Publiziert am: 22.04.2016

«KMU benötigen mehr Freiräume»

PARLAMENTARISCHE GEWERBEGRUPPE – «Wir müssen endlich Ernst machen mit dem Bürokratieabbau»: Das haben sich vier 
Mitglieder für die laufende Legislatur zum Ziel gesetzt. Einig sind sie sich auch im Kampf für mehr Wettbewerbsfähigkeit.

Angesichts der Dynamik der Entwicklung in den letzten Jahren bin ich nicht überzeugt, dass wir heute bereits alle noch kommenden Herausforderungen des Gewerbes kennen – leider. Politisch ist die grösste Herausforderung für uns Wirtschafts- und Gewerbepolitiker, der immer wieder auftretenden Versuchung zu widerstehen, beim Auftreten jedes neuen Problems nach dem Staat und seinen Regelungen zu rufen. Nicht alles, was aus aktuellem Anlass als schädlich angeschaut wird, muss gleich verboten, nicht alles, was gerade in Mode ist, muss gefördert werden. Dass ich dabei auch an die Energiepolitik denke, liegt bei meinem Hintergrund auf der Hand.

«Wir müssen dringend REchtssicherheit schaffen.»

Eine zweite bedrohliche Herausforderung liegt in der Entwicklung, dass immer mehr Unternehmungen – auch KMU – im Ausland Filialen, Niederlassungen gründen oder gar den Sitz ins Ausland verlegen. Daran ist nicht nur – aber auch – die Euroschwäche schuld. Auch eigene Überregulierungen und die Sorge, den europäischen Arbeits- und Absatzmarkt zu verlieren, spielen mit. Wir müssen daher Rechtssicherheit schaffen. Es muss rasch Klarheit hergestellt werden, wie es mit der steuerlichen Belastung in unserem Land aussehen wird (Unternehmenssteuerreform III) und wie unser Verhältnis zu unserem wichtigsten Handelspartner EU ausgestaltet wird (Masseneinwanderungsinitiative, Fachkräfte, Bilaterale Verträge). Dabei vertrete ich ganz klar die Haltung, dass wir uns dezidiert gegen Isolationismus positionieren und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz hochhalten müssen. Am besten unterstützen wir unsere Betriebe, indem wir grösstmögliche Zurückhaltung an den Tag legen, wenn es um neue Regulierungsideen geht.

Urs Gasche,

Nationalrat BDP/BE

Wertschöpfung statt Bürokratie

Die entscheidendste Herausforderung in der neuen Legislatur liegt zweifellos darin, dass sich die Rahmenbedingungen für die KMU-Wirtschaft nicht weiter verschlechtern. Die tägliche Berufspraxis als Geschäftsführerin eines mittelständischen Malerbetriebes zeigt mir oft auf drastische Weise, dass unsere Rahmenbedingungen nicht stimmen und verbessert werden müssen. Unsere Betriebe benötigen dringend mehr Freiräume. Das Ausfüllen von Formularen, das Studium von komplizierten Gesetzen, Verordnungen und Wegleitungen sowie langwierige Bewilligungsverfahren kosten Zeit, Nerven und Geld, sichern aber keine Arbeitsplätze und schaffen vor allem keine neuen. Unsere Betriebe brauchen keine weiteren administrativen Hürden, sie brauchen Investitions- und Innova­tionsanreize.

«Wir können uns nicht mehr Steuern und Abgaben leisten.»

In der erst ein paar Monate alten Legislatur haben die politischen Kräfte, welche der KMU-Wirtschaft nahe stehen, eine Mehrheit im Parlament. Eigentlich sollte es in den kommenden vier Jahren endlich gelingen, dass ein Abbau unnötiger Bürokratie stattfindet und damit die Voraussetzung für mehr Wertschöpfung geschaffen wird. Der Wulst von Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften darf nicht jedes Jahr um mehrere tausend Seiten weiterwachsen. Ein neues Gesetz sollte erst in Kraft treten, wenn gleichzeitig zwei bisherige, überflüssige Regelwerke abgeschafft werden. In diesem Sinne verlangt die nationalrätliche Spezialkommission «Legislaturplanung», in der ich Einsitz nehme, vom Bundesrat einen Bericht über die Regulierungskosten zur Entlastung der Wirtschaft und die Erarbeitung eines umfassenden Deregulierungspakets. Wir müssen endlich Ernst machen mit der Forderung nach Bürokratieabbau. Es kann nicht sein, dass mit der bestehenden Regulierung jährlich Milliarden von Franken verpuffen.

In diesem Zusammenhang bieten die Entwicklung der Bundesfinanzen, die Steuerpolitik allgemein sowie die Energiestrategie ganz konkrete Gefahren für die KMU-Wirtschaft. Diese Herausforderungen dürfen nicht auf dem Buckel unserer Betriebe gelöst werden: Wir können uns nicht mehr Steuern und Abgaben leisten. Auch die Energie muss für KMU bezahlbar bleiben. Schliesslich gilt es, im Rahmen der «Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2017 bis 2020» unser duales Berufsbildungssystem weiter zu stärken und der akademischen Ausbildung gleichzustellen. Nur so können wir den Fachkräftemangel mit inländischen Arbeitskräften lösen.

Sandra Sollberger,

Nationalrätin SVP/BL

Benötigte Fachkräfte müssen 
zur Verfügung stehen

Mittlerweile ist schon die zweite Session in der Legislatur 2015–2019 über die Bühne gegangen. Die nächsten 14 Sessionen werden mit vielen KMU-relevanten Themen befrachtet sein. Ein Meilenstein ist dabei sicher die Unternehmenssteuerreform III. Hier geht es nicht nur um internationale Konzerne, sondern auch um die Interessen der KMU. So steht die privilegierte Dividendenbesteuerung zur Diskussion. Die Gegner der USR III möchten mit einer Anhebung der Dividendenbesteuerung (bis auf 100 Prozent) die «Ausfälle» gegenfinanzieren. Das ist natürlich falsch und zu bekämpfen. Hier gilt es, für die bürgerlichen Politiker eine klare Position einzunehmen.

Beim Stabilisierungsprogramm 2017–2019 wird es um den Verteilungskampf gehen. Wo sollen 1 bis 1,5 Milliarden Franken pro Jahr eingespart werden? Wichtig für die KMU-Wirtschaft ist, dass im Bereich der Bildung nicht zulasten der Berufsbildung gespart wird. Die Politiker müssen dem dualen Bildungssystem unbedingt Sorge tragen.

«Im Bereich der 
Bildung darf nicht zuLasten der Berufsbildung gespart 
werden.»

Bei der Rentenreform 2020, die angesichts der Fehlbeträge 2015 in der Ersten Säule nötiger denn je ist, muss darauf geachtet werden, dass die Lohnnebenkosten nicht noch mehr erhöht werden. Schliesslich geht es um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Arbeitsplatzes.

Und natürlich gilt es, die Masseneinwanderungsinitiative umzusetzen. Für die KMU-Wirtschaft ist entscheidend, dass die benötigten Fachkräfte zur Verfügung stehen. Deshalb braucht es in diesem Zusammenhang die Fachkräfteinitiative und die Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials. Damit zusammen hängt eine Bildungspolitik, die auf die Bedürfnisse des Gewerbes Rücksicht nimmt und dort fördert, wo Fachkräftemangel ­besteht. Dies dürfte eine der grössten Herausforderungen sein, die sich der Politik stellt, wenn sie die KMU-Wirtschaft unterstützen will. Aber ganz generell darf nicht vergessen werden, was die wichtigste Aufgabe der Politiker in den nächsten Jahren sein wird: Abbau von administrativen Hindernissen und Regulierungsabbau. Da darf auch über Automatismen bei der Aufhebung von nicht mehr benötigten Gesetzen nachgedacht werden (zum Beispiel Sunset-Klauseln etc.). Wir sollen und dürfen an unserer Bemühung zum Abbau gemessen werden. Hier ist die Wirkung der Arbeit der Politiker am schnellsten wirksam. Packen wir es an!

Erich Ettlin,

Ständerat CVP/OW

Bilateralen Weg sichern

Die Schweiz gilt als eines der in­novativsten und wettbewerbsfähigsten Länder der Welt. Doch diese Position zu halten, dürfte nicht ganz einfach sein. Gross sind die Herausforderungen im internationalen Kontext, gefährlich gewisse Aktivitäten im eigenen Land, zunehmend die Regulierung.

Die grössten Herausforderungen für unsere KMU-Wirtschaft sind:

n Die Sicherung des bilateralen Weges: Es ist nun mal so, dass die Schweiz mit mehr als 120 Bilateralen Verträgen an die EU gebunden ist. Würden diese Verträge aufgegeben, hätte dies über Jahre negative Folgen, auch für die KMU.

n Der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit: Die Schweizer Wirtschaft hat den Frankenschock 2015 insgesamt zwar erstaunlich gut weggesteckt. Doch der gesamte Tourismus und die Exportwirtschaft haben bereits letztes Jahr massiv gelitten. Die Folgen werden erst ab diesem Jahr richtig sichtbar. Die Wettbewerbsfähigkeit ist in mehreren Branchen in Frage gestellt.

n Die Reform der Unternehmens­besteuerung: Wichtig ist das Gelingen der Unternehmenssteuerreform III. Es geht hier darum, uns international akzeptierten Standards anzupassen und gleichzeitig steuerlich attraktiv zu bleiben.

n Die Umgestaltung der Altersvorsorge: Das Gesetzesvorhaben der Altersvorsorge 2020 soll die AHV und die berufliche Vorsorge langfristig sichern. Doch nicht zulasten der KMU. Eine Erhöhung der Lohnkosten im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld können wir uns nicht leisten.

«Die Politik sollte in der Lage sein, für eine florierende KMU-Wirtschaft zu sorgen.»

Dringlich sind für mich:

n Die rasche Umsetzung einer USR III, die auf die Interessen der KMU angemessen Rücksicht nimmt.

n Korrekturen bei der Altersvorsorge 2020, möglichst mit der Einführung einer AHV-Schuldenbremse.

n Das Treffen von Massnahmen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, durch Senkung von Regulierungskosten sowie durch Abbau von Vorschriften.

Durch die erstarkte bürgerliche Mehrheit im Bundesparlament sollte die Politik eigentlich in der Lage sein, bei der Beratung der Gesetzesvorlagen und Vorstösse für eine florierende KMU-Wirtschaft zu sorgen.

Josef Dittli,

Ständerat FDP/UR

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