Publiziert am: 23.04.2021

Miteinander am selben Strick ziehen

SWISSMODE – Die Kreativwirtschaft ist nur gemeinsam stark, dies hat gerade die Pandemie sehr gut gezeigt. Hier möchte der neue Präsident, Adrian Reber, ansetzen und den kreativen Beruf der Bekleidungsgestaltenden sowohl in der Herren- als auch in der Damenbranche weiterentwickeln und so die Zukunft für die noch verbleibenden Betriebe der Textilbranche in der Schweiz sichern.

2020 war das Jahr der Veränderungen, so auch bei Swissmode, dem Verband Bekleidung Schweiz. Seit letztem Jahr führt Adrian Reber den noch jungen Verband unter diesem Namen und Konstitution. Er ist Designer mit Leib und Herz, entwickelt eine eigene Kollektion und bringt einen breit gefächerten Rucksack mit viel Know-how mit (vgl. Kasten). Trotz der Amtsübernahme in einer globalen Pandemie sieht der Swissmode-Präsident positiv in die ­Zukunft: «Wir werden mit meinem Team neue Wege einschlagen, um unseren Beruf wieder sichtbarer machen.» Dazu sei es unerlässlich, die Kommunikation in den sozialen Netzwerken zu optimieren und auszubauen. «Wir planen verschiedene neue Austauschplattformen und Schulungen an unserer Berufsfachschule in Zürich», so Reber. Und er doppelt nach: «Die Vernetzung ist essenziell für unser Überleben. Sich gegenseitig zu unterstützen und helfen – gerade in einer Situation wie jetzt – motiviert und belebt die Branche.»

«Die Vernetzungist essenziell fürunser Überleben.»

Ebenso hat die Digitalisierung vor der Textilbranche nicht Halt gemacht. So werden viele Schnitte, wenn möglich, digital und nicht mehr von Hand gemacht. Auch ­Produktionsabläufe und -prozesse ­sowie der ganze administrative Aufwand werden digital abgewickelt. Allerdings hat die digitale Transformation in der Textilbranche zwei Seiten. Dazu Reber: «Momentan führen wir Kundengespräche digital durch. Das traditionelle Handwerk des Nähens kann aber nicht digitalisiert werden.» Und er betont: «Wir dürfen nicht ausser Acht lassen, dass die Digitalisierung eines Betriebes sehr kostenintensiv und daher für viele kleinere Ateliers nicht tragbar ist.»

Pandemie als Chance

Die Branche ist sehr breit gefächert mit Damen- und Herrenbekleidung. «Jedes Atelier lebt seinen eigenen Stil – diese Vielfältigkeit macht unser Metier aus. Nicht nur die Materialien wechseln saisonal, sondern auch die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden verändern sich ständig. So muss sich die Branche alle sechs Monate auf neue Materialien und Kleidungsstücke einlassen und neue innovative Stücke kreieren. Corona-bedingt werden weniger neue Kreationen produziert und alte Kleidungsstücke vermehrt abgeändert und aufgepeppt. «Die Lust auf neue Kleider ist momentan gedämpft, da man die neuen Kleidungsstücke nicht präsentieren und zeigen kann. Es gibt keine Hochzeiten im grossen Rahmen, keine Konzerte und grosse Events, wofür Mann oder Frau sich in Schale werfen kann. Das prägt unsere Branche zurzeit», so Reber. Die kreative Branche orientiert sich am Zeitgeist, der auch beim engagierten Designer aus Ostermundigen Einfluss auf seine Kollektionen hat: «Ich habe bereits im letzten Februar meine Looks der Sommerkollektion 2020 alle mit einer extra dazu gefertigten Maske fotografiert, bevor in der Schweiz überhaupt über Masken diskutiert wurde. Ich verpasste der Winterkollektion 20/21 einen Touch Sciences-Fiction mit verspiegelten Stoffen. Gleichzeitig habe ich grosse Volumen geschaffen, um sich zurückziehen zu können und mit upcycelten Pelzen wollte ich Cocooning-Möglichkeiten bieten – mit grosse Schals und Capes.»

Die Pandemie hat die Textilbranche schwer getroffen: Ladenateliers mussten länger geschlossen bleiben, Kundenkontakte waren nicht möglich – die Fixkosten liefen aber weiter. Messen für Stoff- und Accessoires-Einkauf für neue Entwürfe wurden abgesagt ebenso wie Verkaufsmessen und Modeshows, um die neuen Kollektionen zu präsentieren. «Da wir oft auf Massanfertigungen spezialisiert sind, ist diese Zeit eine Herausforderung. Denn neue Stoffe können nur schwer per Internet bestellt werden, wir müssen sie fühlen und sehen», sagt Reber. Die Nachfrage nach Neuanfertigungen und Spezialanfertigungen für Hochzeiten und Feste sind fast ganz eingebrochen. Doch Adrian Reber und seine Mitglieder bewegen sich in einem kreativen Umfeld, wo schnell Lösungen gesucht und auch gefunden werden: «Wir haben die Pandemie als Chance genutzt. Viele Ateliers haben schnell reagiert und begonnen, Stoffmasken herzustellen – zuerst zwei- oder dreilagig mit Baumwollstoffen dann mit zertifizierten Antivir-Stoffen. Das hat viele Betriebe durch die Krise getragen und gerettet – manche haben sogar ihren Umsatz steigern können.»

Neue Ausbildung hat sich etabliert

Die Hauptaufgaben von Swissmode sind vielfältig. Zwei Hauptpunkte, die auch dem neuen Präsidenten am Herzen liegen, sind die Ausbildung von Lernenden und die Weiterbildung für Verbandsmitglieder. In den letzten Jahren hat sich der Beruf stark verändert. Die Berufsausbildung wurde in den letzten Jahren den aktuellen Gegebenheiten angepasst und modernisiert. «Die Berufsreform vor fünf Jahren hat zu grossen Diskussionen geführt. Die Überbetrieblichen Kurse ÜK orientieren sich jetzt vermehrt an der Industrie, ohne aber den handwerklichen Hintergrund unseres Berufes zu vergessen. Die neue Ausbildung hat sich gut etabliert und kommt in der Branche gut an», streicht Reber hervor. Der Beruf Bekleidungsgestalter/-in ist beliebt. Letztes Jahr absolvierten 900 junge Leute diese Ausbildung. «Wir haben genügend Lernende und Ausbildungsplätze. Wir streben aber das Ziel an, künftig wieder mehr duale Ausbildungen anbieten zu können, da heute mehrheitlich in Lehrwerkstätten ausgebildet wird.»

Wichtig für die Promotion der Ausbildung in der Branche sind ­Berufswettbewerbe wie die Swiss Skills. Bereits jetzt laufen die Vorbereitung zur Durchführung im nächsten Jahr. «Für uns ist das ein optimales Schaufenster für die Öffentlichkeit. Unsere Branche ist klein und unser Image von der Vergangenheit geprägt. Nur mit mehr Sichtbarkeit kann der Beruf der Bekleidungsgestaltenden erfolgreich ins 21. Jahrhundert gebracht werden und die Ausbildung für Modemacher auch in Zukunft für junge Generationen attraktiv bleiben.» Dazu sei auch entsprechendes Marketing nötig. Unter diesem Kapitel spielt aber auch die Weiterbildung eine wichtige Rolle. «Weiterbildung ist unabdingbar für unsere Mitglieder. Wer sich nicht weiterbildet, bleibt stehen. In unserer eigenen Berufsfachschule bieten wir eine breites Weiterbildungsangebot an.»

Textile Produktion vermehrt in die Schweiz holen

Für Reber ist das Zukunftspotenzial der Branche riesig und er sieht ganz viel Ausbaupotenzial auf vielen Ebenen – die Corona-Krise kommt dem Modegewerbe in dieser Hinsicht vielleicht sogar zugute. Die Schweiz war und ist ein Land mit einer wichtigen Textilbranche, die leider in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen ist. Hier möchte Reber die Weichen der ­Zukunft stellen: «Wie wir in der jetzigen Situation erlebt haben, ist es nötig, hier bei uns in der Schweiz Betriebe zu haben, die schnell reagieren und auch hier textile Produkte herstellen können. Mir ist es deshalb ein wichtiges Anliegen, unsere Branche wieder zu fördern und zu versuchen, zum Beispiel einzelne Teile von Armeeuniformen oder von grossen Betrieben wieder hier in der Schweiz fertigen zu ­können.»

Corinne Remund

www.swissmode.org

DAS MACHT SWISSMODE

Frischer Wind und viel Kreativität mit neuem Präsident

1907 schlossen sich die verschiedenen Sektionen der Schneidermeister in der Schweiz zum Centralverband Schweizerischer Schneidermeister CSS zusammen, mit dem Ziel, sich für die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitglieder zu engagieren. 2018 wurde der Verband zu Swissmode Verband Bekleidung Schweiz unbenannt. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Schweizerische Berufsverband für Bekleidungsgestaltung SwissMode, mit Schwerpunkt Damenbekleidung sowie der Verein SwissCouture integriert. Im Mittelpunkt der Verbandsgeschäfte steht die Ausbildung von Lernenden. Swissmode obliegen die Trägerschaften für die Schwerpunkte Damenbekleidung wie auch Herrenbekleidung in der Interessengemeinschaft Berufsbildung Bekleidungsgestalter/in IBBG.

Die Weiterbildung für Verbandsmitglieder und Interessierte ist eine weitere, wichtige Aufgabe von Swissmode. Der Verband organisiert und führt Weiterbildungskurse durch, wo Verbandsmitglieder und Bekleidungsgestalter/-innen beider Fachrichtungen (Damen und Herren) ihr Wissen und Know-how vertiefen können, um den aktuellen Anforderungen begegnen zu können. Swissmode fördert die Weiterführung der Fachschulen mit Stiftungsunterstützung und nimmt an internationalen Kongressen teil. Er ist auch in der Mitgestaltung der Treffen des European Master Tailor Congress (EMTC) involviert. Der nächste EMTC findet vom 26. bis 29. Mai 2022 in Dortmund, Deutschland, statt.

Der Verband zählt total 181 Mitglieder, die meisten Mitglieder sind KMU respektive ­Ateliers und Bekleidungsgestalterinnen und -gestalter in beiden Fachrichtungen – Damen und ­Herren. Der Verband ist bestens vernetzt mit ­anderen Organisationen, Verbänden und ­Institution sowie mit Behörden und Politik, um seine Anliegen im Dienst der Mitglieder zu vertreten.

Viel Know-how mit Adrian Reber

Der Berner Adrian Reber hat im letzten Jahr die Nachfolge von Karin Bischoff angetreten. Er ist schon seit längerer Zeit in der Textilbranche unterwegs, hat Erfahrung in globalen Unternehmen gemacht, konnte sein eigenes ­Label Adrian Reber in der Schweiz etablieren, in den drei Sprachregionen arbeiten und ist seit längerem in der Ausbildung von Bekleidungsgestaltern tätig. CR

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