Publiziert am: 18.09.2015

Lebensgefahr – tausendfach

Gotthard – Die Unfallgefahr im Tunnel ist heute sehr hoch. Nur eine Sanie­rungs­röhre kann garantieren, dass Rettungskräfte im Notfall effizienter und schneller zum Unfallort gelangen.

75 000 Kreuzungen pro Stunde und das bei einer Länge von 17 Kilometern. Der Gotthard-Strassentunnel gehört zu den längsten in Europa. Pannenstreifen ist keiner vorhanden und die Sicherheitsnischen sind viel zu weit voneinander entfernt. Die Sicherheitssituation am Gotthard ist dadurch stets angespannt und die Unfallgefahr hoch.

Der Gotthard-Strassentunnel entspricht den heute gängigen Sicherheitsansprüchen nicht mehr. Das weiss Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamts für Strassen (ASTRA): «Der Gotthardtunnel ist 35 Jahre alt. Er hat nicht nur diverse bau­tech­nische Mängel, sondern auch Sicherheitsdefizite bei der Lüftung und bei der Signalisation. An der Sanierung führt kein Weg vorbei.» Deshalb muss der Gotthard-Strassentunnel in zehn Jahren umfassend saniert werden. Die besondere Heraus­forderung dabei: Die bestehenden Kapazitäten nicht allzu stark zu beeinträchtigen. «Die Tunnelverbindung ist als Hauptverkehrsader zwischen Norden und Süden unverzichtbar», so Röthlisberger. «Wir sind darauf angewiesen, dass der Verkehr jederzeit weiterrollen kann.»

Sanierungstunnel auch für zukünftige Generationen

Normalerweise würden kleinere Arbeiten häufig nachts durchgeführt, weiss Röthlisberger. Für grössere Arbeiten – wie diese bald nötige Sanierung eine darstellt – liege dies allerdings nicht drin. Bundesrat und Parlament haben sich bereits für den Bau einer Sanierungsröhre ausgesprochen.

Grundsätzlich diskutiert werden zwei Lösungsvorschläge: Einerseits der Bau einer Sanierungsröhre, andererseits Verladestationen in Erstfeld und Biasca. Der grösste Unterschied der beiden Varianten liegt im finanziellen Bereich. «Während ein Sanierungstunnel auch für die zukünftigen Generationen erhalten bleiben und die Sicherheit massiv erhöhen würde, müssten die Verladestationen nach der Sanierung abgebaut und bei der nächsten Generalüberholung wieder komplett neu erbaut werden. So müssten Milliarden immer und immer wieder investiert werden», sagt Röthlisberger. Somit wird klar: Die Sanierungslösung ist nicht nur die günstigere, sondern auch die nachhaltigere und für die Zukunft besser investierte Lösung.

«Jeder Tote ist einer zu viel»

Dass sich die Gegner einer Sanierungsröhre derart gegen eine Steigerung der Sicherheit aussprechen, kann Alberik Ziegler, ehemaliger Stützpunktkommandant der Schadenswehr Gotthard, nicht verstehen. Er hat während vielen Jahren selbst bei Rettungseinsätzen mitgewirkt und zahlreiche Opfer aus dem Tunnel geholt. «Jeder Unfall im Gotthardtunnel ist schrecklich, jeder Tote einer zu viel», so Ziegler. Das Paradebeispiel ist das Feuerinferno, das sich im Jahr 2001 ereignet hat. 11 Menschen waren nach einer Frontalkollision zweier Lastwagen ums Leben gekommen. «Sobald im Tunnel ein Brand ausbricht, entsteht das Chaos», sagt Ziegler. 1000 Grad Celsius und eine enorme Rauchentwicklung sind dabei keine Seltenheit.

Zwar scheint das Vorgehen im Ernstfall klar zu sein: Das Fahrzeug stehen und den Schlüssel stecken lassen, um dann schnellstmöglich einen Schutzraum aufzusuchen. «Die Leute reagieren in ihrer Panik aber oft falsch. So haben die Rettungskräfte viel zu lange, bis sie schliesslich am Unfallort eintreffen.» Und genau diese Schnelligkeit kann vielen Menschen das Leben retten. Lediglich drei Minuten halten wir es ohne Sauerstoff aus, danach ersticken wir. «Wenn nun eine Sanierungsröhre gebaut würde, gäbe es keinen Gegenverkehr mehr. Auf dem Pannenstreifen könnten die Rettungskräfte schneller zu den Opfern gelangen. Mit den Verladelösungen würde das Sicherheitsproblem auf unbestimmte Zeit weiterhin bestehen.»

Hohes Brandrisiko

Der Pannendienst rückt jährlich zwischen 250 und 300 Mal aus, 6 bis 15 Mal kommt es im Tunnel zu einem Brand. Fabrizio Lasia, Kommandant der Schadenswehr Gotthard, weiss, dass das Brandrisiko im Tunnel hoch ist. Lasia und sein Team sind für die Rettungseinsätze im Tunnel zuständig. Dabei sind sie auf ein rasches Durchkommen zum Unfallort angewiesen. «15 Minuten nach Ausbruch eines Brandes müssen wir vor Ort sein», sagt der Kommandant. Eine zweite Röhre würde in seinen Augen vor allem Frontalkollisionen als Unfallursache in hohem Masse eindämmen. «36 Menschen sind in den Jahren 1980 bis heute im Tunnel gestorben. So kann und darf es nicht weitergehen», sagt Lasia.

Deshalb: JA zur Sanierungsröhre am Gotthard und damit JA zu mehr Sicherheit im Tunnel.

Stéphanie Jenzer

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