Publiziert am: 06.11.2015

Mit Zwiebeln Politik machen

GEWERBE-BLOG – Das wirtschaftliche Leben Indiens ist reich an unglaublichen Phänomenen. Dies belegt nicht zuletzt der Gewerbe-Blog des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv.

«Unglaubliches Indien» ist ein Slogan, der den Tourismus in Indien bewirbt. Für viele Besucher und Investoren, aber auch Bürger des Landes beschreibt er die Realität ziemlich genau. Das wirtschaftliche Leben Indiens ist reich an unglaublichen Phänomenen – und auch an einigen, die einen Grund zu ungläubigem Staunen geben. Indien ist ein wirtschaftlich interessantes Land, aber eben auch ein schwieriges.

Seit der Unabhängigkeit hat sich in Indien ein gefestigtes demokratisches System entwickelt, in dem die Gewaltenteilung von Exekutive, Legislative und Judikative sowie der Föderalismus die wichtigsten Stützen bilden. Leider kommen auch die negativen Erscheinungen zum Tragen.

Föderalismus und Populismus

Der Föderalismus führt zu einer Vielzahl von Regeln, die teils widersprüchlich sind. Ein indischer Minister sagte selber kürzlich: «Es ist unmöglich, sich in Indien legal zu verhalten. Entweder verletzt man ein Bundesgesetz oder man verletzt jenes eines Teilstaats.» Die verschiedenen Verwaltungseinheiten führen auch zu sehr vielen Ansprechpartnern. Doch Schweizer Unternehmen können damit umgehen. Schliesslich ist auch der Schweizer Föderalismus nicht frei von Widersprüchen.

Problematisch wird es mit der populistischen Politik der Massendemokratie. Um im Wahlzyklus zu be­stehen, greifen politische Parteien ­immer wieder zu extremen Ver­sprechen. Diese können die beispielsweise die Religion betreffen. Derzeit wird dort heftig diskutiert, ob Moslems Bürger zweiter Klasse sind, weil sie Rindfleisch essen. Kühe und Rinder sind der Hindu-Mehrheit nämlich heilig. Ein anderes Beispiel für Populismus sind Preiskontrollen. Immer wieder versprechen Parteien, Höchstpreise einzuführen. Vor allem der Zwiebel kommt darin eine besondere Bedeutung zu.

Die Zwiebel-Politik

Viele Fragen: Gibt es irgendeinen anderen Ort, an dem die Wahlen vom Zwiebelpreis entschieden werden? In wie vielen Ländern verhängen die Regierungen Beschränkungen auf den Inlandstransport und den Export von Zwiebeln? Welches Regime der Welt ist schonungslos genug, um Gemüsehändler wegen des Hortens von Zwiebeln strafrechtlich zu verfolgen? Wo sonst begegnet man staatlich betriebenen Läden mit dem Namen «Faire Preise», die Zwiebeln anbieten und Grenzen für die Mengen festlegen, die eingekauft werden dürfen?

Was sind die Ergebnisse dieser Politik? In einem Teil des Landes müssen Bauern Zwiebel-Notverkäufe durchführen. In einem anderen Teil gibt es Zwiebeln nur auf dem Schwarzmarkt. Diese Ergebnisse beziehen sich nicht nur auf Zwiebeln. Überall, wo es staatlich festgesetzte Preise gibt, kommt es zu Verzerrungen, Über- oder Unterproduktion.

Was lernt man daraus?

Zwiebeln haben in der Politik Indiens seit fast vier Jahrzehnten eine entscheidende Rolle gespielt. Alle paar Jahre wiederholt sich das gleiche verrückte Schauspiel wieder. Zuerst gibt es eine wetterabhängige Katastrophe, die den Zwiebelanbau trifft. Vielleicht regnet es zu viel – oder dann eben zu wenig. Dies ruft ein vollkommen vorhersehbares Ergebnis auf dem Zwiebelmarkt hervor – einen Engpass oder ein Überangebot.

Und jedes Mal reagiert die Regierung in derselben reflexartigen Weise: Sie verfällt in Panik und gibt eine Flut an ineffektiven, administrativen Verordnungen heraus. Und dann, wenn die Folgen deutlich negativ sind, braucht die Politik um die zehn Jahre, um die unsinnige Regulierung wieder zurückzurufen.

Absurde Risiken sind auch Risiken

Soll das etwa heissen, Schweizer Unternehmen sollen lieber nicht in Indien investieren? Nein. Indien bietet grosse Chancen. Aber Indien birgt auch eigentümliche Gefahren. Und jedes KMU, das nach Indien expandiert, soll sich gut überlegen, welchen Risiken es ausgesetzt ist. Dies auch, wenn die Risiken absurd scheinen.

Die Komplexitäten der Indischen Politik werden in einer Expertise der Geopolitical Information Service GIS vertieft. Dieser Report ist exklusiv über den Gewerbe-Blog zu lesen.

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