Publiziert am: 12.12.2014

Kohlestrom statt Kernenergie?

ENERGIEPOLITIK – Der Nationalrat ist dem Bundesrat gefolgt und hat das Verbot der Kernenergie an den Ständerat überwiesen. 
Ob der Ersatz von fast 40 Prozent des Schweizer Stroms mit Erneuerbaren gelingt, ist nach wie vor fraglich.

Die Debatte über das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 im Nationalrat war eine der umfangreichsten überhaupt. Das verdeutlicht, wie schwierig das Unterfangen «Energiewende» und der Verzicht auf die Kernenergie ist. Die Kernenergie ist eine bewährte Stütze der bisherigen Schweizer Energiepolitik. Nach dem Bundesrat will nun aber auch der Nationalrat ein Verbot von neuen Kernkraftwerken (KKW) im Gesetz festschreiben. Dabei hätten beide Instanzen schon nach heutigem Recht ein Mittel zur Hand, um den Bau neuer KKW zu verhindern. Sie können einfach die Bewilligung verweigern. Auch das Schweizer Volk kann mittels Referendum Nein sagen zu neuen KKW. Mit dem sogenannten Langzeitbetriebskonzept hat die grosse Kammer zudem eine faktische Laufzeitbeschränkung geschaffen, die in keiner Weise für eine höhere Sicherheit sorgt.

Wie soll die Kernenergie 
ersetzt werden?

Im langjährigen Durchschnitt produziert die Kernenergie rund 40 Prozent des Schweizer Stroms, im Winter sogar über die Hälfte. Dann geht jeweils die Stromproduktion aus Wasserkraft zurück, gleichzeitig ist in der kalten Jahreszeit der Strombedarf höher als im Sommer. Aber woher soll dereinst der Strom kommen, den heute die Schweizer KKW produzieren? Auch am Ende der parlamentarischen Beratung über die Energiestrategie 2050 wird diese Frage erst auf dem Papier beantwortet sein, denn Gesetzesartikel produzieren keinen Strom. Die Energiestrategie sieht einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien vor. Ob das trotz immenser Kosten und Konflikten mit dem Naturschutz gelingt, ist mehr als fraglich. Und selbst im optimistischsten Szenario des Bundesrates reichen die Erneuerbaren nicht aus. In seiner Strategie sind daher auch Gaskombikraftwerke vorgesehen. Da das Gelingen dieses Plans aber angesichts des Widerstands und der Bedingungen am europäischen Strommarkt ebenfalls nicht sicher ist, bleibt nur die Option der Stromimporte.

Französischer Atom- oder ­deutscher Kohlestrom

Diese Importe würden höchstwahrscheinlich aus Frankreich oder Deutschland stammen. Frankreich produziert heute rund 75 Prozent seines Stroms mit Kernenergie. Der deutsche Strom stammt trotz jahrzehntelanger Energiewende noch heute fast zur Hälfte aus «dreckigen» Kohlekraftwerken. Sigmar Gabriel, Minister für Wirtschaft und Energie, hat erst kürzlich verdeutlicht: Ohne Kohlekraftwerke wird Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie nicht schaffen. Infolgedessen fordert die deutsche Regierung den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke bis 2050. Französischer Atom- oder deutscher Kohlestrom statt Schweizer Kernenergie dürfte wohl ausgerechnet den vehementesten Befürwortern des Atomausstiegs am wenigsten passen.

«Gesetzesartikel produzieren keinen Strom.»

Weitere Fragezeichen bei der zukünftigen Schweizer Energiepolitik sind die Entwicklung des Bedarfs, die Liberalisierung des Strommarktes und ein Stromabkommen mit der EU, das noch weit vom Abschluss entfernt ist. Zudem reicht das erste Massnahmenpaket gerade mal für die Hälfte der Ziele des Bundesrates. Angesichts all dieser Unsicherheiten ist es mehr als angebracht, die bewährte Energiepolitik mit Kernenergie wenigstens als Option offenzulassen und dem Stimmvolk als echte Alternative vorzulegen.

Beat Bechtold, Geschäftsführer
Nuklearforum Schweiz

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