Publiziert am: 09.02.2018

Keine Vorschriften mehr

MOTION – Die Verwaltung bestimmt, wer selbständig ist. Nationalrätin Daniela Schneeberger ­fordert deshalb die Vereinfachung der rechtsformunabhängigen Eintragung der Selbständigkeit.

Wer entscheidet, ob eine Unterneh-merin tatsächlich selbständig tätig ist? Wenn jemand entscheidet, eine Firma zu gründen und sich darauf einlässt, ist er selbständig. So weit geht die Intuition. Doch das stimmt so nicht – zumindest nicht in der Schweiz: Der Entscheid nämlich, ob eine Person selbständig ist oder nicht, treffen hierzulande Bürokraten. Auch wenn man meint, eine Firma selbständig zu führen, haben beispielsweise die Mehrwertsteuer- und Sozialversicheungsämter immer noch das letzte Wort. Sie entscheiden endgültig, ob eine Unternehmung wirklich selbständig tätig ist. Sie entscheiden ganz ohne gesetzliche Grundlage – in einem Verwaltungsakt.

Die Verwaltung macht 
eigene Vorschriften

Der Schweizer Gesetzgeber hat sich noch nie Gedanken über die Selb-ständigkeit gemacht. Als das Obliga-tionenrecht OR ins Leben gerufen wurde, galt nämlich die Devise: «Was nicht ausdrücklich verboten oder ­reguliert ist, ist frei.» Das bedeutet: Wenn das Gesetz keine Vorschriften macht, kann das Individuum so handeln, wie es will. Dieser Grundsatz der Schweizer Wirtschaftsfreiheit ­erlaubt es allen, die es wollen, unternehmerisch tätig zu werden. Das alleine reicht dem OR aus. Der Verwaltung genügt es jedoch nicht. Deswegen macht sie eigene Vorschriften. Zum Beispiel sagt sie, eine Unternehmung müsste eine Mindestanzahl Kunden haben, um als selbständig zu gelten. Oder sie richtet sich nach äusserlichen Gesichtspunkten. Schon die Eindrücke, welche die Verwaltung von einer Firma hat, berechtigen die Verwaltung, die Firma als selbständig oder eben nicht selbständig einzustufen. Besonders pikant: Das eigenmächtige Handeln der Behörde ist weder durch Gesetz noch durch Verordnung legitimiert.

Unnötige Belastungen durch
die Verwaltung

Unternehmungen werden durch diese Verwaltungsakte belastet:

nErstes Beispiel: Jemand führt eine Firma, die IT-Projekte konzipiert und implementiert. Das KMU ist klein und kann deshalb jeweils nur ein Projekt durchführen. Was macht die Sozialversicherungsbehörde? Sie erkennt der Firma die Selbständigkeit ab. Warum? Zu wenig Kunden.

n Zweites Beispiel: Eine Versiche-rungsbrokerin teilt sich eine Liegen-schaft mit einem Vermögensverwal-ter und einer Finanzplanerin. Sie arbeiten jeweils auf eigene Rech-nung und teilen sich nur die Miet-kosten. Die Mehrwertsteuerbehörde sagt, die drei sind eine Firma. Wa-rum? Nur, weil sie als Mehrwert-steuerverwaltung diesen Eindruck hat.

Diese Behörden werden nun einwenden, die Firmen hätten ja Mittel, die Selbständigkeit geltend zu machen. Der IT-Dienstleister könnte ja nach mehreren Jahren Betrieb zeigen, dass er verschiedene Kunden hatte. Aber was, wenn es eine Neugründung oder ein sogenanntes «Start-up» ist? Die Behörden sagen auch, die Finanzdienstleister können sich je als eigene Aktiengesellschaft konstituieren. Aber auch hier werden Unternehmerinnen gezwungen, Kosten auf sich zu nehmen, nur um die Anforderungen der Verwaltung zu erfüllen.

Motion von Nationalrätin 
Daniela Schneeberger

Das kann nicht so bleiben, findet sgv-Vorstandsmitglied und Nationalrätin Daniela Schneeberger (FDP/BL). In der vergangenen Session reichte sie deshalb eine Motion ein. Die rechtsformunabhängige Eintragung der Selbständigkeit soll vereinfacht und an die Selbstdeklaration des Unternehmens ausgerichtet werden. Diese Anpassungen sollen entlang des Selbstständigkeitsprinzips erfolgen. Es besteht aus zwei Komponenten:

n Wer als selbständig Erwerbender AHV-anerkannt ist, ist als eigenständige wirtschaftliche Einheit (insbesondere bei der Mehrwertsteuer) zu behandeln.

n Jede AHV-Anmeldung einer selbständigen Tätigkeit ist als solche zu akzeptieren.

Mit anderen Worten: Wenn jemand sagt, er oder sie hätte eine selbstän-dige Firma, hat die Verwaltung es auch so zu akzeptieren. Sollte ­eigentlich logisch sein.

Henrique Schneider,

Stv. Direktor sgv

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