trümpfe zu sein. Im Gegenzug zum Kapazitätsaufbau versprach das Energiegesetz das Auslaufen des Subventionssystems, der kostendeckenden Einspeisevergütung, die Vereinfachung der Bewilligungsverfahren und die Abzüge für Energieinvestitionen im Gebäude.

Gemäss den Materialien von 2017 war die Revision des Energiegesetzes erst die erste Etappe. Die zweite war als ökologische Steuerreform «angedacht». Und beide hätten nur die Hälfte der ausfallenden Kapazitäten abgefangen. Die andere Hälfte wäre durch die Technologie zu erreichen: Neue Produkte, neue Prozesse und neue Anlagen würden die Energieeffizienz erhöhen.

Eine magere Bilanz

Aus dem Paket ist nicht viel geworden. Die Produktionskapazitäten für neue erneuerbare Energien und Wasserkraft wurden zwar ausgedehnt. Aber nicht so stark, wie ursprünglich gedacht. Denn die Investitionshemmnisse bleiben hoch. Die Bewilligungsverfahren sind immer noch kompliziert. Einsprachen werden häufiger gemacht. Und selbst die Energieabzüge werden weder einheitlich noch unkompliziert gewährt. Die Mittel für anwendungsorientierte Entwicklung von Technologie sind von der Forschung, also den Hochschulen, gekapert worden. Die Bilanz der Energiestrategie ist derart mager, dass die Politik nun eine Art Korrekturvorlage lanciert. Sie nennt sich «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien». Dieses neue Paket deckt viele Aspekte ab, doch insgesamt können sie die Probleme des Energiegesetzes, welches das Volk im 2017 angenommen hat, nicht beheben.

Versorgung in Frage gestellt

Das wichtigste Problem ist: Die sichere Versorgung der Schweiz mit elektrischer Energie wird infragegestellt. Deshalb enthält die neue Vorlage Energieverbrauchsziele. Das hört sich nicht extrem an. Doch diese Ziele sind das Einfallstor für etwaige Rationierungen. Und diese können nicht ausgeschlossen werden, denn nicht einmal mit den neuen Produktionskapazitäten kann sichergestellt werden, dass die Schweiz über genügend Strom verfügt.

Zwei Optionen gäbe es noch. Importe aus der EU sind die heutige Lösung. Doch die EU wird selbst in die gleiche Engpasslage kommen wie die Schweiz. Deshalb ist es – ob mit oder ohne Rahmenabkommen – ungewiss, ob einzelne EU-Länder der Schweiz werden Strom verkaufen wollen. Die andere Option ist der Bau von Gaskraftwerken. Doch wer die Klimapolitik ernst nimmt, kann diese Option nicht ernsthaft in Erwägung ziehen.

Das «alte Übel»

Mehr noch: Diese neue Vorlage soll gewisse Errungenschaften der Energiestrategie wieder abbauen. Zum Beispiel soll das Subventionssystem weitergefĂĽhrt werden. Dies bedeutet: Just jener Hebel, der nicht die gewĂĽnschten Resultate gebracht hat, soll perpetuiert werden. Auch wenn die Sache mehr kostet, als sie je bringen kann.

Angesichts von so vielen Problemen kann man sich fragen, ob es nicht gescheit wäre, ein anderes «altes Übel» erneut in Erwägung zu ziehen: die Kernkraft.

Henrique Schneider,

Stv. Direktor sgv

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