Publiziert am: 21.01.2022

«Heute Start-up, morgen KMU»

UELI MAURER – Grosskonzerne müssten ihr Wachstum nicht mit Eigenkapital finanzieren, sagt der Finanzminister. Anders die jungen Start-ups: Sie sind auf Eigenkapital angewiesen. «Diese gleich zu Beginn mit einer Steuer zu bestrafen, schadet der Volkswirtschaft.»

Abstimmungszeitung: Sie sind Finanzminister – und setzen sich für die Abschaffung einer Steuer ein. Wie geht das zusammen?

Bundesrat Ueli Maurer: Als Finanzminister trage ich viel Verantwortung für die Attraktivität und das Wachstum der Schweizer Volkswirtschaft. Steuersenkungen können da hilfreich sein.

Die «Stempelsteuer» oder Emissionsabgabe ist die älteste Steuer der Schweiz. Weshalb sollen wir ausgerechnet sie abschaffen?

Die Emissionsabgabe ist eine veraltete Steuer, die ausser der Schweiz kaum ein anderes Land kennt. Sie verteuert Investitionen und Neugründungen von Unternehmen. Das ist schädlich für den Wirtschaftsstandort Schweiz.

Worum geht es bei der Emissionsabgabe überhaupt; was wird hier eigentlich besteuert?

Die Emissionsabgabe wird fällig, wenn sich ein Unternehmen Eigenkapital beschafft. Derzeit besteuert der Bund das aufgenommene Eigenkapital mit einem Prozent. Dabei gilt ein Freibetrag von einer Million Franken. Nur Beträge über dieser Million werden besteuert.

Was tragen neu gegründete Firmen – die sogenannten Start-ups – zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Schweiz bei?

Die heutigen Start-ups sind die KMU und Grossfirmen von morgen. Sie bringen Innovationen, schaffen Arbeitsplätze und sichern Steuereinnahmen, die anderswo aufgrund des kontinuierlichen Strukturwandels wegfallen. Sie sind also enorm wichtig für die Zukunft der Schweiz.

Wie finanzieren sich diese Start-ups zu Beginn ihrer Tätigkeit am häufigsten?

Die meisten Start-ups erhalten von Banken zu Beginn noch keine Kredite. Zudem erwirtschaften sie meist noch zu wenig Gewinn, um die nötigen Investitionen finanzieren zu können. Sie sind also auf Eigenkapital angewiesen. Derzeit bestrafen wir das Risiko, das Start-up-Investoren eingehen, noch mit einer Steuer. Das ist volkswirtschaftlich schädlich.

Die Gegner behaupten, nur Grosskonzerne würden von der Abschaffung profitieren. Trifft das zu?

Nein. Grosskonzerne sind von der Emissionsabgabe meist gar nicht betroffen. Sie haben normalerweise einbehaltene Gewinne, mit denen sie ihr Wachstum finanzieren, und müssen ihr Eigenkapital gar nicht erhöhen. Von der Abschaffung der Emissionsabgabe profitieren vor allem junge, wachstumsstarke Unternehmen, die noch keine Reserven haben. Sie können sich nur über Eigenkapital finanzieren, das der Emissionsabgabe unterliegt. Die Abschaffung kommt aber nicht nur Unternehmen zugute, sondern auch Arbeitnehmenden.

Warum profitieren nicht nur Unternehmen, sondern auch Arbeitnehmende von der Abschaffung?

Entscheidend ist nicht, wer Steuern zahlt, sondern wer sie letztlich trägt. Dies ist vor allem bei Unternehmenssteuern wichtig: Unternehmen zahlen zwar Steuern, überwälzen die Last aber an Arbeitnehmende, Kapitalgeber, Konsumenten etc., indem sie entweder die Löhne senken oder die Preise erhöhen. Die Abschaffung der Emissionsabgabe kommt folglich auch Arbeitnehmenden zugute. Sie führt zudem dazu, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und somit Einkommen generiert wird. Von der Abschaffung profitieren also nicht nur Unternehmen, sondern wir alle.

Ohne Emissionsabgabe würde der Bund jährlich rund 250 Mio. Franken weniger einnehmen. Können wir uns das leisten?

Die anfänglichen Mindereinnahmen sind für den Bund verkraftbar und werden durch die Wachstumsimpulse, welche die Abschaffung generiert, aufgewogen. Was dem Bund anfangs entgeht, kommt den Unternehmen zugute. Sie können das Geld investieren, dadurch Einkommen generieren und Arbeitsplätze schaffen. Wächst die Wirtschaft, so wachsen mit der Zeit auch wieder die Steuereinnahmen und der Bundeshaushalt bleibt robust.

Was bedeutet die Abschaffung der Emissionsabgabe für die Standortattraktivität der Schweiz?

Mit der Abschaffung wird es attraktiver, in der Schweiz zu investieren. Sie entlastet Unternehmen, sichert oder schafft neue Arbeitsplätze und generiert somit Einkommen. Die Abschaffung der Emissionsabgabe wirkt sich also positiv auf die gesamte Wirtschaft und die Standortattraktivität der Schweiz aus.

Wieso ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, die Emissionsabgabe abzuschaffen?

Zum Zeitpunkt der Abstimmung wird es zwei Jahre her sein, seit das Coronavirus unser Leben verändert und eine bis heute anhaltende Krise ausgelöst hat. Gerade in Krisen ist ein Teil der Unternehmen auf neues Eigenkapital angewiesen, um zu überleben. Mit der Abschaffung der Emissionsabgabe entfällt in Krisenzeiten eine Zusatzbelastung. Zudem schwindet mit der geplanten OECD-Steuerreform unser Vorteil tiefer Gewinnsteuern. Mit der Abschaffung der Emissionsabgabe entlasten wir die Unternehmen und stellen sicher, dass die Schweiz attraktiv bleibt.

 

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