Publiziert am: 25.10.2019

Kein guter Tag

WAHLEN 2019 – Das Ziel, die KMU-Vertretung im Parlament zu stärken, wurde nicht erreicht. Mehrere Spitzenvertreter des sgv mussten über die Klinge springen. Die Sieger des 20. Oktobers dürften daran gemessen werden, inwiefern ihre Vorlagen vor dem Volk Bestand haben.

Der 20. Oktober 2019 war aus Sicht des Schweizer Gewerbes kein guter Tag. Der erwartete Linksrutsch fiel noch deutlicher aus als befürchtet. Die Grünen gewannen 17 Sitze und die Grünliberalen deren 9, während die SVP 12, die FDP 4 und die CVP 3 Sitze verloren haben.

Die SP, angetreten mit dem Anspruch, «die rechte Mehrheit zu brechen», verlor ihrerseits 4 Sitze, darunter – besonders schmerzhaft – jene der beiden Berner Gewerkschafter Corrado Pardini (Geschäftsleitung Unia) und Adrian Wüthrich (Präsident Travailsuisse) und des Solothurner Gewerkschaftssekretärs Philipp Hadorn.

Gewerbefraktion dezimiert

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv war mit dem Ziel angetreten, die Vertretung der KMU im eidgenössischen Parlament zu stärken. Doch wie erwartet stand die Wahl im Zeichen der Klimadebatte; eine Stärkung des Gewerbeflügels in Bundesbern wurde deshalb nicht erreicht.

Im Gegenteil: Auch der sgv und seine Vertreter im Nationalrat mussten Federn lassen. Abgewählt wurden sgv-Präsident Jean-François Rime (SVP/FR), Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler (FDP/ZH) und sgv-Vorstandsmitglied Hansjörg Brunner (FDP/TG). Kein Glück beschieden war auch Gewerbekammermitglied Peter Schilliger (FDP/LU). sgv-Vorstandsmitglied Daniela Schneeberger (FDP/BL) schaffte die Wiederwahl problemlos. Die beiden Kammermitglieder Adrian Amstutz (SVP/BE) und Sylvia Flückiger-Bäni (SVP/AG) waren nicht mehr zur Wahl angetreten.

Folgende Kammermitglieder wurden für eine nächste Legislatur bestätigt: Olivier Feller (FDP/VD), Doris Fiala (FDP/ZH), Alois Gmür (CVP/SZ), Diana Gutjahr (SVP/TG), Leo Müller (CVP/LU), Fabio Regazzi (CVP/TI) und David Zuberbühler (SVP/AR).

Eine Wiederwahl in die grosse Kammer geschafft haben zudem die vom sgv als «KMU geprüft» empfohlenen Franz Grüter (SVP/LU) und Bruno Walliser (SVP/ZH).

Potenzielle Alliierte

Ebenfalls in den Nationalrat neu oder wieder gewählt wurden u. a. folgende Unternehmer und tendenziell gewerbefreundlichen Kandidaten: Thierry Burkart (FDP), Benjamin Giezendanner (SVP), Matthias Jauslin (FDP) und Hansjörg Knecht (SVP, alle Kanton AG). Thomas Rechsteiner (CVP/AI), weiter die Berner Erich Hess, Nadja Pieren, Albert Rösti und Werner Salzmann (alle SVP) sowie Christian Wasserfallen (FDP), die Baselbieterin Sandra Sollberger (SVP), weiter Magdalena Martullo-Blocher (SVP) für Graubünden, die St. Galler Roland Rino Büchel (SVP), Marcel Dobler (FDP) und Nicolo Paganini (CVP), die Thurgauerin Verena Herzog (SVP) und der Zürcher Gregor Rutz (SVP).

Aus dem Tessin gewählt wurden die Unternehmer Rocco Cattaneo (FDP) und Fabio Regazzi (CVP), neu zudem Alex Farinelli (FDP). Die Westschweiz wird unter anderem durch Philippe Nantermod (FDP), den Präsident des Walliser Gewerbeverbands, die Genfer Christian Lüscher (FDP) und Céline Amaudruz (SVP) vertreten.

Philippe Bauer (FDP/NE) wurde in den Ständerat gewählt. Die zweiten Wahlgänge für den Ständerat finden im November statt – es ist zu hoffen, dass auch hier noch KMU-freundliche Kandidatinnen oder Kandidaten ins Stöckli gewählt oder solche in den Nationalrat nachrutschen werden.

Neue Mehrheiten – auch im Volk?

Das neue Parlament wird grüner, urbaner – und mit 42,5 Prozent Frauenanteil auch weiblicher. Alles andere wäre nach dem Frauenstreik im Sommer und den Klimademonstrationen bis kurz vor dem Wahltag erstaunlich gewesen. Anders als von einigen Auguren erwartet aber nahm die Stimmbeteiligung nicht auf mehr als 50 Prozent zu, sondern sank auf gut 45 Prozent.

Die SVP bleibt mit 25,8 Prozent Wähleranteil die stärkste Partei, gefolgt von der SP (16,6) und der FDP (15,3). Die CVP bleibt stabil (11,4), Grüne (13,0) und Grünliberale (7,9) legen deutlich zu.

Neu haben die Grünen 28 Sitze im Nationalrat (+17). Die GLP hat neu 16 Sitze (+9). Stärkste Kraft bleibt die SVP mit 53 Sitzen (–12). Die SP kommt auf 39 Sitze (–4), die FDP auf 29 Sitze (–4), die CVP auf 25 (–2). Die BDP kommt neu auf 3 (–4) und verliert damit Fraktionsstärke.

Die heute siegreichen Grünen und die glp werden nun daran gehen, ihre Ideen betreffend den Klimaschutz im Parlament durchzubringen. Dabei wird sich unter anderem zeigen, wieweit die Grünliberalen tatsächlich liberal sind. Nicht nur diese beiden Parteien dürften daran gemessen werden, inwieweit ihre Ideen in Abstimmungen vor dem Volk Bestand haben. Zur Erinnerung: Alle grünen Volksinitiativen wurden bisher vom Volk abgelehnt; die einzige glp-Initiative («Energie- statt Mehrwertsteuer») sogar mit stolzen 92 Prozent Nein-Anteil. Auch bei den Grünen dürften die Bäume also nicht in den Himmel wachsen.

Gerhard Enggist

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