Publiziert am: 24.02.2017

Gerechtfertigt oder nicht?

HOTELLERIE – Unbefristete Weiterführung des MwSt-Sondersatzes? Hotelleriesuisse-Präsident ­Züllig wirbt für ein Ja, Treuhandsuisse-Zentralpräsidentin Schneeberger für ein Nein.

Schweizerische Gewerbezeitung: Der Sondersatz der Mehrwertsteuer 
für die Hotellerie läuft Ende 2017 aus. Was spricht dafür, ihn unbefristet zu verlängern?

n Andreas Züllig: Der Sondersatz unterstützt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Beherbergungsbranche. 25 der 28 EU-Staaten wenden auch seit Jahren einen Sondersatz für die Beherbergungsbranche an. Er ist ein bewährtes Mittel, das nach 20 Jahren Provisorium definitiv im Mehrwertsteuergesetz verankert werden muss. Die Branche braucht jetzt unter den sich verschärfenden Rahmenbedingungen Planungssicherheit. Zudem trägt der Sondersatz dazu bei, das hohe Kostenniveau in der Schweiz, insbesondere die hohen Vorleistungskosten in der Hotellerie, zu dämpfen. Weiter verursacht verursacht die Verankerung des Sondersatzes keine zusätzlichen Kosten und generiert keine Steuerausfälle, da er nur den Status quo festschreibt.

DIE VERANKERUNG DES SONDERSATZES KREIERT KEINE ZUSÄTZ­LICHEN KOSTEN UND GE­NERIERT KEINE STEUERAUSFÄLLE, DA ER NUR DEN STATUS QUO FESTSCHREIBT.»

Andreas Züllig, 
Präsident Hotelleriesuisse

Weshalb sind Sie dagegen, die Sonderbehandlung der Hotellerie auf unbefristete Zeit festzuschreiben?

n Daniela Schneeberger: Der Sondersatz wurde Mitte der 90er-Jahre als wirkungsvolle und befristete Unterstützungsmassnahme eingeführt, damit die Branche Spielraum bekommt, um wettbewerbsfähiger zu werden. Die Logiernächte haben sich daraufhin stabilisiert und sind nun seit Längerem wieder auf dem Stand anfangs der 90er-Jahre. Eine dauerhaft bevorzugte Behandlung der Hotellerie ist also nicht gerechtfertigt. Strukturelle Probleme der Branche kann der Sondersatz leider nicht lösen – ganz im Gegenteil: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht jene Hoteliers bremsen, die im Wettbewerb ganz vorne spielen.

Aber Sie können verstehen, dass die Schweizer Tourismusbranche in Zeiten des starken Frankens – respektive der anhalten Schwäche des Euro – Sicherheit braucht?

n Daniela Schneeberger: Ja klar, das kann ich gut verstehen. Der starke Franken ist für alle Exportbranchen eine grosse Herausforderung. Eine strukturelle Bevorzugung der Hotellerie rechtfertigt das aber nicht. Wir müssen alle KMU von administrativen Leerläufen, zu hohen Steuern und Abgaben und unsinnige Vorschriften entlasten. Damit verschaffen wir ihnen Raum und sie können gute Arbeit leisten und sich innovativ zeigen.

Die Gegner einer unbefristeten Verlängerung argumentieren, hier werde dauerhafte Strukturpolitik betrieben. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

n Andreas Züllig: Der Strukturwandel in der Beherbergungsbranche führt zu einer schwierigen wirtschaftlichen Situation in der Branche, die durch Wechselkursschwankungen noch verschärft wird. Der Sondersatz dient jedoch nicht in erster Linie der Strukturpolitik, sondern zum einen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit beizubehalten. Zum anderen wird der Tourismus als Exportbranche durch einen reduzierten MwSt-Satz gefördert.

Kommt der unbefristete Sondersatz durch, so wird der Tourismus gegenĂĽber anderen Branchen bevorzugt behandelt. Halten Sie das fĂĽr angemessen?

n Andreas Züllig: Der Sondersatz ist kein Privileg, sondern berücksichtigt den Exportcharakter der Branche. 55 Prozent der Übernachtungen in der Schweizer Beherbergung entfallen auf ausländische Gäste. Als eine der grössten Exportbranchen der Schweiz kann der Tourismus aber im Vergleich zu anderen Branchen nicht von seinem Exportcharakter profitieren, da die erbrachte Leistung im ­Inland produziert und konsumiert wird. Andere Exportbranchen bezahlen sogar überhaupt keine Mehrwertsteuer auf Exporte. Die Hotellerie wird deshalb als Exportbranche zu Recht einem zumindest um die Hälfte tieferen MwSt-Satz unterstellt.

Was halten Sie vom Argument, die Aufrechterhaltung von Sondersätzen schmälere die Chancen für eine generelle Vereinfachung der Mehrwertsteuer?

n Daniela Schneeberger: Das ist natürlich richtig. Die Vereinfachung der Mehrwertsteuer ist tatsächlich sehr schwierig, wenn einige Branchen nicht mitmachen – das sieht ja jeder ein. Statt eine Branche bevorzugt zu behandeln, sollten wir besser endlich einen tiefen Einheitssatz einführen.

«WIR MÜSSEN ALLE KMU VON ZU HOHEN STEUERN UND ABGABEN UND UNSINNIGEN VORSCHRIFTEN ENTLASTEN. NUR SO KÖNNEN SIE GUTE ARBEIT LEISTEN UND SICH INNOVATIV ZEIGEN.»

Daniela Schneeberger, 
Zentralpräsidentin Treuhandsuisse

Was sagen Sie jenen Vertretern der Politik, die sagen, der bisherige Sondersatz habe der Beherbergungsbranche auch in 20 Jahren nicht geholfen, ihre Strukturpro­bleme zu lösen?

n Andreas Züllig: Der Strukturwandel ist ein langfristiger Prozess, der in 20 Jahren noch nicht abgeschlossen ist. Der Sondersatz dient zwar auch dazu, die schwierige wirtschaftliche Situation in der Beherbergungsbranche zu dämpfen. In erster Linie dient er jedoch dazu, «gleich lange Spiesse» mit den anderen EU-Ländern sowie der schweizerischen Exportindustrie herzustellen, die ihn auch anwenden und auch vom Strukturwandel betroffen sind. Dies dient der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Wäre nicht die Einführung eines MWSt-Einheitssatzes die schlankere Lösung – und dies erst noch für alle von Strukturwandel geforderten Branchen?

n Andreas Züllig: Wir setzen uns jetzt im aktuellen Vernehmlassungsverfahren für eine dauerhafte Verlängerung des Sondersatzes ein. Eine Einführung eines Einheitssatzes wäre für die Gesamtwirtschaft sicher eine effiziente Lösung. Sie ist aber vor ein paar Jahren gescheitert und aktuell auch nicht mehrheitsfähig.

n Daniela Schneeberger: Ganz klar! Ein Einheitssatz brächte für alle Unternehmen eine Entlastung im Wert von mehreren 100 Millionen Franken. Das komplizierte Mehrwertsteuersystem kostet unsere Wirtschaft jährlich 1,76 Milliarden Franken und bedeutet gerade für KMU einen unnötigen, stundenlangen Aufwand.

Interview: Gerhard Enggist

ZU DEN PERSONEN

Die Baselbieter FDP-Nationalrätin und Zentralpräsidentin von Treuhandsuisse, Daniela Schneeberger, und der Bündner Hotellier und Präsident von Hotelleriesuisse, Andreas Züllig, sind beide Vorstandsmitglieder des Schweizerischen ­Gewerbeverbands sgv.

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