Publiziert am: 24.04.2015

Entwicklung in rasantem Tempo

SCHWEIZ – CHINA – Die sgv-Studienreise zeigte das gegenseitige Interesse an der Intensivierung der Handelsbeziehungen auf – und machte klar, dass im Reich der Mitte langfristige Beziehungen gefragt sind.

Die Studienreise des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv nach China von Anfang April zeigte der Schweizer Delegation das immense Tempo auf, in dem sich das Reich der Mitte entwickelt – und die sich daraus ergebenden Chancen. Unter Führung von sgv-Präsident Jean-François Rime nahmen mehrere Unternehmer, aber auch Parlamentsmitglieder aus so verschiedenen Parteien wie SVP und GLP einzelne Hotspots des Riesenreichs unter die Lupe. In Peking im Norden, Shanghai im Osten und Shenzhen im Süden liess sich die Gruppe überzeugen: Die Möglichkeiten, die China bietet, sind immens.

«Die Chinesen sind uns in Vielem weit voraus.»

«Schier unglaublich»

sgv-Präsident Rime, selber bereits zum fünften Mal auf China-Besuch, formuliert seine Eindrücke so: «Es ist schier unglaublich, wie schnell sich das Land entwickelt. Die Chinesen sind uns in Vielem weit voraus.» Durch die grüne Brille kommentiert der Bündner GLP-Nationalrat Josias Gasser, der China nach vielen Jahren zum zweiten Mal besucht hat: «Das Land geht – zumindest in der modernen Sonderwirtschaftszone Shenzhen – den Weg, den auch die Schweiz beschreiten muss: Hier wird Greentech mit vollen Kräften umgesetzt.»

Und der Waadtländer Immobilien- und Heizungsspezialist Amadeo «Ivo» Stevanato fasste seine Impressionen so zusammen: «Während meinem Kurzaufenthalt habe ich unbezahlbare Einblicke erhalten in die Art und Weise, wie Chinesen denken. Und dank dem vielseitigen, äusserst wertvollen Kontaktnetz von Reiseleiter Yang Yuming und seiner Gattin Wang Yiaohua war es uns möglich, mit wichtigen Partnern direkt ins Gespräch zu kommen.»

Chancen für beide Länder

Ein wichtiges Ziel der sgv-Studienreise war die Kontaktpflege mit der 1953 gegründeten chinesischen Industrie- und Handelskammer ACFIC. Ähnlich wie der sgv in den Schweizer Kantonen ist die ACFIC in allen Provinzen und autonomen Regionen Chinas vertreten (vgl. auch Gewerbezeitung vom 20. März).

«China und die schweiz pflegen
seit 65 jahren gute 
beziehungen.»

Beim Spitzentreffen in Peking betonte ACFIC-Chairman Wang Qinming die guten Beziehungen, die seit 65 Jahren zwischen China und der Schweiz herrschen und die durch das Inkrafttreten des Freihandelsabkommens (FHA) im Sommer 2014 noch vertieft worden sind. Das FHA – das erste seiner Art mit einem Land in Europa – sei eine Chance, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder weiter auszubauen. sgv-Präsident Rime unterstrich, dass die Nicht-Mitgliedschaft der Schweiz in der EU Chancen für Kooperationen biete; und sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler betonte die Wichtigkeit, die Schweiz als Handelsplatz für die chinesische Währung Renminbi zu stärken: «Dies erleichtert die beidseitige Zusammenarbeit ganz wesentlich», so Bigler.

Zunehmende Alterung als Chance

Die beiden Seiten erörteten auch die chinesische Initiative für eine «neue Seidenstrasse zu Land und zu Wasser» sowie mögliche Kooperationen in den Bereichen Bio/Pharma, Tourismus, Finanzen sowie Medizin und Gesundheit. Zheng Yuewen, zuständig für die Privatwirtschaft und die internationale Zusammenarbeit, ist selber als Unternehmer in den Bereichen Bio/Pharma und Finanzen tätig. Rund 110 Millionen Chinesen seien 2014 ins Ausland gereist, viele von ihnen auch in die Schweiz, sagte Zheng. Chinesische Unternehmer reisten wegen Finanzgeschäften und Dienstleistungen, aber auch für medizinische Behandlungen in die Schweiz. Weil unser Land in den Bereichen Bio/Pharma und Gesundheit als führend betrachtet werde und auch in China die Alterung der Bevölkerung immer weiter voran schreite, seien Kooperationen bei der Seniorenpflege besonders gefragt. Wie auch im Finanzsektor würden hier langjährige Beziehungen angestrebt.

Auch in China: 
Ohne KMU geht nichts

Die chinesischen Privatunternehmen haben seit der Öffnung in den späten 1970er Jahren wesentlich zur Entwickung des Landes beigetragen. Derzeit tragen rund 66 Millionen Privatunternehmen und einzelne Kaufleute rund 60 Prozent zum chinesischen BIP bei. Laut ACFIC-Chairman Wang leisten diese Unternehmen – v.a. KMU und Mikrounternehmen – rund zwei Drittel der Investitionen in den Städten, beantragen rund 65 der Patente – und spenden gegen 60 Prozent der Mittel im Kampf gegen die Armut. Kurz: Die Flexibilität und Innovationskaft der KMU sind auch in China Treiber des Wachstums und Garant der wirtschaftlichen Stabilität. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das riesige Reich der Mitte also kaum von der so viel kleineren, in China aber höchst angesehenen Schweiz.

Gerhard Enggist

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