Publiziert am: 15.12.2017

«Gefahr der Überregulierung»

AKTIENRECHT – Andrea Gmür (CVP/LU), Thierry Burkart (FDP/AG) und Pirmin Schwander (SVP/SZ) fordern, dass KMU bei der Umsetzung der «Minder-Initiative» nicht benachteiligt werden.

Schweizerische Gewerbezeitung: Weshalb ist eine Revision des Aktienrechts notwendig?

n Nationalrätin Andrea Gmür: Wir brauchen ein modernes, aktualisiertes Aktienrecht, das an die heutige Marktrealität angepasst ist. Insgesamt wird damit ein Auftrag des Parlaments erfüllt, das bereits im Jahr 2007 eine umfassende Aktienrechtsrevision gefordert hat. Zudem sollen die Vorgaben, die von der Minder-Initiative «gegen die Abzockerei» stammen, jetzt auf Gesetzesstufe verankert werden. Sämtliche Versuche für eine Aktienrechtsrevision sind in den letzten Jahren gescheitert; was jetzt auf den Tisch kommt, beinhaltet voraussichtlich (die Beratungen sind noch lange nicht abgeschlossen) eine moderate, massvolle Lösung.

n Nationalrat Pirmin Schwander: Die Volksinitiative «gegen die Abzockerei» ist vom Volk angenommen worden. Der Bundesrat hat diese – wie in der Initiative gefordert – auf Verordnungsstufe bereits umgesetzt (VegüV). Das Parlament könnte sich auch zurücklehnen und nichts unternehmen. Der Verfassungsauftrag muss aber ernst genommen und auf Gesetzesstufe umgesetzt werden. Wir dürfen das nicht dem Bundesrat überlassen. Dies gilt auch für künftige Initiativen.

n Nationalrat Thierry Burkart: Was diese Revision zwingend macht, ist der Umstand, dass die Bestimmungen der sogenannten Abzocker-Initiative aus dem Jahr 2013 ins Gesetzesrecht überführt werden müssen. Zurzeit sind sie noch in der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) geregelt. Dieser Teil der Revision ist unbestritten.

Mit der vorliegenden Revision droht aber Überregulierung, 
zum Beispiel durch neue Pflichten für den Verwaltungsrat oder neue Vorschriften für sogenannte 
Rohstoffunternehmen. Was halten Sie davon?

n Pirmin Schwander: Tatsächlich besteht die Gefahr der Überregulierung. Insbesondere besteht die Gefahr, dass Teile der Minder-Initiative «gegen die Abzockerei» auch auf die KMU übertragen werden. Und gegenüber der Vorlage von 2007 werden zwei zusätzliche Aspekte thematisiert: erstens die Verpflichtung grosser Publikumsgesellschaften, die Geschlechtervertretung in den Führungsgremien offenzulegen. Und zweitens die Schaffung von Transparenz im Rohstoffbereich. Demgegenüber ist die Vorlage mit einem «Zückerchen» für einfach strukturierte Aktiengesellschaften versüsst worden. Hier soll die öffentliche Beurkundung bei der Gründung abgeschafft werden. Aber diese Vereinfachung macht die Vorlage nicht besser.

n Thierry Burkart: Neben der Aufnahme der VegüV-Bestimmungen ins Gesetz will der Bundesrat die Corporate Governance stärker regeln. Damit gibt es in der Praxis aber kaum ernsthafte Probleme. Den KMU droht nun aber eine unnötige Regulierung mit unzähligen neuen Vorschriften. Folge davon wäre beispielsweise, dass praktisch alle Aktiengesellschaften ihre Organisationsreglemente 
unnötigerweise anpassen müssten – verbunden mit entsprechenden ­Kosten. Darüber hinaus sollen die Rohstofffirmen besonderen Transparenzvorschriften unterliegen. Hier müssen wir aufpassen, mit einschränkenden Regeln nicht eine für unser Land wichtige Branche zu vertreiben.

Einmal mehr geht die Schweiz mit ihren Vorschriften weiter als die meisten anderen Industriestaaten. Die Annahme, wir würden damit etwas in der Welt verbessern, ist falsch. Es droht uns damit nur eine Verschlechterung unserer liberalen Rahmenbedingungen mit Auswirkungen auf unseren Wohlstand. Zu alldem beantragt der Bundesrat eine Geschlechterquote für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung bei ­grösseren börsenkotierten Gesellschaften. Diese Forderung steht exemplarisch für den Regulierungsgeist, den diese Vorlage atmet.

n Andrea Gmür: Am Anfang war auch ich skeptisch, ob es überhaupt eine Totalrevision braucht und ob es nicht ausreichen würde, lediglich die Vorgaben der Minder-Initiative, die heute per Verordnung geregelt sind, ins Gesetz aufzunehmen. In der Zwischenzeit sehe ich aber doch, dass wir auch die Möglichkeit haben, Verbesserungen anzubringen, z. B. mit einer flexibleren Gestaltung der Gründungs- und Kapitalvorschriften oder der Stärkung der Aktionärs­rechte.

Überregulierung ist auch mir ein Dorn im Auge. Die neuen Vorschriften für die Rohstoffunternehmen kann ich unterstützen – im Sinne eines Teils eines indirekten Gegenvorschlages zur Konzernverantwortungs-Initiative, die ich ablehne, falls nicht irgendein halbwegs vernünftiger Gegenvorschlag zustande kommt und die Initianten ihre Initiative zurückziehen.

Wie können die Interessen 
der KMU hier berücksichtigt werden? Schliesslich sind über 
99 Prozent der Aktiengesell­schaften KMU.

n Thierry Burkart: Ehrlicherweise muss ich sagen, dass in der Revision auch ganz wenige Deregulierungen vorgesehen sind. Beispielsweise soll bei der Gründung und Auflösung einer AG auf die öffentliche Beurkundung verzichtet werden können. Das alleine bringt dem Gewerbe aber zu wenig, um an diversen anderen Stellen neue Regulierungen hinzunehmen. Einmal mehr dürfte es besser sein, wenn der Gesetzgeber nur das macht, was absolut notwendig ist. Davon sind wir aber bei dieser Vorlage weit entfernt.

n Andrea Gmür: Die Interessen der KMU (wie auch jene der börsenkotierten Firmen) werden dann optimal berücksichtigt, wenn es uns gelingt, generell möglichst wenig zu regulieren, damit der Markt spielen kann. Weiter ist darauf zu achten, dass wir mit der Gesetzesrevision auch tatsächlich eine Vereinfachung und Flexibilisierung erreichen, z. B. mit der Einführung eines Kapitalbandes. Zudem wird der Gläubigerschutz ausgebaut, für den Fall, dass aus einer AG ungerechtfertigte Leistungen erbracht wurden. Davon profitieren letztlich auch die KMU. Zu guter Letzt sollen auch Insolvenz und Sanierung besser antizipiert werden können, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.

n Pirmin Schwander: Ich bin seit 14 Jahren im Parlament. Bisherige Gesetzesrevisionen wurden vor allem aus dem Blickwinkel von grossen Unternehmen und Konzernen lanciert. Die KMU hatten das Nachsehen und die Bürokratie nahm, trotz anders lautenden Beteuerungen, laufend zu. Deshalb müssen wir bei der vorliegenden Vorlage von Beginn weg versuchen, die Revision auf die Umsetzung der Volksinitiative «gegen die Abzockerei» zu beschränken. Alles andere kommt nicht gut.

Interview: Gerhard Enggist

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