Publiziert am: 08.04.2016

Für eine bessere Zugänglichkeit

URHEBERRECHT – Weder abstrakt noch theoretisch: In der Praxis hat das Urheberrecht für alle Gewerbetreibenden und für alle Nutzer finanzielle Konsequenzen.

Der Bundesrat will die Internet-Piraterie besser bekämpfen, ohne die Endnutzer mit Verboten zu kriminalisieren. Ausserdem sollen diverse gesetzliche Bestimmungen des Urheberrechts an die neusten technologischen Entwicklungen angepasst werden. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv, der bereits im Rahmen der Arbeitsgruppe Urheberrecht AGUR12 involviert war, hat eine ­differenzierte Stellungnahme abgegeben. Einige Punkte sind unter­stützungswürdig, bei anderen Vorschlägen stellt der sgv die Alltagstauglichkeit in Frage.

Keine zusätzliche Vergütung

Der sgv unterstützt eine verbesserte Zugänglichkeit und Verwendung wissenschaftlicher Werke. Mit der Digitalisierung sind neue Möglichkeiten entstanden, Daten und Informationen zu verknüpfen und Texte schneller und präziser zu analysieren und zu verarbeiten. Die vom Bundesrat zusätzlich vorgesehene Vergütung lehnt der sgv aber ab. Die Vergütungspflicht wäre eine neue Mehrfachnutzung. ­Zudem werden wissenschaftliche ­Arbeiten heute vielfach bereits mit öffentlichen Geldern (z.B. aus dem Nationalfonds) unterstützt. Ebenfalls unterstützt der sgv eine Lockerung bei den Bestandsverzeichnissen in den Bibliotheken. Dies kommt letztlich auch den Rechteinhabern zugute, da ihre Werke besser sichtbar werden.

«WISSENSCHAFTLICHE ARBEITEN WERDEN OFT MIT ÖFFENTLICHEM GELD UNTERSTÜTZT.»

Stärkere Aufsicht über die 
Verwertungsgesellschaften

Die Verwertungsgesellschaften (z.B. ProLitteris, Suisa) ziehen von den Nutzern die Vergütungen ein. Bisher beschränkte sich das Institut für Geistiges Eigentum (IGE) als Aufsichtsinstanz bei der Prüfung von Entscheiden und Handlungen der Verwertungsgesellschaften auf eine reine Rechtskontrolle. Neu soll auch eine Angemessenheitsprüfung vorgenommen werden können, was der sgv unterstützt. Wer ein Monopol wie die Verwertungsgesellschaften hat, muss eine entsprechend starke Aufsicht in Kauf nehmen.

Nein zum Verleihrecht

Der Bundesrat möchte für in Verkehr gesetzte Werkexemplare neu eine Vergütung für das Verleihen einführen. Dieses Ansinnen lehnt der sgv ab. Mit dem Verleih von Büchern, CD und anderen Werken leisten die Bibliotheken einen namhaften Beitrag an die Bekanntmachung der Werke der Künstlerinnen und Künstler. Mit der Anschaffung der Werke bezahlen die Verleihinstitutionen einen Preis und leisten damit eine Entschädigung an die Kunstschaffenden. Eine korrekte Erhebung der ausgeliehenen Werke würde eine immense Bürokratie auslösen. Leidtragende einer Verleihgebühr wären die öffentlichen Finanzhaushalte, die die Bibliotheken in der Regel finanzieren. Eine Verleihgebühr ginge zu Lasten von Neuanschaffungen und hätte für die Kunstschaffenden Verdienstausfälle zur Folge.

Massnahmen zur Bekämpfung der Online-Piraterie überdenken

Zu Unrecht ins Internet gestellte Werke (Film, Musik, Texte) führen bei den Rechteinhabern zu Verdienstausfällen. Der Bundesrat setzt in seinem Vorschlag auf die Anbieter von Fernmelde- und abgeleiteten Kommunikationsdiensten (Access Provider und Hosting Provider im weitesten Sinn) und will diese zu diversen Massnahmen verpflichten. Provider sollen angehalten werden, verletzende oder illegale Inhalte von ihren Servern zu entfernen oder den Zugang zu sperren. Sie leiten dem Kunden, der das betreffende Werk oder andere Schutzobjekte widerrechtlich öffentlich zugänglich gemacht hat, eine Abmahnung weiter. Den Access-Providern würde eine quasi-polizeiliche Funktion zugeschrieben. Sie müssten die Endkunden überwachen.

«MONOPOLISTEN BRAUCHEN EINE STARKE AUFSICHT.»

Das IGE betreibt eine Einrichtung, die die Teilnehmer und Teilnehmerinnen darüber informiert, dass das Angebot, auf das sie zugreifen wollen, gesperrt ist. Ob das ein wirksamer Schutz gegen die Internetpiraterie ist, ist fraglich. Von den Sperrmassnahmen betroffen sein können überdies legale Inhalte. Der Vorschlag ist zu kompliziert und muss überdacht werden.

Die Forderungen des sgv

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv nahm im Rahmen der Vernehmlassung die Gelegenheit wahr, Zusatzforderungen zu einer gewerbefreundlichen Revision des Urheberrechts zu stellen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Summe aus den Vergütungen aller Tarife von 209 auf 272 Millionen angestiegen. Dabei ist fraglich, ob die Intensität der Werknutzung entsprechend zugenommen hat. Vielmehr handelt es sich um Doppel- und Dreifachnutzungen, für die die Nutzer – und damit auch das Gewerbe – aufkommen. Bereits beim Kauf z.B. eines Online-Artikel-Abos zahlen Gewerbetreibende bis zu mehreren Tausend Franken und entrichten zusätzlich die Abgaben gemäss GT 8 und GT 9. Diese Tarife sind unabhängig der tatsächlichen Werknutzung geschuldet. Die Verwertungsgesellschaften fordern, die heute im Urheberrecht bestehende Obergrenze der Vergütungen aufzuheben, was aus gewerblicher Sicht abzulehnen ist. Vielmehr sollte sie gesenkt werden, da die Summe der Vergütungen stark steigend ist, die Werke aber kaum intensiver genutzt werden können.

Erleichterung für Medienschaffende

Das heute geltende Urheberrecht legt fest, dass «soweit es für die Berichterstattung über aktuelle Ereignisse erforderlich ist, die dabei wahrgenommenen Werke aufgezeichnet, vervielfältigt, vorgeführt, gesendet, verbreitet oder sonst wie wahrnehmbar gemacht werden dürfen». Diese Bestimmung lässt einem Urheber eines Werkes immer die Möglichkeit, einen Medienbericht, der bloss Zitate enthält, als tendenziöse, falsche oder bewusste Fehlinterpretation hinzustellen. Faktisch führt die Erforderlichkeit zu einer Beweislastumkehr.

Im Internet ist es so einfach wie noch nie, neben einem journalistischen Artikel z.B. über ein Positionspapier im Sinne von Transparenz und Glaubwürdigkeit auch noch das Quelldokument zu verlinken. Glaubwürdigkeit und Transparenz sind entscheidend für die Arbeit von Medien und ihrem Beitrag zum Funktionieren der Demokratie und des dazu nötigen Diskurses. Klarer wäre deshalb eine Formulierung im Sinne von «Für die Berichterstattung über aktuelle ­Ereignisse dürfen die dabei wahrgenommenen Werke aufgezeichnet, vervielfältigt, vorgeführt, gesendet, verbreitet oder sonst wie wahrnehmbar gemacht werden.»

«DER SGV VERLANGT EINE GEWERBEFREUNDLICHE REVISION.»

Das Urheberrecht mag noch so abstrakt und theoretisch erscheinen, in der Praxis hat es für alle Gewerbetreibenden und für alle Nutzer finanzielle Konsequenzen.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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