Publiziert am: 04.02.2022

Jetzt ist der Ständerat gefordert

VERORDNUNGSVETO – Das Parlament soll bei Verordnungen mehr Mit­spra­che erhalten. Dies fordert eine par­la­mentarische Initiative von sgv-Prä­si­dent Fabio Regazzi. Weshalb dies dringend ist, belegen Beispiele aus jüngster Zeit, etwa im Datenschutz oder beim Beschaffungsrecht.

Langsam reift die Einsicht, dass das Parlament bei Verordnungen des Bundesrates ein stärkeres Mitspracherecht benötigt. Der Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands, Nationalrat Fabio Regazzi (Die Mitte, TI), kann einen wichtigen Erfolg verbuchen. Seine parlamentarische Initiative «Auf Augenhöhe mit dem Bundesrat» wird von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates unterstützt. Jetzt ist die Schwesterkommission des Ständerates gefordert.

Hohe Hürden

Regazzis Vorschlag für ein Verordnungsveto orientiert sich an zwei Grundsätzen. Erstens sollen rechtsetzende Verordnungen und Änderungen an solchen vor ihrer Inkraftsetzung der Bundesversammlung übermittelt werden. Ausgenommen sind befristete Verordnungen oder Verfügungen, die der Bundesrat zur Wahrung der Interessen des Landes erlässt. Oder befristete Verordnungen, um unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen, wie das vor zwei Jahren in der Corona-Krise der Fall gewesen ist.

Stellt zweitens mindestens die Hälfte der Mitglieder eines Rates innerhalb von 14 Tagen den Antrag für ein Veto gegen die Verordnung oder die Verordnungsänderung, soll der Rat den Antrag in der Regel in der nächsten ordentlichen Session behandeln. Stimmt der Rat dem Antrag zu, geht dieser Beschluss an den anderen Rat, ausser wenn im anderen Rat derselbe Antrag eingereicht worden ist. Ist dies nicht der Fall, so behandelt der andere Rat das Veto des Erstrates in der Regel in der gleichen Session.

Eine Verordnung oder eine Verordnungsänderung kann in Kraft gesetzt werden, wenn diese Frist unbenutzt abgelaufen ist oder ein Rat das Veto abgelehnt hat.

Gründe gibt es genug

Die Forderung nach einem Verordnungsveto ist alt. Bereits vor 28 Jahren reichte die damalige Zürcher FDP-Nationalrätin Vreni Spoerry einen Vorstoss ein, in dem sie einen Genehmigungsvorbehalt bei wichtigen Verordnungen forderte. Später kam es sowohl im Stände- wie auch im Nationalrat zu weiteren Vorstössen, denen aber allesamt kein Erfolg beschieden war.

Dabei gibt es für die Notwendigkeit eines Verordnungsvetos durch das Parlament genügend Anschauungsbeispiele. Paradebeispiel ist die Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VBöB). Nach der Verabschiedung des neuen Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) in der Sommersession 2019 durch die eidgenössischen Räte hat der Bundesrat die dazugehörige Verordnung erarbeitet. Obwohl National- und Ständerat das Einsichtsrecht in die Preiskalkulation aus dem bundesrätlichen Gesetzesentwurf gestrichen hatten, hat der Bundesrat dieses klammheimlich in die Verordnung aufgenommen. Nicht einmal die ablehnenden Stellungnahmen der Wirtschafts- und Abgabenkommissionen des Nationalrates und des Ständerates im Rahmen einer Konsultation zeigten eine Wirkung.

Als ob nichts gewesen wäre

Als ob nichts geschehen wäre, präsentierte der Bundesrat Anfang 2020 die VBöB mit dem Einsichtsrecht in die Preiskalkulation, was umgehend die Einreichung zweier gleichlautender Motionen von Ständerätin Johanna Gapany (FDP/FR) und Nationalrat Olivier Feller (FDP/VD) provozierte, den besagten Artikel aus der Verordnung zu streichen.

2022 kündigt sich ein zweiter Sündenfall an. In der Herbstsession 2020 hat das Parlament das Datenschutzgesetz verabschiedet und diverse Korrekturen angebracht. Die dazugehörende Verordnung, die der Bundesrat 2021 in Vernehmlassung geschickt hat, enthält verschiedene Bestimmungen, die nicht dem Willen des Parlaments entsprechen. Entsprechend negativ sind die Stellungnahmen denn auch ausgefallen. Jetzt ist es wiederum am Parlament, sich zur Wehr zu setzen.

Kontrolle verhindert Leerläufe

Ein Verordnungsveto wie von Fabio Regazzi vorgeschlagen ist kein Misstrauensvotum gegenüber dem Bundesrat. Hingegen entfaltet es eine präventive Wirkung. Der Bundesrat wird stärker auf den Willen des Gesetzgebers achten müssen. Zudem verhindert das Veto unnötige Korrekturmassnahmen durch das Parlament. Diese Gründe sollten auch für die staatspolitische Kommission des Ständerates Argument genug sein, das Verordnungsveto zu unterstützen. Sie wird voraussichtlich nach der Frühjahrssession darüber befinden.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

Meist Gelesen