Publiziert am: 09.12.2016

Gemeinsam gesund werden

GROUPE MUTUEL – Die Gesundheitspolitik ist eines der am heftigsten debattierten Themen in unserer Gesellschaft. Im Herzen der Debatte stehen seit Jahren die steigenden Kosten, die Qualität der Leistungen und diverse Finanzierungsmodelle und Tarife.

Schon bevor das KVG im Jahr 1996 in Kraft getreten ist, kannten die Experten und die politischen Entscheidungsträger die Ursachen der steigenden Gesundheitskosten. Der anhaltende, beständige Wohlstand der schweizerischen Gesellschaft geht mit entsprechenden Investitionen in die Strukturen und Akteure des Gesundheitswesens einher. Diese richten sich nach den Entwicklungen des materiellen Wohlstands. Das Gleiche gilt für andere Sozialversicherungen. Bei jederzeit verfügbaren finanziellen Mitteln und Leistungsangeboten gibt es wenig oder keine Einschränkungen. Unsere eigene Zurückhaltung könnte das Einzige sein, das die steigenden Kosten wirklich beeinflussen kann.

Finanzierung: Mehr Symptom
als Ursache

Im Gesundheitswesen lassen sich die von allen gewünschten Innovationen und unser Konsum im Krankheitsfall nicht aufhalten. Hinzu kommen soziale und demographische Aspekte wie die höhere Lebenserwartung und ein im Vergleich zu den Rentnern immer kleiner werdender Anteil an Erwerbstätigen. Die Aufrechterhaltung unserer Lebensqualität – insbesondere bei unserem leistungsstarken Sozial- und Gesundheitswesen – setzt eine nachhaltig solide und produk­tive Wirtschaft voraus, die genug Wohlstand erzeugt, um all unsere Bedürfnisse abzudecken. Dies ist zumindest die Hoffnung. Gesetzt auf die Dauer ist es aber nicht!

Reformen – acht vor den falschen Spuren

Alle Reformen – Einheitskasse inbegriffen – die nur das Finanzierungssystem, also das Versicherungssystem, im Visier haben, verfehlen ihr Ziel. Diese verbreiten nur Unsicherheit und blockieren richtige Überlegungen zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. Die Kosten können nicht eingedämmt werden, solange wir uns nicht mit den verfügbaren Leistungen und unserem Konsum im Gesundheitswesen beschäftigen.

Handlungsspielraum bei Kostenkontrolle und Leistungsmenge

Der Bundesrat bestätigt es laut und deutlich: Mit vernünftigen, zielgerichteten Massnahmen könnten die Ausgaben um nahezu 10 Milliarden Franken gesenkt werden. Wie das funktioniert? Indem man überflüssige Leistungen streicht, darauf achtet, weniger Medikamente in den Abfall zu werfen, die Koordination in der Behandlungskette verbessert – Schnupfen den Apothekern, Organtransplantation den Ärzten –, mehr Prävention durch stärkere Eigenverantwortung betreibt und die Konkurrenz stärkt. Eigentlich etwas Machbares.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat mehrmals den Wunsch geäussert, dass wir das jährliche Kostenwachstum auf 1,5 Prozent bis 
2 Prozent beschränken, was der demographisch bedingten Kostenentwicklung entspräche. Ein vernünftiges Ziel, das wir vollständig unterstützen. Dies käme der Monatsprämie im Jahr 2000 gleich, als wir durchschnittlich etwa 210 Franken bezahlten. Heute gibt jeder Erwachsene durchschnittlich rund 450 Franken dafür aus.

Würden wir unsere Kräfte in diesem Sinne bündeln, würden wir in den kommenden Jahren eine neue, konstruktive und gelassenere Einstellung fördern. Diesen gemeinsamen Weg zu unterstützen, betrifft sowohl die Krankenversicherer, die heute leider von zwei Gesellschaften vertreten werden, wie das Pflegepersonal, deren interne Zersplitterung das Vertrauen der Bevölkerung und der Politiker beeinträchtigt. Ohne dieses ­gegenseitige Vertrauen ist keine gute Reform möglich. Dabei darf nicht vergessen werden, dass das Gesundheitswesen und das Sozialversicherungswesen immer zu den Hauptsorgen der Schweizer Bevölkerung zählen werden. Was die Akteure umso mehr zum Handeln verpflichtet.

Yves Seydoux

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