Publiziert am: 02.09.2016

Mit vielen Klicks einfach zum Ziel

DIGITALISIERUNG – Das Versicherungsgeschäft steht vor einem starken Umbruch. Aufgrund der neuen Technologien verändern sich die Bedürfnisse der Kunden – es werden einfachere und schnellere Services und Zugangswege gefordert.

Die digitale Transformation klopft auch an die Türe der Versicherungsbranche: Diese hat bereits darauf reagiert. «Unsere Kunden verlangen eine Individualisierung der Versicherungsprodukte. Zudem drängen sich InsurTechs und branchenfremde Grosskonzerne mit neuen Technologien auf ­unseren Markt», sagt Dominik Bürgi, Leiter Customer Management Commercial Clients bei der AXA Winterthur. Für die Versicherungsbranche mit ihren komplexen Abläufen im Hintergrund bedeute die Digitalisierung aller Prozesse eine grosse Herausforderung, gibt Michel Gicot, Leiter Unternehmensentwicklung und Mitglied der Geschäftsleitung der Mobiliar, zu bedenken. «Noch tiefgreifender sind die Veränderungen, die sich für die Geschäftsmodelle der Versicherungen abzeichnen», ergänzt er. Dank der Digitalisierung wird es neue Zusammenarbeitsmodelle und -möglichkeiten mit Partnern geben, ist Felix Weber, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Suva, überzeugt. Alle drei Versicherungsgesellschaften sind sich einig, dass der Trend Richtung einfachere, weniger beratungsintensive Versicherungen im Baukastenprinzip geht, die Kunden auch online abschliessen können. Auf diese Entwicklungen stellt man sich bei der AXA Winterthur in der Kundenberatung ein. Dazu Bürgi: «Aktuell informieren sich in der Schweiz viele Kunden gerne und häufig online, schliessen die Versicherung aber meist immer noch offline bei einem Verkaufsberater ab.» Für die Mobiliar ist zentral, dass Kunden selber wählen sollen, wann und auf welchem Kanal sie mit der Versicherung in Kontakt treten, und ob sie die Versicherungspolicen in Papierform oder digital verwalten möchten. «Deshalb haben wir die Vision ‹Digital persönlich› gegründet. Wir stecken viel Kraft in die Weiterentwicklung unserer Systeme, die dafür sorgen, dass wir die Kunden über alle Kanäle persönlich unterstützen können», sagt Gicot.

«Viele Kunden 
informieren sich 
online – schliessen 
die Versicherung aber offline ab.»

Aus Sicht der drei Versicherer ist die Digitalisierung eine grosse Chance für die Branche. Für die Mobiliar ist es hauptsächlich die Nähe zu den Kunden. «Wir können künftige Bedürfnisse erkennen, neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln und für unsere Kunden einen Mehrwert schaffen», so Gicot. Die Digitalisierung ermögliche aber auch eine viel genauere Bestimmung des Risikos – zum Beispiel mit Fahrdaten in der Autoversicherung oder Gesundheitsdaten in der Vorsorge. Innovative und neue Wege in der Kundeninteraktion sowie die Möglichkeit Smart Services zu entwickeln, sind für AXA Winterthur gros­se Vorzüge der neuen Technologien. «Die Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein», spricht Weber von der Suva die Kehrseite der Medaille an. «Um die Chance der Digitalisierung zu nutzen, muss ein Unternehmen fokussiert vorgehen. Es sollte die Bereiche eruieren, in denen die Digitalisierung am meisten Sinn macht.»

KMU in Administration

und Buchhaltung entlasten

Gerade im schnelllebigen Geschäftsalltag spielt die Digitalisierung eine zentrale Rolle. «KMU sind sehr effizienzorientiert und bekunden deshalb Interesse an digitalen Lösungen, die eine Vereinfachung der Prozesse und damit eine Kosten- und Zeitersparnis sowie eine administrative Entlastung bringen», weiss Bürgi. Jedoch zeigten die Erfahrungen der AXA Winterthur auch, dass KMU für komplexere Fragenstellungen rund um das Versicherungsgeschäft gerne auf das persönliche Gespräch mit dem Kundenberater zurückgreifen. Dies bestätigt auch die Mobiliar. Sie hat als führender Betriebsversicherer ein sehr heterogenes KMU-Kundenportefeuille. «Dem wollen wir Rechnung tragen und so den verschiedenen Ansprüchen an unsere Dienstleistungen und digitalen Services gerecht werden», sagt Gicot. Das grosse Potenzial bezüglich Versicherungen liegt für KMU in der Administration und Buchhaltung, respektive in der elektronischen Lohndatenübermittlung. «Die Übermittlung der Lohndaten ist für die Unfallversicherung, die Krankentaggeldversicherung und die berufliche Vorsorge möglich», erklärt Bürgi. Mit einer Swissdec zertifizierten Lohnbuchhaltung können aber auch weitere Lohnempfänger elektronisch bedient werden, wie die AHV-Ausgleichskasse, Familien-Ausgleichskassen, das Bundesamt für Statistik oder die Quellensteuerverwaltung. Aus diesem Grund macht auch die Suva bei der «Swissdec Kampagne 2016+» mit. Eine spezielle digitale Dienstleistung der Mobiliar für KMU ist die «Rund um die Uhr Erreichbarkeit». «KMU-Kunden können 24 Stunden lang auf ihre Dokumente zugreifen oder einen Schadenfall melden», so Gicot.

«Es stehen Datenmengen zu Verfügung wie nie zuvor – diese 
müssen wir nutzen.»

Offensichtlich ist, dass sich die Märkte durch die neuen Technologien verändern. Dabei lautet die Devise «Mit wenigen Klicks zum Ziel». «Abgesehen von effizienter Datenverarbeitung stehen dank der Digitalisierung und Big Data Datenmengen zur Verfügung wie noch nie zu vor. Dies gilt es zu nutzen», bringt es Weber auf den Punkt. Die Suva beispielsweise erkennt in Zukunft dank datenbasierten Fallprognosen noch schneller, ob verunfallte Personen mit den richtigen Mitteln unterstützt werden. Ausserdem kann sie dank automatisierter Rechnungskontrolle falsche Rechnungen erkennen und entsprechend ungerechtfertigte Auszahlungen verhindern, wovon ihre Versicherten profitieren. «Die Digitalisierung führt zu einer zunehmenden Transparenz und stärkt dadurch die Position des Konsumenten. Er hat grössere Vergleichsmöglichkeiten als früher und ist besser informiert», so Bürgi. Eine Tatsache ist es aber auch, dass in der Versicherungsbranche Fragestellungen rasch komplex werden und «da braucht es auch in Zukunft Menschen, die weiterhelfen und individuelle Lösungen finden», sagt Gicot.

Corinne Remund

DIGITALE PRODUKTE

Sicherheit via App

Die Mobiliar bietet eine neue App«Schadenmeldung in 90 Sekunden» an. Sie beinhaltet eine Funktion zur Schadenmeldung inklusive Foto und Lokalisierung. Mit dem Kundenportal «Meine Mobiliar», das mit der App verknüpft ist, erhalten die Kunden einen elektronischen Versicherungsordner. Rege benutzt wird auch das Online-Tool «Versicherungs-Check KMU» der AXA Winterthur. Geplant ist ferner eine App-Version des Kundenportals «myAXA». Aktuell überarbeitet die Suva ihren Internetauftritt. Nutzer sollen die benötigten Informationen einfacher finden und in einem Cockpit ablegen. CR

das sagt der svv

Der Versicherungsverband wird sich einbringen

Gemäss Roger Waber, Leiter Corporate Publishing beim Schweizerischen Versicherungsverband SVV, obliegt die Neuausrichtung der Prozesse und Strategien auf die digitale Wirtschaft bzw. den digitalen Kunden den einzelnen Versicherungsvertretern. «Die Aufgabe des SVV ist es, sich für optimale gesetzliche Rahmenbedingungen einzusetzen», sagt Waber. Tatenlos zusehen wird der Schwerizerische Versicherungsverband aber dennoch nicht: «Der SVV wird sich in die politischen Diskussionen und Gesetzgebungsprozesse einbringen, die durch die Digitalisierung der Wirtschaft in Gang gesetzt werden, beispielsweise zu Themen wie Datenschutz, Regulierungsfragen und so weiter», versichert Waber.uhl

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