Publiziert am: 15.05.2020

Die Meinung

Mit Offenheit aus der Corona-Krise

Nach dem Lockdown ist der Protektionismus salonfähig geworden. In allen politischen Lagern verlangen einzelne die Abschottung der Schweizer Wirtschaft. Das ist ein Fehler.

Der «Lockdown» ist fast schon zerredet – kaum ein «Experte», der nicht schon eine Analyse präsentiert hat. Doch er brachte auch wenig diskutierte, fast schon dunkle Seiten hervor, etwa das Denunziantentum: Kaum wurden ein paar Leute in einem Park gesichtet, wurde auch schon die Polizei alarmiert. Diese Überwachungslust lässt nichts Gutes ahnen.

Eine fast noch bedeutendere Schattenseite im Lockdown ist das Wiedererstarken des Protektionismus. Sicher, die Einigelung der Schweizer Wirtschaft feierte bei Linken und anderen rückwärtsgerichteten Kreisen immer schon Urständ. Doch die ausserordentliche Session liess tief blicken. Der Griff in den merkantilistischen Giftschrank wurde genüsslich zelebriert.

«Geld bleibt hier» wurde dort von verschiedener Seite deklamiert. Was bedeutet das genau? Sollte etwa ein Medikament gegen Corona in Frankreich entwickelt werden – dürften wir es dann nicht in die Schweiz bringen? Sollte gar eine Impfung in den USA zum Durchbruch kommen – würden wir uns auch weigern, sie zu importieren? Die eigene Gesundheit zu opfern, um Ausländern kein Geld zu geben: Das wäre absurd!

Genauso absurd wäre eine Abschottung der Schweiz. Schon der erste Blick zeigt nämlich, dass – gerade auch für KMU – die wirtschaftliche Offenheit der Schweiz lebensnotwendig ist. Denn etwa die Hälfte des Schweizer Aussenhandels geht auf KMU zurück. Sie verantworten etwa 45 Prozent der Exporte und sogar 60 Prozent der Importe. Doch auch viel handfestere Beispiele zeigen, wie die einzelnen Menschen in der Schweiz von der Globalisierung profitieren. Der Import von Kleidern und Textilien etwa ist günstiger als ihre Produktion in der Schweiz. Die dadurch entstehenden tieferen Preise erhöhen die Kaufkraft – vor allem jene der Ärmeren. Ohne den Import von Autos gäbe es in der Schweiz kaum motorisierten Individualverkehr. Verschiedene Branchen, etwa Pflege oder Gastronomie, wären ohne den Import von Arbeitskräften schon längst dem Strukturwandel zum Opfer gefallen – d. h. auch die inländischen Arbeitskräfte würden auf der Strasse stehen.

Die Einbettung der Schweizer Firmen in der globalen Wertschöpfungskette treibt die Produktivität und die Innovation an. Höhere Produktivität und Innovation ergeben die höheren Löhne in der Schweiz. Und auch hier gilt: Ohne aussenwirtschaftliche Offenheit hätten ganze Branchen Schwierigkeiten, etwa die mechanische Industrie, die Lebensmittelverarbeitung, der Tourismus oder sogar der Finanzplatz.

Das Ergebnis ist glasklar: Das Wirtschaftswachstum der Schweiz ist von ihren Exporten abhängig. Wohlstand und die Lebensqualität der Menschen im Inland werden durch Importe verbessert. Wenn Corona-Medikamente im Ausland entwickelt werden, wollen wir sie möglichst schnell in die Schweiz einführen. Und sollten Schweizer Firmen sie zuerst entwickeln, so sollten sie ebenso rasch auch global verkauft werden. Um aus der Corona-Krise herauszukommen, ist Offenheit Trumpf. Abschottung hat der Schweiz noch nie zum Erfolg verholfen.

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