Publiziert am: 10.11.2017

«Jetzt muss Tempo in die Sache»

ALTERSVORSORGE – Nach dem Scheitern der AHV-Scheinreform drängt der sgv darauf, dass die nötigen Reformschritte – getrennt nach AHV und BVG – zügig an die Hand genommen werden. Bis 2022 sollte ein Gesetz in Kraft sein.

Der 24. September 2017 war für SP-Bundesrat Alain Berset ein persönliches Waterloo. Der Sozialminister hatte sein ganzes Prestige in die Schlacht um die Rentenreform eingebracht – und scheiterte krachend. Entsprechend lange dauerte es, bis Berset sich aufgerappelt hatte. Beinahe fünf Wochen nach der Abstimmung lud er die interessierten Kreise – insgesamt 27 Organisationen à je zwei Teil­nehmende – zum «Runden Tisch». «Vergleicht man Bersets Vorgehen mit jenem von Bundesrat 
Ueli Maurer nach dem Scheitern 
der Unternehmenssteuerreform, so wünschte man sich ein deutlich rascheres Vorwärtsgehen», sagt sgv-Vizedirektor Kurt Gfeller, der – zusammen mit sgv-Präsident und Nationalrat Jean-François Rime – am Treffen vom 27. Oktober die Positionen des sgv vertrat. Für Gfeller ist folgender Fahrplan realistisch: Gut zwei Jahre politisches Seilziehen bis zu einer Vorlage; ein Jahr für ein allfälliges Referendum und die Abstimmung – per 2022 wäre somit die Inkraftsetzung des neuen Gesetzes zur Altersvorsorge möglich. «Es muss nun endlich Tempo gemacht werden», sagt auch sgv-Direktor und Nationalrat Hans-Ulrich Bigler.

Am Ausbau gescheitert

Das Meeting von Ende Oktober sei «eine reine Alibiübung» gewesen, findet Gfeller. Immerhin sei klargeworden, dass auch Sozialminister Berset kein Gesamtpaket mehr an die Urne bringen werde.

Und auch der Schweizerische Gewerbeverband konnte am «Runden Tisch» seine Überlegungen für eine Neuauflage der Reform einbringen. Die Vorlage wäre auch ohne die linken Nein-Stimmen aus der Romandie am Ständemehr gescheitert, so die Analyse des sgv. Das dreifache Nein vom 24. September sei daher klar ein bürger­liches Nein. Ebenso klar ist, dass die Vorlage primär am geplanten AHV-Ausbau gescheitert ist. «Bereits die Abstimmung zu AHVplus vor einem Jahr hat ja deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein weiterer Ausbau nicht mehrheitsfähig ist», so Gfeller. Für den sgv steht daher fest: Ein Rentenausbau kommt auf Jahrzehnte hinaus nicht mehr in Frage.

Drei Reformvorlagen

Als Sofortmassnahme sind die 440 Millionen Franken, die im Budget 2018 als Zusatzausgaben für die AHV reserviert waren, auch effektiv der AHV zuzuweisen und nicht für neue Ausgaben einzusetzen. Aus Sicht des sgv braucht es dann drei Reformvorlagen: eine rasche AHV-Reform, eine rasche BVG-Reform und eine nachgelagerte, umfassendere Sanierungsreform. Die beiden ersten Reformen sind relativ dringend und sollen das finanzielle Gleichgewicht der Altersvorsorge bis circa 2025 sicherstellen. Sie haben sich auf das absolut Notwendigste zu beschränken.

n Rasche AHV-Reform: Ziel muss es sein, die AHV vor grösseren Defiziten zu bewahren. Dazu braucht es die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre sowie eine moderate Erhöhung der Mehrwertsteuersätze. Zwecks Minimierung der Umstellungskosten ist die Erhöhung der Mehrwertsteuersätze in einem Schritt umzusetzen.

n Rasche BVG-Reform: Eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6,0 Prozent ist unumgänglich. Die daraus resultierenden Rentenkürzungen sind durch höhere Beitragssätze und Massnahmen zugunsten der Übergangsgenerationen abzufedern. Klar abgelehnt wird eine Senkung oder gar Streichung des Koordi­nationsabzugs. Der Niedriglohnbereich würde damit viel zu stark belastet.

n Nachgelagerte umfassende Sanierungsvorlage: Die Schweiz kennt bereits heute ein recht flexibles Rentenalter. Anpassungen sind hier alles andere als dringlich und daher in das nachgelagerte dritte Reformpaket zu verschieben. Hauptziel dieses Reformpakets muss aber die Wahrung des finanziellen Gleich­gewichts der Altersvorsorge auf zehn bis fünfzehn Jahre hinaus sein. Dazu braucht es eine generelle schrittweise Erhöhung des Rentenalters sowie eine weitere moderate Erhöhung der Mehrwertsteuersätze. Höhere Lohnbeiträge lehnt der sgv demgegenüber klar ab. Ins dritte Reformpaket muss zwingend auch ein Inter­ventionsmechanismus eingebaut werden.

Bestehendes sichern

Volk und Stände haben mehrfach kundgetan, dass sie keinen weiteren Rentenausbau wollen. Daran hat sich die Politik zu halten. Künftige Reformen haben sich daher klar auf die Sicherung des Bestehenden auszurichten. Wichtig ist auch, dass ausgewogene Massnahmen beschlossen werden, die nicht einseitig auf Mehreinnahmen ausgerichtet sind. Angesichts der stetig steigenden Lebenserwartung ist für den sgv klar, dass auf mittlere und erst recht auf längere Sicht kein Weg an einer generellen Erhöhung des Rentenalters vorbeiführt.En/Gf

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